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Das Büro der Zukunft

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In Krisenzeiten müssen viele Unternehmen sparen: Die Arbeit im Homeoffice funktioniert gut, warum also noch teure Büros anmieten? Das ist zu kurz gedacht. Wir werden auch in Zukunft noch Büros brauchen – nur sehen sie anders aus als bisher.

Von****Stefan Rief

Warum gibt es Büros? Vor der Corona-Krise wäre die Antwort vielleicht so ausgefallen: Räumliche Nähe ist wichtig, damit Menschen in Organisationen effektiv und effizient zusammenarbeiten. Sie ist sogar unabdingbar, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neue, kreative Lösungen entwickeln sollen.

Auf Basis dieser Annahmen haben Unternehmen in den vergangenen Jahren haufenweise Bürowände entsorgt; entstanden sind vielerorts offene, bunte Arbeitslandschaften. In den Städten gründeten sich gleichzeitig zahllose Co-Working-Spaces. In sie strömten Selbstständige, Gründer und Projektgruppen auf der Suche nach Austausch, Netzwerken und Inspiration. Mitarbeiter erhielten vermehrt die Möglichkeit, von unterwegs oder daheim zu arbeiten. Dennoch blieb das Büro für die allermeisten der primäre Arbeitsort.

Auch ich war mir sicher: Die physische Nähe und die räumliche Umgebung haben einen maßgeblichen und positiven Einfluss auf unsere Arbeit. Das belegte nicht nur meine eigene Erfahrung, sondern war auch Ergebnis wissenschaftlicher Studien.

Hat sich diese kollektive Erfahrung durch die massenweise Entsendung der Büromitarbeiter nach Hause verändert? Erste Untersuchungen zeigen, dass die Arbeit im Homeoffice überraschend gut funktioniert (siehe dazu auch den Kasten "Die Vor- und Nachteile des Homeoffice" Seite 22). Teilweise berichten Mitarbeiter sogar von einer größeren Nähe zu ihrer Führungskraft als vorher. Welche Rolle spielt das Büro noch in einer virtuellen Zukunft? Hat es seine bislang unangefochtene Bedeutung als Arbeitsort verloren? Wenn ja, wie verändern sich die Anforderungen an Büros infolge der Pandemie?

Bereits in den Jahren vor dem Corona-Ausbruch hat sich die Büroarbeitswelt zunehmend verändert. Immer mehr Unternehmen führten offenere und zusammenhängende Raumstrukturen ein. Das sollte die Kommunikation innerhalb und insbesondere zwischen Teams fördern, die Zusammenarbeit stärken und neue Ideen entstehen lassen.

Häufig hoben Unternehmen die feste Zuordnung eines Arbeitsplatzes zu einer Person auf, damit Mitarbeiter die offeneren Räume flexibel nutzen konnten. Gleichzeitig weiteten sie die mobile Arbeit aus: Angestellte durften Teile ihrer Arbeit von zu Hause aus erbringen. Im Gegenzug reduzierten die Firmen häufig die Anzahl der Büroplätze und sparten Flächen ein.

Die ortsunabhängige Arbeitsweise erlangte bei Unternehmen und Mitarbeitern eine hohe Popularität. Sie steigerte die Attraktivität als Arbeitgeber und half beim Werben und Binden von Fachkräften. Manager verknüpfen diese Entwicklungen häufig mit dem Begriff "New Work", auch wenn das orts- und zeitflexible Arbeiten nur eines von vielen Elementen dieser Philosophie darstellt.

2018 führten wir in unserem Verbundforschungsprojekt "Office 21" die Studie "Office Analytics" durch. Dabei befragten wir rund 10.000 Angestellte und Selbstständige zu ihren Erfahrungen in der Arbeitswelt. Die positiven Effekte, die wir fanden, waren überwältigend. Es gab nicht nur starke Zusammenhänge zwischen einer autonomeren Form von Arbeit und der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, sondern auch mit Erfolgskriterien wie der Einschätzung der eigenen Leistung, Motivation und Wohlbefinden. Deutlich positiv wirkte sich eine hohe Zufriedenheit mit der physischen Arbeitsumgebung aus. Wovon hing diese ab? Von guter Akustik, Rückzugsmöglichkeiten, der Verfügbarkeit und Vielfältigkeit von Besprechungsräumen sowie Erholungs- und Pausenmöglichkeiten.

Die Auswertung der Datensätze ergab, dass die Möglichkeit, spontan kommunizieren zu können, ebenfalls ein positiver Faktor war – allerdings weniger stark als häufig angenommen. Viel wichtiger schien das Thema Konzentration.

Wenn wir uns die aktuelle Bürowelt anschauen, finden wir in den vielen offen gestalteten Großraumbüros kaum Rückzugsräume oder Orte, die speziell für konzentriertes Arbeiten ausgelegt sind. Dabei umfasste der durchschnittliche Anteil für ruhiges, fokussiertes Arbeiten bei den Studienteilnehmern fast die Hälfte der gesamten Arbeitszeit. Die beiden am stärksten negativ wirkenden Faktoren waren ein als zu gering empfundener Abstand zu den anderen Arbeitsplätzen und die Störung durch vorbeilaufende Personen. Diesen Aspekten schenkten Firmen bisher deutlich zu wenig Aufmerksamkeit.

Die Untersuchung ergab, dass moderne, flexible Bürokonzepte dann sehr gut abschneiden, wenn sie ausreichend viele und zugleich vielfältige Angebote für konzentriertes Arbeiten, Besprechungen aller Art, Erholung, informelle Kommunikation und genügend Abstand zwischen den Arbeitsplätzen vorsehen. Zu offene und zu dichte Bürostrukturen waren schon vor der Corona-Krise keine wirklich gute Option, egal wie schick Unternehmen diese teilweise benannten – Flex Office, New Office oder Future Office etwa, um nur einige Varianten aufzuführen.

Wissenschaftliche Studien haben bereits vor Jahren nachgewiesen, dass zu viel Offenheit und eine zu große Enge die gewünschte spontane und informelle Kommunikation zum Erliegen bringt. Auch solche Kommunikation braucht Platz.

Mit der weltweiten Pandemie scheint das Büro obsolet geworden zu sein. Innerhalb kürzester Zeit schickten Unternehmen zahllose Mitarbeiter nach Hause, wo sie in einer sicheren, virusfreien Umgebung arbeiten konnten. IT-Abteilungen installierten in Windeseile digitale Werkzeuge zur Zusammenarbeit. Die Arbeit von zu Hause, die sich zuvor scheinbar nur in aufwendigen, partizipativen und begleiteten Veränderungsprozessen einrichten ließ, ist nun flächendeckende Realität. Befragungen ergeben unerwartet positive Rückmeldungen.

Anfang Juli veröffentlichten meine Kollegen Josephine Hofmann, Alexander und Christian Piele eine Studie, für die sie im Mai und Juni 500 Personalverantwortliche in Deutschland befragt hatten. Die Hälfte der Befragten gab an, dass ihre Organisationen Homeoffice in größerem Umfang als zuvor umsetzen – und zwar ohne dass hieraus Nachteile für die Organisation entstanden seien.

Eine Befragung meiner Kollegen Mitja Jurecic, Dennis Stolze und Milena Bockstahler im Verbundforschungsprojekt Office 21 von rund 2300 Büroangestellten ergab, dass sich knapp zwei Drittel zu Hause besser konzentrieren können und es einem Drittel sogar besser gelingt, auf kreative Gedanken zu kommen. 60 Prozent stellten ihren Führungskräften ein positives Zeugnis aus: Vielen Vorgesetzten gelingt es trotz Homeoffice, eine Atmosphäre zu schaffen, die Leistungsbereitschaft und Zufriedenheit fördert. Diese Werte scheinen umso stärker vor dem Hintergrund, dass rund ein Drittel der Studienteilnehmer Angehörige betreut und die meisten in einer für sie neuen, komplett virtuellen Umgebung arbeiten. Andere Studien, beispielsweise von McKinsey, kommen zu ähnlichen Ergebnissen.

Wenn die Pandemie vorbei ist, wollen die Mitarbeiter dann wieder in die Büros zurückkehren – und so arbeiten wie zuvor? Davon ist nicht auszugehen. Vor der Corona-Krise stellte eine Studie mit über einer halben Million Teilnehmenden fest, dass 75 Prozent maximal zwei Tage im Monat von zu Hause arbeiteten, bei einem weiteren Fünftel war es rund ein Tag pro Woche. Das waren keine Umfänge, welche die Rolle des Büros infrage gestellt hätten. Nun aber geben in unserer aktuellen Studie die Befragten an, dass sie künftig im Durchschnitt 7,2 Tage pro Monat im Homeoffice bleiben wollen. Das entspricht mehr als einem Drittel der Arbeitszeit. Dieser Erwartung scheinen auch die Unternehmen Rechnung zu tragen: 42 Prozent der von uns befragten Personalverantwortlichen geben an, dass sie die Möglichkeiten für die Arbeit von zu Hause erweitern werden.

Wie lassen sich diese Daten einordnen? Deutlich zeigt sich die kollektive Überraschung, wie gut die Arbeit von zu Hause über weite Strecken funktioniert. Diese Erfahrung wird unsere Arbeitswelt und unsere Art der Zusammenarbeit verändern. Über digitale Kanäle ist eine neue Nähe zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden, aber auch zu Kunden entstanden – sogar ohne Reisen zueinander zu unternehmen. Gerade der letzte Aspekt wird das Arbeitsleben in der Post-Corona-Epoche ebenso nachhaltig verändern wie die kollektive Erfahrung der virtuellen Arbeit von zu Hause.

Ob die positive Entwicklung anhalten wird, bleibt abzuwarten. Einer neuen IAO-Untersuchung zufolge scheint sich eine gewisse Ernüchterung am heimischen Arbeitsplatz abzuzeichnen. Nachdem die von uns befragten Mitarbeiter den Informations-, Arbeits- und Kreativitätsfluss im Verlauf der Corona-Krise als zunehmend besser beurteilen, fallen ab Woche 16 im Homeoffice die Werte in allen drei Bereichen gleichzeitig wieder leicht ab. Die Erfahrungen aus den ersten Krisenmonaten waren vielleicht eben auch deshalb so gut, weil sie in einer Ausnahmesituation entstanden. Sie lassen sich nicht einfach so fortschreiben.

Vieles hat meines Erachtens so gut funktioniert, weil die Arbeitsbeziehungen auf stabilen Strukturen basierten, die zuvor im gemeinsamen Büro herangewachsen waren. Zugleich befanden sich Unternehmen und ihre Mitarbeiter teilweise in einem Krisenmodus, der zu mehr bewusster und unbewusster Aufmerksamkeit füreinander führte. Bei vielen löste dies hohe Motivation und Einsatzbereitschaft aus. Dies dürfte aber weder im alten noch in einem neuen Normalzustand das Maß der Dinge sein. Die Krise selbst hat vermutlich Impulse ausgelöst, die zuvor nicht denkbare Lösungswege eröffnet haben. Diese Impulse könnten Einmaleffekte gewesen sein.

Wir Büromenschen lernen gerade durch virtuelle Zusammenarbeit, digitale Meetings und Veranstaltungen, dass sich räumliche Entfernung durch virtuelle Nähe zumindest teilweise auffangen lässt. Wir haben geübt, räumlich voneinander getrennt zu sein, aber trotzdem gemeinsam am selben Dokument zu arbeiten. Wir haben uns aufgrund wegfallender Pendel- und Reisezeiten und eventuell auch wegen entfallener Urlaubsreisen an eine einfache Erreichbarkeit und höhere Verfügbarkeit unserer Ansprechpartner gewöhnt – ob dies Kunden oder Kollegen sind. Wenn die Technik und das Umfeld zu Hause es erlaubt haben, erlebten wir teilweise auch eine gesteigerte Effizienz und schnellere Entscheidungen – zugegeben, manchmal auch ein höheres Stressniveau. Wir werden diese Erfahrungen in die Zeit mit und nach Corona mitnehmen.

Der wesentliche Unterschied wird sein, dass die meisten es nun erlebt, erlernt und verinnerlicht haben, selbstbestimmt und ortsunabhängig zu arbeiten. Damit wird es nicht nur einfacher, sondern auch völlig normal sein, räumlich voneinander getrennt zu arbeiten. Für den Ort der Arbeit wird das bedeuten: Jede Fahrt ins Büro – ob mit dem Fahrrad, dem öffentlichen Nahverkehr oder dem Auto – wird immer wieder auf einer bewussten Entscheidung für die Arbeit im Büro basieren. Wir werden die Zeiten für die Hin- und Rückfahrt mit dem dort zu erwartenden Ergebnis in Relation setzen. Das kommt einem Paradigmenwechsel gleich: Unsere Einstellung dem Büro gegenüber wird eine ganz andere sein.

Klar ist: Die Nutzung von Homeoffices wird gegenüber dem Vorkrisenniveau massiv und dauerhaft ansteigen. Auch der Anteil sogenannter digitaler Nomaden wird steigen – von Personen also, die über mehrere Wochen, Monate oder noch länger von Orten und aus Ländern abseits des Büros ihres Arbeit- oder Auftraggebers arbeiten. Denn virtuelle Zusammenarbeit ist in der Zeit nach Corona eben nicht mehr exotisch, sondern ein fester Bestandteil von Büro- und Wissensarbeit. Zudem verbessern sich die entsprechenden Werkzeuge permanent und die Übertragungsbandbreiten steigen.

Das verändert die Chancen von Unternehmen als Arbeitgeber. Sie können nun leichter gefragte Fachkräfte anwerben, wenn diese ihren Wohnort oder ihr bevorzugtes Umfeld nicht verlassen wollen. Wenn Mitarbeiter künftig mehr Zeit von zu Hause arbeiten wollen, dürfte dahinter nicht die Vorstellung stehen, diese Zeit an einem Schreibtisch im Schlafzimmer eines kleinen Innenstadtapartments zu verbringen. In Zukunft könnten deshalb attraktive, lebenswerte Metropolen, beliebte Ferienregionen einen Zulauf von digitalen Nomaden erleben und die Speckgürtel der Städte einen weiteren Zuzug erleben an Arbeitnehmern, die nur noch gelegentlich pendeln müssen.

Es geht in Zukunft aber nicht nur um das Verhältnis zwischen Büro und Wohnung, sondern auch um das neue Verhältnis zum Arbeiten von unterwegs, an anderen Standorten des Unternehmens oder vor Ort bei Kunden. Wenn weniger Geschäftsreisen stattfinden, trägt dies nicht nur zu einer höheren Lebensqualität von Vielreisenden bei, sondern auch zu einer höheren Verfügbarkeit gefragter Ansprechpartner, wie wir es während der Zeit des Lockdowns erleben konnten.

Die Pandemie hat viele Entwicklungen beschleunigt, die sich in Ansätzen bereits abgezeichnet hatten. Doch es gibt eine Reihe weiterer Trends, die über die unmittelbaren Auswirkungen hinausgehen. Sie werden die Post-Corona-Büros langfristig mindestens genauso stark prägen.

Eine Veränderung betrifft die Kommunikation an digitalisierten Arbeitsplätzen. Künftig werden wir mit unseren Anwendungsprogrammen auch sprechen – ähnlich wie es heute bereits manche zu Hause mit Alexa und Co. tun. In Büros wird mehr gesprochen werden, der Lautstärkepegel steigt, ebenso das Störungspotenzial. Dem steht gegenüber, dass sich mit der Automatisierung von Büroarbeit und der Nutzung von künstlicher Intelligenz auch der Charakter der verbleibenden Arbeit verändert. Sie wird komplexer und erfordert mehr Konzentration für den Einzelnen und von Gruppen.

Eine weitere Entwicklung wird Büroarbeit ebenfalls stark beeinflussen: Feste Organisationsstrukturen lösen sich auf, an ihre Stelle treten flexible Konstrukte. Wir werden mehr in Form von Projekten und in Ökosystemen zusammenarbeiten. Dies ist eine Reaktion auf neue technologische Entwicklungen, die zu veränderten Märkten, Produkten und Dienstleistungen führen. Auch hier ist neben stark fokussierten Arbeitsphasen deutlich mehr Kommunikation, Zusammenarbeit und Lernen von Mitarbeitern gefragt.

Das Büro bleibt in Zukunft nur dann nützlich, wenn es diese Anforderungen gut bedienen kann. Für Mitarbeiter lohnt sich der Weg nur, wenn sie am Arbeitsplatz die besten Voraussetzungen für produktive Einzel- und Gruppenarbeit vorfinden. Das Büro muss künftig stärker Inspirationsquelle sein. Neue Ideen werden im Homeoffice nicht frei Haus geliefert, sie entstehen im zufälligen – vielleicht auch inszenierten – Miteinander und gemeinsamen Lernen.

Diese Gedanken führen zunächst einmal dazu, dass der Bedarf an Rückzugsräumen für konzentriertes Arbeiten zunimmt. Der Anteil an geschlossenen Strukturen wird im Vergleich zu heutigen Bürokonzepten stark ansteigen.

Die strenge räumliche Zuordnung von Abteilungen zu Etagen oder bestimmten Gebäudebereichen wird sich auflösen, wenn ein Team selten zeitgleich vor Ort ist. Hieraus entstehen neue Chancen der Zusammenarbeit. Flexible, digital vernetzte Projektgruppen können die bisherigen – häufig auch räumlich abgebildeten – Silos ersetzen.

Eine zukünftige Bürostruktur könnte so aussehen: Rückzugsräume für hochproduktives und fokussiertes Arbeiten mischen sich mit hybriden und großzügig geschnittenen Besprechungs- und Projekträumen sowie offenen, loungeähnlichen Arbeits- und Begegnungs-, Lern- und Erlebnisangeboten. Digitale Buchungssysteme werden auf breiter Front erforderlich werden, um die Auslastung der unterschiedlichen Arbeitsplatz- und Raumangebote wirtschaftlich und (infektions-)sicher zu steuern. Personen, die für meine Arbeit relevant sind, die zu meinem aktuellen Projekt gehören oder denen ich aus meiner Organisation gern begegnen möchte, folge ich ins Büro, wenn sie sich dort einbuchen.

Sensorik und Datenanalyse spielen dabei eine wichtige Rolle. Digitale, kognitive Arbeitsplätze stimulieren die Leistungsfähigkeit. Temperatur, Beleuchtung und vielleicht sogar Duft sind auf meine aktuelle Aufgabenstellung und meine persönliche Verfassung abgestimmt. Datenschutz ist gewährleistet: Das über Monate und Jahre aufgebaute Stimulationsprofil verbleibt in meiner Obhut. Ich gebe es nur für die tagesaktuelle Nutzung im Büro frei.

Das mag nach einer Utopie klingen und für viele auch nach einer Dystopie. Aber es ist die konsequente Verschmelzung des physischen Raumes mit den Möglichkeiten der Digitalisierung. Eine neue, individualisierbare Arbeitsumgebung kann Kreativität, Konzentration, Wohlbefinden, ja vielleicht sogar die Gesundheit unterstützen. Das geht noch einmal über das hinaus, was in Unternehmen heute als ein "smarter Arbeitsplatz" durchgehen würde.

Viele Mitarbeiter sind dafür offen. In einer Befragung haben wir gemessen, wie stark die Nutzerzufriedenheit mit ausgewählten Funktionalitäten einer solchen kognitiven Arbeitsumgebung zusammenhängt. Wir nutzten dazu das sogenannte Kano-Modell, über das sich Eigenschaften von Produkten mit der erwarteten Zufriedenheit der Kunden in Verbindung bringen lassen. Ein Ergebnis unserer Befragung: Über ein Viertel der Teilnehmer war von einer Rückmeldung eines digitalen Systems, welches ihnen Auskunft darüber gibt, unter welchen Bedingungen sie besonders produktiv arbeiten können, begeistert. Weitere 10 Prozent erwarteten dies ohnehin von einer smarten Umgebung. Nur 10 Prozent der Befragten lehnten eine solche Funktion rundweg ab.

Als Managern bewusst wurde, dass ihre Mitarbeiter auch ganz gut im Homeoffice klarkommen, begannen einige zu rechnen. Büros sind ein Kostenfaktor – was liegt also näher, als an der Miete zu sparen?

Das ist zu einfach gedacht. Großzügige, hybride Räume für die Zusammenarbeit einer Gruppe, von der sich ein Teil zeitgleich physisch vor Ort befindet und der andere Teil räumlich verteilt ist, werden künftig ein wesentlicher Grund sein, um ins Büro zu kommen. Auch attraktive Dienstleistungen im Gebäude oder in seiner Nähe tragen dazu bei, dass Menschen sich bewusst für den Weg ins Büro entscheiden werden. Gespräche mit einigen größeren Unternehmen haben ergeben: Zwar wird der Bedarf an Bürofläche sinken. Aber der Büroflächenbedarf pro anwesenden Nutzer wird eher steigen – auch nach einer Aufhebung der Abstandsregeln.

Wenn das Homeoffice zum Normalfall wird, ergibt sich daraus, dass Büroarbeitsplätze nicht mehr nur einer Person fest und dauerhaft zugeordnet sein können. Dagegen sprechen wirtschaftliche und ökologische Gründe. Unternehmen können keine Arbeitsplätze bezahlen und klimatisieren, die etwa nur an drei Tagen in der Woche genutzt werden, wenn Mitarbeiter zugleich auch im Homeoffice Arbeitsplätze beheizen, kühlen und unterhalten müssen. In Zukunft geht es darum, Büroarbeit intelligent und flexibel zu organisieren. Nötig werden nachweislich innovations- und produktivitätsförderliche Büros. Sie werden sich vermutlich stärker auf die Standorte dezentralerer Organisationen, verbesserte Co-Working-Spaces oder Serviced Offices (von Dienstleistern betriebene Büros) aufteilen. Ob das dazu führen wird, dass Unternehmen Miete sparen, bleibt abzuwarten.

Wie sich die Büros der Zukunft entwickeln werden, ist längst nicht ausgemacht. Wir müssen beobachten, wie sich die beschriebenen Trends weiterhin gegenseitig beeinflussen; zudem wird die wirtschaftliche Gesamtentwicklung der kommenden Jahre ausschlaggebend dafür sein, wie Unternehmen ihre Arbeitsplätze umgestalten. Seit 1996 begleiten wir die Entwicklung gemeinsam mit Forschungspartnern aus der Industrie in unserem Projekt Office 21. Noch nie haben wir in dieser Zeit eine derart große Offenheit in Unternehmen für neue Formen der Arbeit wahrgenommen. Einige unserer früheren Zukunftsszenarien sind in den vergangenen Monaten schlagartig Realität geworden. Für Unternehmen ergibt sich jetzt die Chance, die Zukunft der Arbeit mitzugestalten – zum eigenen Vorteil, aber auch zum Vorteil ihrer Mitarbeiter. 

© HBM 2020

Stefan Rief verantwortet als Institutsdirektor den Forschungsbereich Organisationsentwicklung und Arbeitsgestaltung am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf dem Einfluss des organisatorischen und räumlichen Umfelds auf Leistungsfähigkeit, Motivation und Wohlbefinden in der Büro- und Wissensarbeit. Rief ist Lehrbeauftragter für Arbeitsgestaltung im Büro an den Universitäten Hannover und Stuttgart.

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