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Das Geheimnis effizienter Führung

PETER F. DRUCKER -

Eine Führungskraft muss nicht unbedingt den üblichen Klischees entsprechen, um etwas zu bewegen. Nehmen wir das Beispiel des ehemaligen US-Präsidenten Harry Truman: Er besaß nicht das geringste Charisma. Dennoch gehört er zu den berühmtesten Figuren in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Auch einige der besten CEOs von Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen, mit denen ich im Laufe meiner 65jährigen Beraterlaufbahn zu tun hatte, waren alles andere als typische Führungspersönlichkeiten. Sie wiesen hinsichtlich ihrer Persönlichkeit, Einstellungen, Wertvorstellungen, Stärken und Schwächen alle erdenklichen Facetten auf. Die Skala reichte von extrovertiert bis verschlossen, von umgänglich bis kontrollierend-autoritär, von generös bis geizig.

Ihr Erfolg gründete sich hingegen auf immer dieselben acht Prinzipien:

  1. Sie stellten sich die Frage, was getan werden muss.

  2. Sie fragten sich, was gut und richtig für das Unternehmen ist.

  3. Sie schmiedeten Aktionspläne.

  4. Sie übernahmen Verantwortung für Entscheidungen.

  5. Sie stellten sicher, dass die Kommunikation stimmt.

  6. Sie konzentrierten sich mehr auf Chancen als auf Risiken.

  7. Sie führten effektive Meetings durch.

  8. Sie dachten und sprachen in der Wir-Form, nicht in der Ich-Form.

Indem sie die ersten beiden Prinzipien befolgten, sicherten sie sich die Informationen, die sie benötigten. Die vier folgenden dienten dazu, das erlangte Wissen in gezielte praktische Maßnahmen umzusetzen. Mit den letzten beiden Prinzipien vergewisserten sie sich, dass alle Mitarbeiter sich verantwortlich fühlten.

Setzen Sie die richtigen Ziele

Am Anfang steht immer die Frage, was zu tun ist. Beachten Sie, dass sie nicht etwa lautet: "Was will ich erreichen?" Zu fragen, was zu tun ist, und diese Frage wirklich ernst zu nehmen ist eine entscheidende Voraussetzung für Erfolg im Management. Eine Führungskraft kann noch so fähig sein - wenn sie sich diese wichtige Frage nicht stellt, wird sie keinen Erfolg haben.

Als Harry Truman 1945 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, war ihm völlig klar, was er erreichen wollte: nämlich die New-Deal-Politik seines Vorgängers Franklin D. Roosevelt fortführen. Er war darauf aus, jene Wirtschaftsund Sozialreformen zu vollenden, die der Zweite Weltkrieg blockiert hatte. In dem Augenblick aber, als er sich auf die Frage "Was ist zu tun?" konzentrierte, erkannte er, dass die Außenpolitik absoluten Vorrang hatte. Also begann er von dem Moment an seinen Arbeitstag immer damit, außenpolitische Fragen im Kreis seiner Staatssekretäre und Verteidigungsspezialisten zu erörtern. Nicht ohne Grund galt Truman später als der amerikanische Präsident mit den größten außenpolitischen Erfolgen: Er wies den Kommunismus in Europa und in Asien in die Schranken und legte mit dem Marshallplan den Grundstein für ein 50 Jahre Währendes Weltweites Wirtschaftswachstum.

Ähnlich ging Jack Welch zu Beginn seiner CEO-Laufbahn bei General Electric (GE) vor. Er erkannte, dass die Expansion nach Übersee, die ihm sehr am Herzen lag, keineswegs die wichtigste Herausforderung war. Viel wichtiger war es zunächst, alle GE-Beteiligungen abzustoßen, die den Konzern offensichtlich nicht in eine marktführende Position oder mindestens in die des Branchenzweiten brachten - auch wenn sie profitabel waren.

Die Frage, was zu tun ist, fördert als Antwort fast immer mehr als eine dringende Aufgabe zutage. Eine gute Führungskraft wird sich dennoch nie verzetteln. Sie kümmert sich nach Möglichkeit nur um eine Sache zurzeit. Falls sie zufällig zu jener Minderheit von Leuten gehört, die für eine Beschleunigung ihres Arbeitsalltags dankbar sind und dabei zur Höchstform auflaufen, können es auch zwei sein. Niemals habe ich aber einen Manager erlebt, der mehr als zwei Aufgaben auf einmal erfolgreich in Angriff genommen hat.

Darum sollten Führungskräfte, nachdem sie gefragt haben, was zu tun ist, die Prioritäten festlegen und sie von da an strikt einhalten. Für jemanden, der an der Spitze eines Unternehmens steht, besteht die Hauptaufgabe darin, die eigentliche Mission der Firma zu überprüfen - beziehungsweise neu zu definieren. Der Leiter eines Geschäftsbereichs sollte sich bemühen, das Verhältnis seiner Einheit zur Zentrale zu überdenken. Andere interessante Aufgaben, egal wie wichtig oder verlockend sie auch erscheinen, werden zunächst rigoros zurückgestellt.

Allerdings wird sich eine fähige Führungskraft nicht automatisch der zweitwichtigsten Aufgabe auf der Liste zuwenden, wenn die erste erledigt ist. Die Prioritäten müssen neu festgelegt werden. Fragen Sie sich: "Was ist als Nächstes zu tun?" In der Regel führt dieses Vorgehen zu einer aktualisierten und veränderten Reihenfolge.

Um auf Jack Welch, den bekanntesten CEO der Vereinigten Staaten, zurückzukommen: Für ihn war es - laut seiner Autobiografie - ganz selbstverständlich, sich alle fünf Jahre die Frage zu stellen, was in der aktuellen Situation am wichtigsten sei. Jedes Mal stellte er fest, dass sich die Prioritäten erneut verschoben hatten. Bevor Welch sich dann allerdings ganz konkret für eine Aufgabe entschied, der er sich in den folgenden fünf Jahren widmen wollte, bezog er noch einen weiteren Aspekt mit ein. Er fragte sich, welche der zwei oder drei Topthemen auf seiner Prioritätenliste er am besten selbst in die Hand nehmen konnte; alle anderen Aufgaben delegierte er. Ein guter Manager Wird sich stets dem Gebiet zuwenden, auf dem er sich besonders stark fühlt. Denn er weiß sehr genau, dass die Leistungen des Unternehmens nur dann optimal sind, wenn die Leistungen des Topmanagements überzeugen.

Die zweite, nicht minder wichtige Frage ist, ob eine bestimmte Maßnahme gut für das Unternehmen ist. Bei dieser Frage geht es nicht darum, ob etwas dem Eigentümer, dem Aktienkurs, den Mitarbeitern oder der Führungsriege des Unternehmens dient. Natürlich weiß jeder Entscheidungsträger, wie wichtig die Interessen von Aktionären, Mitarbeitern und Management sind. Diese Personen müssen Entscheidungen mittragen oder zumindest billigen, damit diese erfolgreich umgesetzt werden können.

Gute Führungskräfte wissen, dass der Aktienkurs nicht nur für die Aktionäre, sondern auch für das Unternehmen wichtig ist, da das Kurs-Gewinn-Verhältnis die Investitionskosten beeinflusst. Aber natürlich können Entscheidungen, die nicht im Sinne des Unternehmens getroffen werden, letzten Endes auch für keinen der Stakeholder richtig sein.

Dieser zweite Aspekt ist besonders wichtig für Manager von Firmen, die sich im Familienbesitz befinden oder von Familien geführt werden. Das ist vor allem bei Personalentscheidungen von elementarer Bedeutung. In einem erfolgreichen Familienunternehmen werden Verwandte nur dann für höhere Aufgaben eingesetzt, wenn sie eindeutig besser qualifiziert sind als andere Mitarbeiter derselben Hierarchiestufe.

Beim US-Chemiekonzern DuPont zum Beispiel waren zu der Zeit, als die Firma noch als Familienbetrieb geführt wurde, alle Toppositionen (ausgenommen die des Controllers und die des Anwalts) mit Familienangehörigen besetzt. Und alle männlichen Verwandten des Gründers hatten qua Geburt das Recht auf einen Einstieg ins Unternehmen. Ein Aufstieg aber war nur möglich, wenn eine Person für fähiger und qualifizierter gehalten wurde als andere Mitarbeiter derselben Ebene. Darüber entschied ein Gremium, das sich primär aus Nicht-Familienmitgliedern zusammensetzte. Ein ähnlicher Grundsatz galt in dem erfolgreichen britischen Familienunternehmen J. Lyons & Company, das lange Zeit die britische Lebensmittelund Hotelbranche dominierte und mittlerweile in einem größeren Unternehmensverbund aufgegangen ist.

Die Frage "Was ist richtig für das Unternehmen?" allein garantiert noch keine richtige Entscheidung. Selbst der erfolgreichste Manager ist letztlich nur ein Mensch und bleibt deshalb anfällig für Irrtümer und Vorurteile. Stellt er die Frage aber nicht, kann er ziemlich sicher sein, dass er die falsche Entscheidung treffen wird.

Stellen Sie einen Aktionsplan auf

Manager sind Macher: Sie setzen Ideen möglichst schnell in die Tat um. Darum ist Wissen für Führungskräfte nutzlos, solange es keine praktischen Konsequenzen hat. Bevor ein Verantwortlicher jedoch zur Tat schreitet, muss er die Marschrichtung festlegen. Er sollte über gewünschte Resultate, wahrscheinliche Hindernisse, künftige Kurskorrekturen und Kontrollpunkte nachdenken - und über die Folgen, die sich daraus für die eigene Zeiteinteilung ergeben.

Den gewünschten Ergebnissen wird sich ein Manager nähern, indem er folgende Fragen stellt: "Was kann das Unternehmen von mir in den nächsten eineinhalb bis zwei Jahren erwarten? Auf welche Ziele will ich mich festlegen? Welchen Zeitrahmen setze ich mir dafür?" Anschließend wird er sich mit Dingen auseinandersetzen, die der Umsetzung seiner Pläne im Wege stehen:" Ist die eingeschlagene Richtung ethisch überhaupt vertretbar? Findet sie innerhalb des Unternehmens Akzeptanz? Bewegt sie sich im Rahmen der geltenden Gesetze? Verträgt sie sich mit der Mission, den Werten und der Politik des Unternehmens?"

Wer diese Fragen mit Ja beantworten kann, hat immer noch keine Garantie für den Erfolg der Aktion. Aber wer mögliche Stolpersteine ignoriert, muss sich darauf gefasst machen, dass seine Maßnahme nicht die richtige ist und wirkungslos verpufft. Ein Aktionsplan ist eher eine Absichtserklärung als eine Verpflichtung zu handeln. Er muss nicht zur Zwangsjacke werden. Man sollte ihn ruhig öfter überarbeiten, denn jeder Erfolg und jeder Misserfolg bergen neue Chancen. Dasselbe gilt auch für Veränderungen bei den geschäftlichen Rahmenbedingungen, im Markt und ganz besonders innerhalb der Belegschaft. Ändert sich hier etwas, muss der Plan angepasst werden. Er sollte daher flexibel genug für Änderungen sein.

Darüber hinaus sollte der Aktionsplan auf jeden Fall ein Kontrollsystem vorsehen, das es erlaubt, erzielte Ergebnisse und ursprüngliche Erwartungen abzugleichen. Ein fähiger Manager wird gewöhnlich zwei dieser Kontrollstufen in seine Aktionspläne integrieren. Der erste Check greift nach der Hälfte des Zeitraums, über den sich ein Plan erstreckt; zum Beispiel nach neun Monaten. Der zweite folgt am Ende, kurz bevor der alte Aktionsplan durch einen neuen ersetzt wird.

Zu guter Letzt dient der Aktionsplan dem Manager auch als Grundlage für sein eigenes Zeitmanagement. Zeit ist die knappste und kostbarste Ressource einer Führungskraft. Und Organisationen - seien es Regierungsstellen, Unternehmen oder nicht kommerzielle Vereinigungen - verschwenden an sich schon jede Menge Zeit.

Aus diesem Grund werden sich Aktionspläne dort als nutzlos erweisen, wo sie den Planenden nicht in die Lage versetzen, sich seine Zeit richtig einzuteilen.

Napoleon hat angeblich gesagt, dass keine seiner siegreichen Schlachten nach Plan verlaufen sei. Dennoch hat Napoleon jede Einzelne genau konzipiert, akribischer als jeder Feldherr vor ihm. Ohne Aktionsplan bleiben Manager reine Sklaven der Ereignisse. Und ohne adäquate Kontrollstufen, die den Plan prüfen und ihn mit den fortlaufenden Ereignissen abgleichen, kann kein Mensch Wissen, Welche Ereignisse von zentraler Bedeutung sind und bei Welchen es sich nur um Nebenkriegsschauplätze handelt.

Handeln Sie

Wenn Führungskräfte Pläne in konkrete Maßnahmen übersetzen, müssen sie der Entscheidungsfindung, der Kommunikation, den Chancen und Risiken sowie den Besprechungen besondere Aufmerksamkeit widmen. Ich werde auf diese Punkte der Reihe nach eingehen.

Übernehmen Sie Verantwortung

Eine Entscheidung ist nicht wirksam,

  1. solange niemand weiß, wer verantwortlich ist;

  2. wer betroffen ist, also wer die Entscheidung kennen, verstehen und billigen muss;

  3. wer informiert sein muss, auch wenn er nicht unmittelbar betroffen ist;

  4. für welchen Zeitraum die Entscheidung gilt.

Sehr viele Beschlüsse in Unternehmen führen zu Problemen, weil diese Punkte nicht ausreichend berücksichtigt werden. So büßte beispielsweise einer meiner Kunden seine führende Stellung im wachstumsstarken japanischen Markt ein. Der Grund: Das Unternehmen übersah nach Vereinbarung eines Joint Ventures mit einem japanischen Partner ein wichtiges Detail. Niemand betrachtete es als seine Aufgabe, die Einkäufer darüber zu informieren, dass der neue Partner seine technischen Daten in Meter und Kilogramm statt in Fuß und Pfund angab - und so wurde diese Information auch niemals weitergegeben.

Es kommt nicht nur darauf an, Entscheidungen von vornherein mit großer Sorgfalt zu treffen; mindestens genauso wichtig ist es, sie regelmäßig in Abständen, die vorher vereinbart wurden - zu überprüfen. Auf diese Weise können Manager schlechte Beschlüsse korrigieren, bevor diese echten Schaden anrichten. Die Überprüfung kann alle Aspekte der Entscheidung umfassen - angefangen bei ihren praktischen Konsequenzen bis zu den Annahmen und Voraussetzungen, die ihr zugrunde liegen.

Besonders wichtig ist dieses Prozedere, wenn es um die heikelsten und schwierigsten Entscheidungen überhaupt geht: Einstellungen und Beförderungen. Studien haben gezeigt: Personalentscheidungen erweisen sich lediglich in einem Drittel aller Fälle als richtig. In einem weiteren Drittel der Fälle ist das Ergebnis neutral - die Maßnahmen können weder als Erfolg noch als Misserfolg verbucht werden. In den übrigen Fällen sind die Entscheidungen falsch.

Ein fähiger Manager ist sich dessen bewusst und überprüft (üblicherweise nach sechs bis neun Monaten) das erste Urteil über seine Mitarbeiter. Sind nicht die gewünschten Ergebnisse eingetreten, schiebt er das nicht zwangsläufig auf schlechte Leistungen der betreffenden Person. Die Schlussfolgerung lautet vielmehr, dass er selbst einen Fehler gemacht hat. In einem gut geführten Unternehmen versteht es sich von selbst, dass Mitarbeitern, die einer neuen Aufgabe nicht gewachsen sind insbesondere nach einer Beförderung -, nicht die Schuld für ihr Versagen gegeben wird.

Verantwortungsvolle Führungskräfte sind es dem Unternehmen und ihrem Team schuldig, keinen Mitarbeiter zu akzeptieren, der die seiner Position angemessene Leistung nicht erbringt. Auch wenn der Mitarbeiter selbst vielleicht nichts dafür kann, muss er seine Stelle räumen. Mitarbeiter, die sich auf einem neuen Posten nicht bewähren, sollten allerdings die Chance erhalten, zum alten Gehalt auf eine Position zurückzukehren, die ihrer vorherigen entspricht.

Diese Rückkehroption wird selten in Anspruch genommen; in der Regel verlassen insbesondere Angestellte amerikanischer Unternehmen in einem solchen Fall ihren Arbeitgeber. Aber allein die Option hat eine starke Motivationswirkung. Sie kann Leute dazu bewegen, sichere und bequeme Posten zu verlassen, um sich neuen, riskanten Aufgaben zu stellen. Und die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens beruht auf der Bereitschaft und dem Ehrgeiz seiner Mitarbeiter, sich auf solche Herausforderungen einzulassen.

Entscheidungen systematisch zu überprüfen kann auch helfen, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Ergebnisse mit ursprünglichen Erwartungen zu vergleichen führt Führungskräften vor Augen, wo ihre Stärken liegen, wo sie sich verbessern können und wo es ihnen schlichtweg an Wissen und Information mangelt. Sie werden sich der Subjektivität ihres Standpunkts bewusst. Sehr oft erkennen Verantwortliche auf diese Weise: Ihre Entscheidungen hatten nur deshalb nicht den gewünschten Erfolg, weil sie die falschen Leute mit einer bestimmten Aufgabe betraut haben.

Stellen mit geeigneten Mitarbeitern zu besetzen ist eine echte Herausforderung, die Führungskräfte gern auf die leichte Schulter nehmen. Zum Teil auch deswegen, weil die besten Leute ohnehin schon mit anderen Dingen mehr als ausgelastet sind. Systematische Kontrolle deckt auch die Gebiete auf, auf denen Manager selbst schlichtweg inkompetent sind. Wer clever ist, wird in den fraglichen Bereichen weder Entscheidungen treffen noch Aktionen anstoßen. Er wird die Aufgaben einfach delegieren. Schließlich hat jeder seine Schwächen - so etwas wie das Universalgenie existiert nicht.

Wenn es um Entscheidungen geht, ist die einhellige Meinung oft, dass ausschließlich Führungskräfte Dinge beschließen, die wirklich wichtig sind. Das ist ein gefährlicher Irrtum. Entscheidungsprozesse finden auf jeder Hierarchiestufe des Unternehmens statt, angefangen bei einfachen Fachkräften und ihren unmittelbaren Vorgesetzten.

Diese auf unteren Ebenen angesiedelten Abläufe sind vor allem in Know-how-intensiven Unternehmen besonders wichtig. Der Vorteil von Spezialisten ist doch gerade, dass sie sich auf ihrem Gebiet - zum Beispiel dem der Steuerbuchhaltung besser auskennen als jeder andere: Deshalb werden ihre Entscheidungen höchstwahrscheinlich Konsequenzen für das gesamte Unternehmen haben. Das Richtige zu beschließen ist eine Fähigkeit, die auf jeder Unternehmensebene von Bedeutung ist. Und gerade in wissensbasierten Branchen müssen Firmen diese Fähigkeit gezielt entwickeln und fördern.

Halten Sie die Kommunikation am Laufen

Ein guter Manager wird dafür sorgen, dass alle die Aktionspläne verstehen und wissen, wo noch Informationsbedarf besteht. Er weiht also andere in seine Pläne ein und fragt sie nach ihrer Meinung - seien es nun Vorgesetzte, Untergebene oder gleichgestellte Kollegen. Gleichzeitig wird er jedem im Unternehmen mitteilen, was dieser wissen muss, um seine Aufgabe erledigen zu können. In der Regel steht dabei der Informationsfluss zwischen den Untergebenen und ihm im Mittelpunkt. Als verantwortungsvoller Manager wird er aber auch den Informationsbedarf seiner Kollegen und Vorgesetzten im Auge behalten und gleichermaßen berücksichtigen.

Der amerikanische Organisationswissenschaftler Chester Barnard hat es in seinem Klassiker "The Functions of the Executive" aus dem Jahr 1938 beschrieben: Mehr noch als Eigentumsverhältnisse oder hierarchische Strukturen prägt Wissen ein Unternehmen. Noch immer aber verhalten sich viel zu viele Manager so, als sei die lückenlose Versorgung mit Informationen ausschließlich Sache von Spezialisten - zum Beispiel des Buchhalters. Die Folge: Sie bekommen enorm viele Daten auf den Tisch, die für sie nutzlos sind, aber nur wenige, die sie wirklich gebrauchen können. Dieses Problem lässt sich am besten lösen, indem jeder Manager sagt, welche Informationen er benötigt, sie einfordert und so lange Druck macht, bis er sie bekommt.

Konzentrieren Sie sich auf Chancen

Ein guter Manager richtet seinen Blick immer stärker auf Chancen als auf Risiken. Natürlich müssen Sie schwierige Situationen oder Entwicklungen wahrnehmen und dürfen sie nicht einfach unter den Teppich kehren. Aber auch wenn sie auf den ersten Blick dringend erscheinen: Sich nur um die Probleme zu kümmern führt nicht wirklich weiter. Sie wenden damit lediglich Schaden vom Unternehmen ab. Positive Ergebnisse können erst entstehen, wenn Führungskräfte konsequent Chancen nutzen.

Den erfolgreichen Manager zeichnet die Fähigkeit aus, jede Form von Wandel als Chance zu betrachten statt als Bedrohung. Er hält innerhalb und außerhalb des Unternehmens systematisch Ausschau nach Veränderungen und fragt sich, welche Vorteile sie dem Unternehmen bringen könnten. Es lohnt sich besonders, folgende sieben Situationen näher zu untersuchen:

  • einen unerwarteten Erfolg oder Misserfolg im eigenen Unternehmen, bei einem Wettbewerber oder in der Branche;

  • eine Diskrepanz zwischen dem, was ein Markt, Prozess, Produkt oder Service faktisch bietet, und dem, was er/es theoretisch bieten könnte. So konzentrierte sich zum Beispiel die Papierindustrie im 19. Jahrhundert lediglich auf jene 10 Prozent eines Baums, aus denen Zellulose gewonnen wurde, und vernachlässigte die restlichen 90 Prozent, die einfach auf dem Müll landeten;

  • wegweisende Neuerungen in einem Prozess, bei einem Produkt oder Service, sei es innerhalb oder außerhalb des Unternehmens oder der Branche;

  • Veränderungen in der Branchen- und Marktstruktur;

  • den demografischen Wandel;

  • Veränderungen in der Einstellung von Menschen, ihren Werten, der Wahrnehmung, der Stimmung oder Bedeutung bestimmter Dinge;

  • neue Erkenntnisse oder eine neue technische Entwicklung.

Die Risiken sollten bei einer fähigen Führungskraft niemals die Oberhand über die Chancen gewinnen. In den meisten Unternehmen ist es üblich, die gravierendsten Probleme gleich auf der ersten Seite des monatlichen Lageberichts aufzuführen. Sinnvoller wäre es allerdings, an dieser Stelle die Chancen zu beleuchten und sich die Probleme für die zweite Seite aufzuheben. Solange keine wirkliche Katastrophe passiert, werden Probleme in Managementmeetings erst dann diskutiert, wenn die Chancen gründlich analysiert und angemessen bewertet sind.

Wie Führungskräfte mit neuen Möglichkeiten umgehen, ist nicht zuletzt auch eine Frage des richtigen Personals. Jeder Manager tut gut daran, seine besten Leute auf die Chancen anzusetzen, statt sie mit Problemen zu beschäftigen. Eine Idee, um die richtigen Leute auszuwählen, ist folgende: Jedes Mitglied des Managementteams muss alle sechs Monate zwei Listen zusammenstellen eine mit den größten Chancen des Unternehmens und eine zweite mit den Hauptleistungsträgern. In einer gemeinsamen Diskussionsrunde werden daraus dann zwei Gesamtlisten gewonnen, und anschließend werden die besten Mitarbeiter den aussichtsreichsten Projekten zugeordnet. In Japan hat dieses Zuordnungsprinzip übrigens seinen festen Platz in den Personalabteilungen der großen Unternehmen und der Regierungsbehörden; es ist einer der Erfolgsfaktoren der japanischen Wirtschaft.

Schaffen Sie eine effiziente Meetingkultur

Die auffälligste, stärkste und wohl auch einflussreichste Führungspersönlichkeit in Amerika zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und in den Jahren danach war kein Geschäftsmann, sondern ein Geistlicher: Kardinal Francis Spellman, das Oberhaupt der Römisch-Katholischen Erzdiözese von New York und Berater diverser amerikanischer Präsidenten. Bei Spellmans Amtsantritt war die Diözese praktisch pleite und moralisch auf einem Tiefpunkt. Bei seinem Abschied hinterließ der Kardinal seinem Nachfolger die Spitzenposition innerhalb der amerikanischen katholischen Kirche. Spellman hat häufig betont, dass er an einem normalen Arbeitstag nur zweimal allein war, und zwar jeweils für rund 25 Minuten: Morgens nach dem Aufstehen während der Messe in seiner Privatkapelle und vor dem Zubettgehen bei seinen Abendgebeten. Die übrige Zeit verbrachte er in Gesellschaft von Menschen, vom Frühstück mit der einen katholischen Vereinigung bis zum Abendessen mit einer anderen.

Spitzenmanager sind in ihren täglichen Pflichten meist nicht ganz so gefangen wie der Erzbischof der wichtigsten katholischen Diözese Amerikas. Aber alle Studien über den Arbeitsalltag von Führungskräften haben gezeigt, dass selbst Juniormanager und Fachkräfte täglich mehr als die Hälfte ihrer Zeit im Austausch mit anderen, sprich: in irgendeiner Form von Meeting verbringen. Die einzige Ausnahme bilden hier einige leitende Forscher. Selbst ein Gespräch mit nur einer anderen Person ist schon eine Besprechung. Um erfolgreich zu sein, müssen Manager dafür sorgen, dass die Zusammenkünfte effektive Arbeitstreffen sind und nicht aufgeregte Diskussionsrunden.

Wer die Agenda im Vorwege festlegt, hat den Schlüssel zum Erfolg in den Händen. Denn verschiedene Arten von Meetings erfordern unterschiedliche Formen der Vorbereitung und führen zu jeweils anderen Ergebnissen.

Will die Gruppe zum Beispiel eine öffentliche Rede, eine Ankündigung oder eine Pressemitteilung vorbereiten, sollte einer der Mitwirkenden vorher einen Entwurf anfertigen. Am Ende muss ein zuvor benannter Teilnehmer die Verantwortung dafür übernehmen, dass die beschlossene Textversion verbreitet wird.

Geht es dagegen darum, etwas bekannt zu geben - zum Beispiel eine organisatorische Veränderung -, sollten die Teilnehmer der Besprechung sich auf dieses Thema konzentrieren und auch nur darüber sprechen.

Hält ein Teilnehmer während des Meetings einen Vortrag, sollte im Mittelpunkt der Diskussion einzig und allein das Vortragsthema stehen.

Tragen mehrere oder alle Teilnehmer etwas vor, ist es am sinnvollsten, keine Diskussionen zuzulassen und höchstens eine gewisse Anzahl von Verständnisfragen. Denkbar ist auch, dass sich an jeden Vortrag eine kurze Diskussion anschließt, in der alle Fragen stellen dürfen. Läuft das Meeting in dieser Form ab, empfiehlt es sich, die Vorträge vorab schriftlich zu verteilen. Zudem sollte für jeden Redner ein Zeitlimit festgelegt Werden - zum Beispiel 15 Minuten.

Ist das Ziel eines Meetings, eine Führungskraft auf den neuesten Stand zu bringen, sollte der Vorgesetzte zuhören, Fragen stellen und ein Resümee ziehen, aber die Sitzung darüber hinaus nicht zum Forum für eigene Gedanken machen.

Schließlich gibt es noch Zusammenkünfte, die nur dazu dienen, dass Mitarbeiter Zeit mit ihrem Vorgesetzten verbringen, zum Beispiel die Frühstücksund Abendversammlungen von Kardinal Spellman. Es gibt keinerlei Möglichkeit, aus solchen Meetings viel herauszuholen. Sie gehören einfach zu den lästigen Pflichten eines Chefs. Effektiv kann die Person höchstens in ihrem Bemühen sein, solche Termine nicht auf ihr Tagesgeschäft übergreifen zu lassen. Spellman etwa war erfolgreich, weil er die Pflichtmeetings strikt auf Frühstück und Abendessen beschränkte.

Ein effektives Meeting erfordert ein sehr hohes Maß an Selbstdisziplin. Es setzt voraus, dass der Verantwortliche zunächst entscheidet, welche Art von Besprechung für das angestrebte Ziel sinnvoll ist. An diese Entscheidung sollte er sich unbedingt halten. Er sollte das Treffen auf jeden Fall beenden, sobald dessen eigentlicher Zweck erfüllt ist. Ein guter Manager wird danach kein neues Thema mehr ansprechen. Er zieht sein Resümee und schließt die Sitzung.

Genauso wichtig wie das eigentliche Meeting ist eine effektive Nachbereitung. Vorbild in dieser Disziplin war Alfred Sloan, der erfolgreichste Unternehmensführer, den ich je kennengelernt habe. Von 1923 bis 1953 war Sloan Chef von General Motors (GM). Damals verbrachte er den Großteil seiner Sechstagewoche in Meetings - drei Tage in offiziellen Runden mit festem Teilnehmerkreis, die anderen drei Tage in Ad-hoc-Meetings mit einzelnen GM-Verantwortlichen oder kleineren Gruppen von Managern.

Zu Beginn einer offiziellen Zusammenkunft verkündete Sloan stets den Zweck der Besprechung. Dann hörte er zu. Niemals machte er sich Notizen, und wenn er etwas sagte, dann nur, um kurz einen missverständlichen Punkt zu klären. Am Ende zog er ein Resümee, dankte den Anwesenden und ging. Unmittelbar nach dem Treffen schrieb er ein kurzes Memo an einen der Teilnehmer. Darin fasste er die Diskussion und die Schlussfolgerungen zusammen und definierte die Aufgaben und Maßnahmen, die der Termin ergeben hatte (einschließlich der Maßgabe, eine weitere Besprechung zum betreffenden Thema abzuhalten oder ein bestimmtes Thema weiterzuverfolgen). Er legte den Zeitrahmen fest und benannte den Manager, der für die Sache zuständig War. Zu guter Letzt ließ er allen, die teilgenommen hatten, eine Kopie des Memos zukommen. Diesen kleinen Botschaften - jede für sich ein kleines Meisterwerk - verdankt Sloan seinen Ruf als herausragende Führungskraft. Einem zielstrebigen Manager ist eines vollkommen klar: Ein Meeting muss Ergebnisse bringen, sonst ist es pure Zeitverschwendung.

Sehen Sie sich als Teil der Firma

Schließlich sollten Sie darauf achten, nie in der Ich-Form zu denken und zu sprechen. Geben Sie in jedem Fall dem "Wir" den Vorzug. Die letzte Verantwortung kann eine effiziente Führungskraft weder teilen noch delegieren. Sie liegt einzig und allein bei ihr selbst. Spitzenmanager haben diese Autorität aber nur, weil die Menschen in der Organisation ihnen vertrauen. Daraus folgt, dass sie erst die Belange und die Chancen des Unternehmens prüfen müssen, bevor sie an ihr eigenes Wohl denken dürfen. Das klingt vielleicht einfach, ist es jedoch keineswegs - aber dieser Grundsatz sollte strikt beachtet werden.

Wir haben hier die acht wichtigsten Prinzipien, die eine Führungskraft zum Erfolg führen, im Überblick präsentiert. Als kleines Extra möchte ich noch ein Bonusprinzip hinzufügen. Es ist so wichtig, dass ich es sogar zum absoluten Gesetz erheben möchte, und es lautet: Erst zuhören, dann sprechen.

Erfolgreiche Führungskräfte haben ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, Stärken und Schwächen. Sie orientieren sich an verschiedenen Werten und vertreten unterschiedliche Anschauungen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie zur richtigen Zeit das Richtige tun. Einigen scheint diese Begabung in die Wiege gelegt worden zu sein. Allerdings kann man die echten Herausforderungen mit außergewöhnlichem Talent allein nicht meistern. Erfolg zu haben ist eine Disziplin. Und wie in jeder Disziplin können Sie Erfolg lernen und müssen ihn sich verdienen.

Von PETER F. DRUCKER

Peter F. Drucker war Ökonom und gilt als ein Pionier der modernen Managementlehre.

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