Dr. Alexandra Hildebrandt

Das Prinzip Garten: „Wir brauchen Schönheit als tägliches Seelenbrot“

Gartenarchitekten sollten keine "unmöblierten Räume“ schaffen und dann die Pflanzen hineinsetzen wie Möbel in ein Zimmer. Vielmehr sollte der Mensch die Pflanze „zu Wort bringen“, nach ihrem Willen fragen und dafür sorgen, dass sie ihr Temperament entfalten kann, sagte der Gärtner, Staudenzüchter und Garten-Schriftsteller Karl Foerster (1874-1970). Sein Wohnhaus in Bornim bei Potsdam ließ er 1912 im englischen Landhausstil nach Anregungen des Architekten Hermann Muthesius errichten. Um sein Wohnhaus herum schuf er einen Schau- und Versuchsgarten, mit dem er ein bedeutendes Kapitel moderner Gartengeschichte schrieb. Durch die Kombination von winterharten Stauden, Gräsern, Farnen und Zwerggehölzen kreierte er ein ganzjähriges, vielfältiges Gartenerlebnis als lebendige Inspiration und Paradies für alle. Für viele Menschen ist seine Wohn- und Wirkungsstätte noch heute ein Ort der Ruhe und der Erholung.

Sie braucht Hingabe, Gründlichkeit und Fokussierung, um das Gute und Schöne zu sehen: „Wir brauchen Schönheit als tägliches Seelenbrot, wie der Leib das Gräserbrot. In den noch hässlichen Winkeln unseres Wohnbereiches lauert Entmutigung; (denn) wo zu wenig Schönheit, da ist Streit.“ Das Zitat ist noch immer hochaktuell – vor allem während der Corona-Pandemie, als viele Menschen die meiste Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen mussten, wuchs die Sehnsucht nach Frischluftinseln. Es ist allerdings schon seit einigen Jahren zu beobachten, dass das Wohnzimmer immer mehr nach draußen verlegt wird, was auch an den Möbellandschaften zu erkennen ist: In Gärten, auf Terrassen und Balkonen finden sich komfortable und hochwertige Sitzsäcke, Outdoorkissen, Akkuleuchten, Blumenkästen und Grillsysteme. Gartenliegen, Bänke, Klappstühle oder praktische Gartenmöbel-Sets werden ergänzt durch Extras wie Sonnensegel und Sonnenschirme, LED-Leuchten, Gartenfackeln, Windlichter oder Laternen. Besonders beliebt seichte, elegante und wetterfeste Möbel.

„Neben dem Preis für Garten- und Balkonmöbel sollten beim Kauf auch Nachhaltigkeitskriterien wie Materialien, Recyclingfähigkeit und sozialverträgliche Arbeitsbedingungen in der Produktion berücksichtigt werden“, sagt Claudia Silber, die beim Ökoversender memo die Unternehmenskommunikation leitet. Gartenmöbel aus Holz gehören nach wie vor zu den meistverkauften. Viele werden aus Teak, einem besonders wetterfesten Tropenholz, hergestellt. Der Ökoversender bietet diese allerdings nicht an. „Diese Beschränkung erfolgt sehr bewusst, weil nicht sichergestellt werden kann, dass dieses Tropenholz nicht aus Gebieten stammt, in denen das Holz durch Raubbau gewonnen wird, wodurch dann häufig auch die Lebensgrundlage indigener Völker und vieler Tierarten bedroht ist“, so Silber. Zudem wird Wert auf kurze Transportwege gelegt, was bei Tropenholz nicht oder selten gegeben ist. Gartenmöbel ohne Nachhaltigkeitszertifikat sind heute kaum noch wettbewerbsfähig. Auch tragen die Möbel das Umweltlabel FSC, das nachhaltige Forstwirtschaft garantiert.

Auch wer für alles die neuesten Geräte anschafft, leistet keinen einen Beitrag zum Klimaschutz. Leider wird heute vor lauter Gartendeko oft das „Prinzip Garten“ vernachlässigt. Das Wort Garten leitet sich von „Gerten“, geschnittenen Weiden- und Haselrouten, ab, aus denen die Einfriedung gebildet wurde. Daraus ergibt sich eine doppelte Bewegung: aus dem Haus heraus und Abgrenzung gegen die „Wildnis“. Der Garten selbst ist immer im Wandel, denn die Pflanzen darin wandeln sich im Zyklus ihres Lebens. Es ist eine stete Veränderung, bei der die Natur Ton und Takt angibt. Das wird in der durchgestylten Welt der Outdoormöbel, die zu ganzen „Landschaften“ inszeniert werden, oft vergessen.

Der Anblick soll schön sein, aber keine Arbeit machen. Echtes Naturbewusstsein lässt sich nach Ansicht der Nachhaltigkeitsexpertin auch auf kleinstem Platz leben. „Heimische Gehölze und Blumen können tierischen Mitbewohnern als Lebensraum und Nahrungsquelle dienen. Nicht fehlen sollten Nisthilfen für Vögel, Fledermäuse und Hummeln“, sagt Claudia Silber. Statt auf XXL-Mobiliar, Wellnessoasen und voluminöse Anlagen zu setzen, in denen Pflanzengruppen inszeniert sind, sollte wieder echte Gartenkultur im Mittelpunkt stehen. Die Wiederentdeckung von Karl Foerster kann dabei sehr inspirierend sein - schließlich wollte er auch „Gärten für intelligente Faule" entstehen lassen. Ziel der Züchtung war neben der Blütenschönheit, den Pflegeaufwand so gering wie möglich zu halten.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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