Warum das Glück dem Zufall überlassen? - Image: Reuters

Das Serendipity Mindset: Wie du Glück selbst schaffen kannst

In unserer sich schnell verändernden Welt wird ein Großteil des Lebens von Unvorhergesehenem bestimmt. Unsere Forschung zeigt, dass wir daraus unser eigenes Glück kreieren können.

Vielleicht haben wir den Personalverantwortlichen für eine Traumstelle „zufällig" in einem Café kennengelernt? Oder wir haben unseren Traumjob „unerwartet" gefunden, indem wir XING in dem Moment geöffnet haben, als die Stelle ausgeschrieben wurde, und so die Möglichkeit hatten, uns zu bewerben, bevor der Personalverantwortliche mit Bewerbungen übersättigt war?

Im Gegensatz zum „blinden Glück“, das uns einfach so widerfährt – etwa in eine liebevolle Familie hineingeboren zu werden – liegt es oft an uns, was wir mit diesen unerwarteten Momenten anfangen; wir müssen sie in „intelligentes Glück“ (Serendipity oder Serendipität) verwandeln. Der „Serendipity-Auslöser" ist zufällig, aber unsere Reaktion darauf liegt in unserer Hand.

Sobald wir erkennen, dass Serendipity nicht nur ein Zufall ist, der uns einfach so passiert, sondern ein Prozess, bei dem wir einzelne Punkte erkennen und miteinander verbinden, können wir damit beginnen, Serendipity zu kultivieren. Meine jahrzehntelange Forschung hat gezeigt, dass die inspirierendsten Führungskräfte der Welt entweder bewusst oder unbewusst einen „Muskel für das Unerwartete“ aufgebaut haben. Der hilft ihnen, Serendipität zu trainieren. Wie können wir diesen Muskel im Kontext eines hybriden beruflichen Umfelds entwickeln?

1) Offenheit für das Unerwartete kultivieren: Wachsamkeit ist entscheidend, um unerwartete Ereignisse wahrzunehmen und in positive Ergebnisse umzuwandeln. Einige Unternehmen haben Praktiken eingeführt, wie zum Beispiel die Frage an Teammitglieder im wöchentlichen Meeting, ob sie in der vergangenen Woche auf etwas Überraschendes gestoßen sind, und wenn ja, ob dies ihre Annahmen verändert hat. So können Innovationen wie die Kartoffelwaschmaschine entstehen.

Wenn wir aber wollen, dass unsere Mitarbeiter neue Erkenntnisse oder Ideen einbringen, müssen wir das Risiko, diese zu äußern, verringern. Wir können von Unternehmen wie Pixar lernen, wo Führungskräfte in Meetings betonten, dass die meisten Ideen am Anfang nicht ausgereift sind. Dann werden „unvollkommene" Ideen, Lösungen oder Prozesse als Mittel des kontinuierlichen Lernens genutzt.

Wichtig ist, dass es hier nicht darum geht, das 'Scheitern' zu feiern, sondern das Lernen, das aus unerwarteten Situationen entsteht.
Christian Busch

2) Setze Serendipity-Impulse: Immer, wenn du mit jemandem kommunizierst, kannst du Serendipity-Impulse setzen, etwa konkrete Beispiele für deine aktuellen Interessen und Ziele. Damit maximierst du die Chance, dass du und die andere Person zufällig auf Gemeinsamkeiten und gemeinsame Leidenschaften stoßen – und damit Serendipity auslösen.

3) Stelle andere Fragen: Stell dir vor, du triffst eine neue Person auf einer (virtuellen) Veranstaltung. Viele von uns würden auf Autopilot gehen und die gefürchtete Frage stellen: "Und was machst Du?" Das führt dazu, dass die andere Person in eine Schublade gesteckt wird, aus der sie nur schwer wieder herauskommt. Wenn wir uns für ein gutes Gespräch positionieren wollen, hilft es, offenere Fragen stellen, wie „Was findest Du an dem Projekt, an dem Du arbeitest am interessantesten?" oder „Was führt Dich hierher?" Solche Fragen eröffnen Gespräche, die zu zufälligen und faszinieren Ergebnissen führen können.

4) Schaffe zufällige Kollisionen: Wenn du für die Personalabteilung (oder ein Team) zuständig bist, kannst du Praktiken wie (virtuelle) „Random Coffee Trials“ anwenden, bei denen du nach dem Zufallsprinzip Menschen aus dem gesamten Unternehmen für einen schnellen Kaffee zusammenbringst. Dies kann mit einer inspirierenden Frage (z. B. "Vor welcher Herausforderung stehst du derzeit in der Organisation und wie kann ich helfen?") erleichtert werden und führt in der Regel nicht nur zu einem virtuellen „Watercooler-Moment“, sondern trägt auch zur Entwicklung eines tieferen Zugehörigkeitsgefühls zum Unternehmen bei.

5) Unvollkommenheit akzeptieren und Situationen neu gestalten: Indem wir Unvollkommenheit als Teil des Lebens akzeptieren, können wir Situationen leichter umgestalten, so dass wir dort, wo andere ein Problem sehen (z. B. unerwartete Budgetbeschränkungen), eine Chance sehen (das Beste aus den vorhandenen Ressourcen zu machen). So werden kreativere Ergebnisse möglich. Hier kommen auch Rituale wie "Post Mortems" oder „Projektbegräbnisse“ ins Spiel, bei denen offen und häufig über Ideen gesprochen wird, die „gescheitert“ sind. Wichtig ist, dass es hier nicht darum geht, das Scheitern zu feiern, sondern das Lernen, das aus unerwarteten Situationen entsteht. Oft ist es ein Glücksfall – aber eben nicht nur einfach Zufall – wenn Menschen erkennen, dass eine Idee, die in einem bestimmten Kontext nicht funktioniert hat, in einem anderen funktionieren könnte. Das ist das Serendipity-Mindset.

In einer Zeit, in der die Ungewissheit viele Menschen dazu bringt, sich auf Dogmen zu verlassen, haben wir die Möglichkeit, eine „Serendipity-Mentalität" zu entwickeln, die uns hilft, mit allem fertig zu werden, was das Leben uns vorsetzt. Und wie ein Muskel wird sie mit entsprechendem Training stärker und Teil unserer natürlichen und widerstandsfähigeren Lebensweise werden.

Mehr dazu erfährst du in dem Buch „Connect the Dots: The Art & Science of Creating Good Luck" (Penguin Random House, 2022) und auf der Serendipity Mindset Homepage.

Prof. Dr. Christian Busch schreibt über Job & Karriere, Wirtschaft & Management, Serendipity & Glück, Lebenswertes

Prof. Dr. Christian Busch ist der Autor des Manager Magazin Bestsellers 'Erfolgsfaktor Zufall' ("lebensverändernd"; Arianna Huffington). Er lehrt an der University of Southern California und der LSE, ist Mitgründer von Leaders on Purpose und Sandbox Network und ein Mitglied des WEF Expertenforums.

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