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Restrukturierungsberater beginnen ihre Arbeit, wenn es um das Unternehmen bereits sehr schlecht steht. - (Foto: IMAGO/YAY Images)
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Das sind die Top-Restrukturierer der deutschen Wirtschaft

Die Berater erwarten für 2023 viel Arbeit und wollen wachsen. Doch die Konkurrenz ist groß und der Preisdruck hoch, denn Sanierungsfälle haben selten üppige Cashreserven.

Düsseldorf. In den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft sind Experten für Restrukturierung derzeit häufig gesehene Gäste. Die Zahl der Sanierungsfälle ist hoch. Die Autozulieferer Benteler, Mahle, Eberspächer, WKW, Kostal und Leoni lassen sich ebenso bei der Restrukturierung beraten wie der Einzelhändler Galeria Kaufhof, die Modekette Takko, der Stromversorger Steag und die Immobiliengruppen Adler und Corestate.

Der Restrukturierungsmarkt wächst in der Krise, doch viele Beratungsunternehmen konkurrieren um die Sanierungsaufträge. Die Beratungseinheiten der „Big Four“, der vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Deloitte, EY, KPMG und PwC, beraten bei Restrukturierungen, ebenso die international führenden Strategieberatungen McKinsey, Boston Consulting und Bain sowie die größte deutsche Unternehmensberatung Roland Berger. Hinzu kommen noch Investmentbanken wie Houlihan Lokey, PJT, Macquarie und Rothschild sowie spezialisierte Beratungsboutiquen wie die von Hans-Joachim Ziems, Arno Haselhorst, Ralf Schmitz und Rüdiger Tibbe.

Drei Beratungshäuser haben sich auf Restrukturierung spezialisiert. Sie sind oft die Wunschlösung von Banken, Finanzinvestoren oder Eigentümern, wenn ein Unternehmen in eine existenzbedrohliche Krise rutscht: Alvarez & Marsal (A&M), Alix Partners und FTI-Andersch.

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Restrukturierer machen sich „die Hände schmutzig“

Sie gehen bei der Restrukturierung besonders in die Tiefe und machen sich „die Hände schmutzig“, wie A&M wirbt. Sie geben kriselnden Unternehmen nicht nur gute Ratschläge, sondern entsenden auf Wunsch auch Mitarbeiter auf Managementposten. Als Chief Restructuring Officer (CRO) setzen sie über Monate oder Jahre die empfohlenen Maßnahmen wie Stellenabbau und -verlagerung auch selbst um. A&M-Partner Johann Stohner war schon Mitglied im Management der Restaurantkette Vapiano, beim Verpackungsspezialisten Schur Flexibles/adapa, bei Matratzen Concord und der Kinokette AMC/UCI in Deutschland. Alix-Partner Michael Baur ist derzeit beim Automobilzulieferer Benteler als CRO tätig, und Hans-Joachim Ziems von Ziems & Partner bei Leoni.

Mit diesem direkten Engagement unterscheiden sich die „großen drei“ der Restrukturierer grundlegend vom Geschäftsgebaren der Strategieberatungen McKinsey, BCG und Bain. „Unsere Stärke liegt in der Beratung“, erklärt Jochen Schönfelder, Leiter der Restrukturierungseinheit von BCG in Zentraleuropa, auf Anfrage. Bei Bedarf arbeite man „Hand in Hand mit den besten und erfahrensten CROs“.

Restrukturierung: Wie gut sind Alix Partners, FTI-Andersch und Alvarez & Marsal?

Ihre Wurzeln haben die drei Restrukturierer in den USA. Lange Zeit war das für sie ein Nachteil in der deutschen Wirtschaft. Doch die großen Geschäftsbanken haben in den vergangenen Jahren ihre Restrukturierungsabteilungen abgebaut, auch weil sie wegen der lange florierenden deutschen Wirtschaft nicht mehr als wichtig genug galten.

In der Folge verkauften viele deutsche Geschäftsbanken Kredite von kriselnden Unternehmen an Finanzinvestoren und Kreditfonds weiter. Und dort haben Alix, FTI-Andersch und A&M mit ihren US-Wurzeln die besten Kontakte.

Alvarez & Marsal erwartet 20 Prozent Umsatzwachstum im laufenden Jahr

Die größte Restrukturierungsberatung hierzulande ist heute Alvarez & Marsal. Die Stimmung bei der gründergeführten, als Partnerschaft organisierten Gesellschaft ist gut: „Wir erwarten 2023 keinen Tsunami, aber doch einen kräftigen Sturm“, sagte der Leiter des deutschen Restrukturierungsgeschäfts Johann Stohner dem Handelsblatt.

Dadurch werde der Umsatz von Alvarez & Marsal in Deutschland um rund 20 Prozent auf mehr als 100 Millionen Euro steigen, erwartet Stohner. Dafür braucht A&M auch mehr Personal, die Zahl der Mitarbeiter in Deutschland soll Stohner zufolge von derzeit etwa 300 um mindestens 15 Prozent steigen.

Johann Stohner - (Foto: Alvarez & Marsal)
Johann Stohner - (Foto: Alvarez & Marsal)

Das tägliche Geschäft beschreibt A&M-Partner Johann Stohner als hart: „Wir Restrukturierer kommen oftmals erst, wenn die Krise für das Unternehmen existenzbedrohend ist. Und dann arbeiten wir meist unter extremem Zeitdruck, schließlich geht es ums Überleben der Firmen.“

Alvarez & Marsal ist seit 2002 in Deutschland aktiv. Nach einigen Startschwierigkeiten hat das Unternehmen sich in den vergangenen zehn Jahren auch hierzulande etabliert – gegen den für eine Restrukturierungsberatung eigentlich zu guten konjunkturellen Markttrend.

Tony Alvarez and Bryan Marsal gründeten A&M 1983 in New York. In der Finanzkrise Ende der Nullerjahre bekam das Unternehmen den Auftrag, die Investmentbank Lehman Brothers zu restrukturieren und abzuwickeln. Die Bank wurde zum Sinnbild der geplatzten Spekulationsblase, die die Krise auslöste – und machte auch Alvarez & Marsal international bekannt.

Weltweit hat A&M heute rund 7000 Mitarbeiter und erwirtschaftete im vergangenen Jahr 2,7 Milliarden Dollar Umsatz.

Alix Partners: Seit 20 Jahren in Deutschland aktiv

Die Nummer zwei der spezialisierten Restrukturierungsberatungen in Deutschland ist Alix Partners. Die vom Gründer Jay Alix und von einigen Investoren, darunter zwei kanadische Pensions-Fonds, beherrschte Gesellschaft agiert am aggressivsten, auch kommunikativ. Alix feierte vor wenigen Wochen das 20-jährige Jubiläum im deutschen Markt mit der Benennung zahlreicher neuer Partner, darunter Eigengewächse und Neuzugänge von anderen Beratern und aus der Industrie.

Alix-Deutschlandchef Andreas Rüter ist froh, dass das Unternehmen nie versucht hat, sich allzu breit aufzustellen und damit in direktere Konkurrenz zu McKinsey, BCG und Bain zu treten. Alix Partners bleibe so „eine auf komplexe, dringende und komplizierte Projekte fokussierte Beratung“, sagt Rüter.

Andreas Rüter - (Foto: Alix Partners)
Andreas Rüter - (Foto: Alix Partners)

Von den 180 Alix-Beratern in Deutschland seien 100 Restrukturierungsexperten. Zudem stelle das Unternehmen keine Berufsanfänger ein, sondern nur erfahrene Manager und Berater.

Für 2023 erwartet Rüter für Alix Partners in Deutschland ein Wachstum von 18 Prozent. Absolute Zahlen nennt die Beratung für einzelne Märkte nicht. Alix Partners hat weltweit rund 2500 Mitarbeiter und erwirtschaftet eigenen Angaben zufolge einen Umsatz von 1,7 Milliarden Dollar.

Wirecard war die erste große Aufgabe für FTI-Andersch nach der Übernahme

Der Fall des Dax-Konzerns Wirecard war im Jahr 2020 die erste große Aufgabe der kurz zuvor von der US-Restrukturierungsberatung FTI übernommenen Beratungsgesellschaft Andersch. FTI war zu dieser Zeit die weltweit größte auf Restrukturierung spezialisierte Beratungsgesellschaft mit eigenen Einheiten für Forensik und Cybersicherheit. Andersch entstand einst als Ausgründung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in Berlin und hatte 2019 rund 90 Mitarbeiter.

Doch erfundene Geschäfte und Konzernvermögen können auch Spezialisten nicht umstrukturieren. Wirecard schrieb Wirtschaftsgeschichte als erster Dax-Konzern, der Insolvenz anmelden musste. Das Unternehmen ist damit eines der prominentesten Beispiele dafür, dass Restrukturierungsberatungen nach dem Ausschöpfen aller Maßnahmen manchmal trotzdem nur noch an den Insolvenzverwalter übergeben, und dann dessen Arbeit begleiten können.

Erfolg hatte FTI-Andersch in den vergangenen Jahren im deutschen Mittelstand und sanierte den Druckmaschinenhersteller König & Bauer, die Einzelhandelskette Butlers, den Maschinenhersteller Elumatec und den Industriezulieferer Weber Hydraulik. 2022 übernahm FTI zudem die niederländische Restrukturierungsberatung Bold.

Für das Jahr 2023 erwartet FTI-Andersch-Vorstandssprecher Christian Säuberlich eine „hohe Nachfrage“. Sein Team von insgesamt 125 Mitarbeitern sei seit Ende 2022 „voll ausgelastet“. Vor allem die gestiegenen Finanzierungskosten brächten Unternehmen in die Bredouille, eine „große Welle“ an Insolvenzen erwartet er in Deutschland aber nicht. Dafür laufe die Konjunktur zu gut und die staatlichen Hilfsmaßnahmen seien zu stark.

Christian Säuberlich - (Foto: FTI/Andersch)
Christian Säuberlich - (Foto: FTI/Andersch)

Dennoch sei Deutschland für den börsennotierten Mutterkonzern FTI mit zuletzt 2,78 Milliarden Dollar Jahresumsatz und rund 7000 Mitarbeitern „ein Kerninvestitionsmarkt“, sagt Säuberlich. Gerade beziehe FTI mit Spezialeinheiten eine eigene Etage im Marienturm in der Frankfurter City.

Harter Preiskampf: Eine Restrukturierung darf eigentlich nichts kosten

Die drei großen Restrukturierungsberatungen wollen in Deutschland deutlich wachsen – das sorgt für Konkurrenz und Preisdruck. Außerdem darf eine Sanierung eigentlich ohnehin erst mal nichts kosten. Während Unternehmen Personal abbauen oder Firmenteile verkaufen, können sie nicht gleichzeitig hohe Beraterhonorare zahlen.

Alvarez & Marsal, Alix Partners und FTI-Andersch und ihre großen Konkurrenten arbeiten deshalb häufig erfolgsabhängig. Sie beraten bis zu 18 Monate honorarfrei und kassieren nur bei Erfolg.

Dass das schiefgehen kann, zeigte der Fall von Air Berlin: McKinsey beriet bei der Restrukturierung und konnte anstelle von Honoraren am Ende vor allem neue Erfahrungen verbuchen.

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