Navigation überspringen
Premium

"Das straffe multinationale Unternehmen wird aussterben"

PETER DRUCKER -

Peter Drucker war ein US-amerikanischer Ökonom österreichischer Herkunft. Seit den 1940er Jahren veröffentlichte er zahlreiche wegweisende Werke über Theorie und Praxis des Managements.

Peter, Sie haben Ideen immer auf die Probleme zugeschnitten, die Menschen dort haben, wo sie arbeiten und leben. Heute möchten wir von Ihnen erfahren, wie die Arbeit der Führungskräfte in der postkapitalistischen Gesellschaft aussehen wird.

DRUCKER - Sie müssen lernen, mit Situationen zurechtzukommen, in denen sie nichts befehlen können, in denen sie selbst Weder kontrolliert Werden noch Kontrolle ausüben können. Das ist die elementare Veränderung. In Managementbüchern wird nach wie vor hauptsächlich von Mitarbeiterführung gesprochen. Aber eine Führungskraft wird nicht mehr nach der Anzahl der Personen beurteilt, die ihr unterstehen. Dieser Richtwert sagt über die Komplexität der Aufgabe nichts aus, nichts über die Informationen, die der Betreffende nutzt und hervorbringt, nichts über die Art der Beziehungen, die erforderlich sind, um diese Aufgabe zu erfüllen.

Noch immer sind Unternehmen darauf aus, Tochterfirmen an der Leine zu führen. Aber dieser zentralistische Ansatz stammt aus den 50er und 60er Jahren. In Wirklichkeit wird das straffe multinationale Unternehmen immer rascher zu einer aussterbenden Spezies. Gewöhnlich werden Unternehmen auf zweierlei Weise größer: Entweder wachsen sie am eigenen Stamm oder durch Zukäufe. Und Führungskräfte kontrollieren das jeweils. Heute wachsen Unternehmen aufgrund von Allianzen, von riskanten Querverbindungen und Joint Ventures, wo - nebenbei gesagt - nur noch wenige Leute den Durchblick behalten. Dieser neue Wachstumstypus bringt den traditionellen Manager aus der Fassung, denn der meint immer noch, er müsse Hilfsquellen und Märkte besitzen oder beherrschen.

Wie wird die Tätigkeit des Managers aussehen, wenn die herkömmlichen Hierarchien verschwunden sind?

DRUCKER - Können Sie sich vorstellen, dass Sie ständig mit Leuten zusammenarbeiten, die Ihnen zwar zuarbeiten, aber nicht unterstellt sind? Als Manager werden Sie zum Beispiel mehr und mehr dazu übergehen, Arbeit möglichst nach draußen zu verlagern. Daher ist es vorhersehbar, dass Unternehmen in den nächsten zehn Jahren die Arbeitsbereiche ausgliedern werden, die einen Manager nicht direkt ins Topmanagement führen. Der Produktivität wegen müssen Sie Outsourcing betreiben. Aber der Trend zur Fremdvergabe hat genauso viel mit Rationalisierung wie mit Führungsqualität zu tun.

Können Sie uns ein Beispiel geben?

DRUCKER - Nehmen wir ein Krankenhaus. Jeder weiß, dass es hier auf Sauberkeit ankommt, doch Ärzte und Schwestern kümmern sich selten darum, ob auch in den Ecken gründlich geputzt wird. Das gehört nicht zu den Dingen, die ihnen bei ihrer Arbeit wichtig sind. Ihnen genügt für das Krankenhaus ein Putzdienst. In Südkalifornien habe ich eine Klinik kennengelernt, in der eine eingewanderte Mexikanerin als Reinmachefrau arbeitet. Sie ist Analphabetin und doch äußerst tüchtig. Sie hat herausgefunden, wie man bei schwer kranken Patienten die Laken wechseln kann, ohne sie mehr als 15 Zentimeter hochheben zu müssen, ganz gleich, Wie schwer sie sind. Außerdem hat sie die Zeit für einen Wechsel der Bettwäsche von zwölf auf zwei Minuten verkürzt. Jetzt ist sie für die gesamte Raumpflege verantwortlich, aber sie ist keine Angestellte des Krankenhauses. Niemand erteilt ihr Anweisungen.

Noch immer sprechen Manager davon, dass Leute an sie "berichten". Dieses Wort sollte jedoch aus dem Managementvokabular gestrichen werden. An die Stelle von Weisungsbefugnis tritt Information. Dem Finanzchef eines Unternehmens, das die Informationstechnik (IT) ausgegliedert hat, stehen möglicherweise nur noch zwei Assistenten und eine Empfangsdame zur Seite. Aber durch seine Devisenentscheidungen kann an einem einzigen Tag so viel Geld verloren gehen oder gewonnen werden, wie der Rest des Unternehmens in einem Jahr erwirtschaftet. Ein Wissenschaftler legt fest, welche Forschungsaufgaben nicht im Großlabor des Unternehmens durchgeführt werden. Er hat nicht einmal eine Sekretärin oder einen klingenden Titel, doch seine Erfolgsbilanz ist so, dass er nicht einfach übergangen werden darf. Möglicherweise ist seine Arbeit folgenreicher als die des CEOs. Im militärischen Bereich befehligte ein Oberstleutnant bislang gewöhnlich ein ganzes Bataillon, heute braucht er vielleicht nur noch einen Adjutanten im Vorzimmer und hat sich um die Verbindungen zu einem wichtigen Partnerland zu kümmern.

Unter diesen neuen Umständen wird überall versucht, dem Unternehmen eine mustergültige Struktur zu geben, die im Allgemeinen flach ist, nur wenige Führungsebenen aufweist und direkt der Kundenzufriedenheit dient. Aber wie richten sich Manager in dieser neuen Welt ein?

DRUCKER - Mehr als je zuvor muss der einzelne für sich selbst Verantwortung übernehmen, statt sich auf das Unternehmen zu verlassen. In unserem Land und jetzt auch in Europa und sogar in Japan kann niemand erwarten, der schon fünf Jahre bei einem Unternehmen arbeitet, noch immer dort zu sein, wenn er 40 Jahre später in den Ruhestand tritt. Auch darf niemand annehmen, er könne während der 40 Jahre im gleichen Unternehmen die Arbeit machen, die er tun will. Setzt ein Manager auf ein Großunternehmen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es innerhalb der nächsten zehn Jahre aufgespalten wird, größer als die, dass es so bleibt, wie es ist.

Das ist eine neue Tendenz. Vor dem Ersten Weltkrieg waren Großunternehmen sehr stabil, und in den 20er Jahren erschienen sie beinahe wie tiefgefroren. Auch die große Depression überstanden viele ohne Veränderung. Es folgten 30, 40 Jahre, in denen sie um weitere Etagen zu Wolkenkratzern aufgestockt Wurden beziehungsweise die Unternehmenszentralen weitere Flügel bekamen. Jetzt aber bauen Unternehmen sich nicht weiter zu Wolkenkratzern auf. Tatsächlich ist in den vergangenen zehn Jahren der Anteil der Beschäftigten, die für Unternehmen der "Fortune"-500-Liste arbeiten, von 30 auf 13 Prozent gefallen.

Unternehmen, die früher wie Pyramiden für die Ewigkeit gebaut schienen, gleichen heute eher Zelten. Morgen sind sie verschwunden oder in völligem Durcheinander. Und das trifft nicht nur auf Unternehmen wie Sears, General Motors oder IBM zu, die ständig in den Schlagzeilen sind. Die Technik wandelt sich sehr rasch, so wie Märkte und Strukturen. Niemand kann sein eigenes Leben auf eine so vergängliche Organisation ausrichten.

Lassen Sie mich ein einfaches Beispiel dazu anführen, wie sich Grundvoraussetzungen verändern. Die meisten Männer und Frauen, die meine Seminare für Führungskräfte besuchen, sind ungefähr 45 Jahre alt und stehen kurz vor dem Sprung ins Topmanagement eines Großunternehmens oder leiten bereits eine Firma mittlerer Größe. Als wir vor 15 oder 20 Jahren mit diesen Kursen anfingen, haben die Leute in diesem Karrierestadium gefragt: "Wie können wir uns auf unsere nächste Beförderung vorbereiten?" Heute fragen sie: "Was muss ich noch lernen, damit ich entscheiden kann, wohin ich demnächst gehe?"

Früher verkörperte der junge Mann im grauen Flanell den Typ des Managers, der lebenslang dem Unternehmen angehört. Wie sieht das Musterbild heute aus?

DRUCKER - Da haben wir jemand, der individuelle Verantwortung übernimmt und von keinem bestimmten Unternehmen abhängt. Für so eine Führungskraft ist es genauso wichtig, die eigene Karriere zu managen. Denn die Stufenleiter ist verschwunden, ja es gibt nicht einmal mehr die stillschweigend implizierte Leiter, die mit branchenspezifischen Umständen zusammenhängt. Es ist mehr wie bei der Arbeit im Weinberg, und jeder bringt sein eigenes Messer mit. Wer weiß schon, was er als Nächstes macht, ob er in einem Firmenbüro oder in einem riesigen Amphitheater oder überhaupt außerhalb der eigenen vier Wände arbeiten wird. Jeder muss sich selbst kennen und sich für sich verantwortlich fühlen, sodass er die richtigen Posten oder Aufgaben für sich finden kann, während man sich zugleich weiterentwickelt und die Familie in seine Bewertungen und Entschlüsse einbezieht.

Das ist eine ziemliche Abkehr von dem, was Manager in der Vergangenheit erwarten durften.

DRUCKER - Gewiss, diese Veränderungen in der Arbeitswelt der Führungskräfte machen sich überall bemerkbar, doch sie tauchen nach einem unterschiedlichen Zeitschema auf.

Beispielsweise konnte ich bei meinen vielen japanischen Kursteilnehmern, die ich im Lauf der Jahre hatte, beobachten, wie ihnen ihre Karrieren immer unsicherer vorkamen. Sie sind total verwirrt. Obwohl die Strukturen in ihren Unternehmen fester sind als bei uns, finden sich die Japaner unversehens an einem Punkt, wo sie zur einen Hälfte umfassend angeleitet werden und zur anderen Hälfte nun Eigenverantwortung übernehmen sollen. Und es verunsichert sie sehr, dass Titel nicht mehr dasselbe bedeuten wie ehedem. Bislang galt für sie: Ob jemand als stellvertretender Leiter der Marktforschung in Indien oder in Frankreich tätig war - man wusste, was der Betreffende tat. Dass das aber nicht länger zutrifft, konnte ich am Beispiel eines multinationalen Unternehmens sehen. Da hatte mir die Absolventin eines meiner Führungsseminare vor Kurzem erzählt, sie werde in voraussichtlich fünf Jahren stellvertretender Vice President ihrer Bank sein. Leider musste ich ihr sagen, dass sie den Titel vielleicht wirklich bekommen würde, dass der dann aber schon nicht mehr die Bedeutung haben würde, die sie heute mit ihm verbinde.

Eine weitere Sprosse auf der Leiter?

DRUCKER - Ja. Das ist die Denkweise von großen Unternehmen. Viele sehen in der Personalabteilung ihren Vater - oder ihre gute Mutter. Vor etwa 30 Jahren hatte diese Abteilung bei AT&T ihre Glanzzeit, sie war die treibende Kraft hinter den Kulissen. Mit all ihren Prüfungen und Karriereplanungen wussten die Leute dort genau, dass ein bestimmter 27-Jähriger mit 45 Jahren stellvertretender Betriebsleiter sein würde und nichts anderes. Unklar war nur, ob er das in Nebraska oder in Florida sein würde. Aber sofern er nicht irgendetwas ganz Außergewöhnliches anstellte, stand seine Laufbahn bis zum Ruhestand fest.

Natürlich haben sich die Zeiten gewandelt. Und die Führungskräfte von Bell haben besser abgeschnitten als die meisten anderen. Denn sie haben die Veränderungen kommen sehen, die aus der Entscheidung der Kartellbehörde zur Entflechtung des Unternehmens folgten. Sie konnten das nicht ignorieren. Aber in den Köpfen vieler anderer geistert immer noch die Idee vom Großunternehmen herum. Wenn solche Manager ihren Job beim Großhändler Sears verlieren, jagen sie gleich einem neuen beim Großhändler Kmart nach und ziehen nicht in Betracht, dass kleine Firmen viel mehr neue Führungspositionen schaffen, die ähnlich sicher sind wie bei den großen.

Noch heute sind nur sehr wenige Amerikaner imstande, sich bei der Stellenwahl richtig zu entscheiden. Auf Fragen wie" Ist Ihnen bewusst, was Sie gut können? Kennen Sie Ihre Grenzen?" reagieren sie mit Verblüffung. Oder sie verweisen auf ihr Fachwissen, was die falsche Antwort ist. Und wenn sie ihren Lebenslauf niederschreiben, versuchen sie durchweg, Positionen aufzulisten wie Stufen einer Leiter. Aber es ist an der Zeit, nicht länger wie einst in Kategorien wie Positionen oder Karrierepfaden zu denken, sondern daran, wie man Aufgaben übernehmen kann, und zwar eine nach der anderen.

Wie bereitet sich jemand auf diese neue Führungslaufbahn vor?

DRUCKER - Ein gebildeter Mensch zu sein reicht heute nicht mehr aus, nicht einmal eine besondere Ausbildung im Management. Zwar ist zu hören, die Regierung lasse neue Stellenbeschreibungen ausarbeiten, die auf Fachwissen basieren. Ich meine jedoch, dass wir vermutlich die Suche nach objektiven Kriterien übergehen und auf subjektive Eigenschaften abstellen sollten - auf das, was ich Kompetenzen nenne. Schätzen Sie bei der Arbeit wirklich Druck? Behalten Sie auch in schwierigen Situationen einen klaren Kopf? Nehmen Sie Informationen besser auf, indem Sie lesen, sich unterhalten oder Diagramme und Zahlen studieren? Neulich stellte ich einer Führungskraft die Frage: "Wenn Sie sich mit jemandem, einem Mitarbeiter vielleicht, zusammensetzen, wissen Sie dann schon, was Sie sagen wollen?" Empathie ist so eine praktische Kompetenz. Über Jahre habe ich mich für diese Art von Selbsterkenntnis eingesetzt, jetzt ist sie im Beruf unverzichtbar.

Besonders junge Leute wünschen sich alle Freiheit, die sie nur bekommen können. Doch Wenn jemand wissen will, wer er ist und was er kann, dann hat er damit seine liebe Mühe. Unser Erziehungssystem ist eher kontraproduktiv, wenn es darum geht, Menschen beizubringen, sich stärker verantwortlich zu fühlen. Je länger einer in der Schule bleibt, desto weniger muss er entscheiden. Und an den Hochschulen ist es noch schlimmer.

Wissen Sie, warum sich Hochschulabgänger meist für ein großes Unternehmen entscheiden? Weil die wenigsten schon wissen, wohin sie eigentlich wollen, wenn sie eingestellt werden. Aber sobald der Berufsanfänger durch seine Ausbildung geht und an einer Stelle arbeitet, muss er Entscheidungen über seine Zukunft treffen. Niemand anderes wird das für ihn tun.

Und haben die Berufsanfänger erst einmal begonnen, Entscheidungen zu treffen, Wechseln die Besten im Lauf von drei bis fünf Jahren zu mittleren Unternehmen, weil sie dort zur Unternehmensspitze durchmarschieren können. Da hier weniger auf das Alter gesehen wird, kann jemand nach oben klettern und sagen: "Ich war nun drei Jahre im Rechnungswesen, jetzt möchte ich gern im Marketing weitermachen." Jedes Jahr telefoniere ich mit einer Reihe früherer Kursteilnehmer, um zu hören, wie es ihnen ergangen ist. Gewöhnlich hatten sie ihren zweiten Job bei einem anderen Großunternehmen, oft weil sie eine Familie gegründet hatten und Sicherheit wollten. Aber in Familien, wo zwei Karriere machten, tauchten zusätzliche Probleme auf, die sich in kleineren Unternehmen besser lösen lassen, etwa durch flexible Arbeitszeiten für Mann und Frau, sodass beide neue Stellen in derselben Stadt finden.

Inzwischen wurden psychologische Tests entwickelt, die Leuten helfen, ihre Kompetenzen besser zu erkennen. Aber wenn die Wirtschaft in Zukunft weltweit weniger nach Anweisungen und mehr aufgrund von Kenntnissen und Fähigkeiten funktioniert, warum sollte dann nicht Ausbildung darüber entscheiden, wer welche Führungsaufgabe bekommt?

DRUCKER - Wegen der großen Gefahr, dass wir jemanden nicht nach seiner Leistung, sondern nach seinen Zeugnissen beurteilen. So befremdlich es scheinen mag, aber für eine auf Wissen und Information gegründete Wirtschaft besteht die größte Gefahr darin, dass sich daraus eine Leistungsgesellschaft der klugen Tiere entwickelt. Ringsum nur Referenzen und Empfehlungen. Warum halten es Leute für notwendig, mich wissen zu lassen, Herr (oder Frau) Soundso sei als Wissenschaftlerin) wirklich exzellent, obwohl ihm (ihr) der Doktortitel fehle? Leicht gerät man da in die Falle, weil Titel schwarz-weiß sind. Aber es bedarf einiger Urteilskraft, um den Leistungsbeitrag von jemandem richtig zu gewichten.

Das Problem wird noch gravierender in Unternehmen, die die Mittel der modernen Informationstechnik nutzen. Schon im Juli 1990 hat Michael Hammer in seinem Artikel "Reengineering Work: Don't Automate, Obliterate" in der "Harvard Business Review" darauf hingewiesen, dass die meisten Führungsstufen überflüssig werden, wenn sich ein Unternehmen nach Informationserfordernissen neu strukturiert. Ohnehin sind die meisten Stufen nichts weiter als Schaltstellen für den Informationsfluss. Inzwischen trägt jede Führungsebene mehr Verantwortung auf dem Gebiet der Information als je zuvor. Viele Großunternehmen haben die Zahl der Ebenen um 50 Prozent gesenkt, sogar in Japan - zum Beispiel bei Toyota, wo es mehr als 20 gab und heute nur noch 11 geblieben sind. GM geht wohl von 28 auf 19 herunter, und selbst das muss nicht das Ende sein. Die Organisationen werden immer flacher.

Regelrechte Panik löst das in Japan aus, weil dessen strenge Schichtengesellschaft gerade die feinen Unterschiede im Rang betont. Jeder möchte gern Kacho werden, also Vorgesetzter oder Abteilungsleiter. Doch auch hier in den USA ist man unsicher geworden. Wir wissen nicht, wie wir Vergütungen und Anerkennungen verteilen sollen, damit in die verbleibenden Führungspositionen die kompetenten Leute gelangen. Ich halte nicht viel von der populären Ansicht, dass nur eine Generation von Unternehmern unsere Probleme lösen wird. Unternehmer sind Monomanen. Manager sind Synthesizer, sie bringen verschiedene Ressourcen zusammen und machen daraus etwas Neues. Sie haben ein Gespür für Gelegenheit und Zeitpunkt. Heutzutage zählt gutes Witterungsvermögen mehr als analytische Kraft. Denn in dem neuen Geflecht von Unternehmen muss man Fahndungsraster haben, um das wahrnehmen zu können, was wirklich ist, und nicht das, was man gern hätte. Ein gutes Lauschorgan ist unschätzbar, etwa wenn es einem sagt: "Ich spüre, wie wir alles daransetzen, das neue Produkt zu kippen, um das alte zu schützen."

Wie findet man solche Leute?

DRUCKER - Einmal kann man kleine Unternehmen sozusagen als Nachwuchsschmieden benutzen wie im Baseball. Einer meiner tüchtigsten Freunde erwirbt Minderheitsbeteiligungen an Kleinunternehmen seiner Branche. Als ich ihm vorhielt, dass das doch unvernünftig sei, antwortete er: "Ich kaufe Fohlenmannschaften. Ich bringe meine aufgewecktesten jungen Leute in diesen Unternehmen unter, wo sie nach selbst gesetzten Vorgaben arbeiten. Sie haben all die Dinge zu tun, die auch der CEO eines Großunternehmens zu tun hat." Und wissen Sie, was das Großartigste ist, was diese jungen Führungskräfte in ihren neuen Positionen lernen müssen? Mein Freund sagt: "Wir haben promovierte Biologen und Chemiker, und die müssen lernen, dass ihre Kunden keine Doktoren sind und die Leute, die die Arbeit verrichten, auch nicht." Mit anderen Worten, sie müssen lernen, sich allgemein verständlich auszudrücken, statt Formeln an eine Tafel zu schreiben. Sie müssen lernen, jemandem zuzuhören, der keine Ahnung hat, was eine Regressionsanalyse ist. Im Grunde müssen sie lernen, was Rücksicht nehmen heißt und wie wichtig das ist.

Das ist schwer zu lernen, geschweige denn zu lehren.

DRUCKER - Man muss sich auf die Leistung des Einzelnen konzentrieren. Der Einzelne muss festlegen, was sein persönlicher Beitrag zum Erfolg des Unternehmens sein soll. Wir müssen fordern - und "fordern" ist ein Wort, von dem es keine Abstriche gibt -, dass jede Führungskraft sich überlegt, welchen Beitrag sie in den nächsten anderthalb oder zwei Jahren leisten kann. Dann muss sie dafür sorgen, dass die Leute, mit denen und für die sie arbeitet, diesen Beitrag auch billigen und verstehen.

Obwohl die Bedeutung der Frage, was jemand für sein Unternehmen tun will, völlig auf der Hand liegt, stellen die meisten Manager sie nicht. Aber wenn ich mich dann unter ihnen umhöre, blühen sie auf und antworten gern. Und wenn ich dann nachhake "Haben Sie davon schon anderen Leuten erzählt?", kommt die Antwort: "Nein, das wäre albern, die wissen das doch schon." Aber natürlich wissen "die" es nicht. Unter den einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen, die vor hundert Jahren herrschten, wusste noch jeder, was der andere bei seiner Arbeit machte. Die Bauern wussten, was die anderen Bauern trieben, und bei den Industriearbeitern wussten auch alle über die Arbeit der anderen Bescheid. Und das galt ebenso für Hausangestellte und eine vierte wichtige Wirtschaftsgruppe jener Tagen, die kleinen Händler. Keiner musste erst viel erklären. Heute jedoch weiß kaum noch einer, was eigentlich die anderen tun - selbst von denen in der eigenen Firma weiß es kaum jemand. Doch jeder, mit dem Sie zusammenarbeiten, sollte wissen, worauf es Ihnen vor allem ankommt. Wenn Sie aber nicht fragen und von sich aus nichts erzählen, ziehen Kollegen und Untergebene möglicherweise die falschen Schlüsse.

Welche Folgen hat dieser Mangel an Kommunikation?

DRUCKER - Wenn Sie sich nicht mitteilen, bekommen Sie nicht die Aufgaben übertragen, für die Sie geeignet sind. Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern. Ohne Ausnahme sagen die Ingenieure in meinen Kursen, dass sie mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit darauf verwenden, Berichte abzufassen und zu überarbeiten - mit anderen Worten, etwas zu tun, wofür sie am wenigsten qualifiziert sind. Ihnen ist nicht einmal bewusst, dass man solche Berichte schreiben und umschreiben und nochmals umschreiben muss. Und dabei gibt es in der Firma für diese Aufgabe genug Leute mit trainiertem Sprach- und Ausdrucksvermögen. Selten beachten die Leute ihre "starken Seiten". Ein Ingenieur erzählte mir beispielsweise nach langem Nachdenken, er sei wirklich begabt darin, nach einer Grundidee einen ersten Entwurf zu entwickeln; aber die Ausarbeitung der Details für das fertige Produkt sei nicht seine Sache. Bis zu diesem Augenblick hatte er darüber noch nie mit jemandem gesprochen, es sich nicht einmal selbst klargemacht.

Sie treten aber nicht nur für Selbstanalyse ein?

DRUCKER - Nein. Als Führungskraft müssen Sie nicht nur Ihre eigenen Fähigkeiten kennen, sondern ebenso die Stärken jener Männer und Frauen, denen Sie Aufgaben übertragen, oder die Ihrer Kollegen und Vorgesetzten. Zu viele Manager gehen da die üblichen Wege. Sie reden immer noch von "unseren Ingenieuren". Und ich sage: "Mein Guter, Sie haben keine Ingenieure. Sie haben Joe und Mary und Jim und Bob, und jeder ist anders als der andere." Heutzutage können Sie nicht mehr "Belegschaften" führen, das sind Individuen. Die müssen Sie so gut kennen, dass Sie zu ihnen hingehen und sagen können: "Mary, Sie möchten gern befördert werden. Nun, dann dürfen Sie sich nicht ständig angegriffen fühlen. Vergessen Sie, dass Sie eine Frau sind, Sie sind Ingenieurin. Und Sie müssen etwas rücksichtsvoller werden. Sagen Sie den Leuten nicht erst am Freitagnachmittag um fünf Minuten vor fünf, dass sie Überstunden machen müssen, Wenn Sie schon um neun Uhr morgens Wissen, dass das nötig sein wird."

Manager, die über Wissen und Erfahrungen verfügen, Werden produktiver, Wenn man sie dazu bringt, sich auf ihre eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren. Wissen Sie, warum derzeit Beförderungen häufig zu nichts führen? Nach meiner Erfahrung endet ein Drittel in totalen Katastrophen. Bei einem weiteren Drittel der Beförderten kommt es zu ziehenden Rückenschmerzen. Nur in einem von drei Fällen Wird der Beförderte auch erfolgreich. Das ist keine Übertreibung. Der Normalfall ist selbstverständlich der Starverkäufer, der zum Vertriebsleiter aufsteigt. Doch diese Position kann vier unterschiedliche Ausprägungen haben - die eines Chefs der Verkäufer, eines Marketingmanagers, eines Produktmanagers oder eines Superverkäufers, der in völlig neue Dimensionen vorstoßen soll. Niemand sagt aber deutlich, um Welche Ausprägung es geht. Und so bleibt dem Mann oder der Frau, der/die in diese Position befördert Wird, nur, zu versuchen, noch mehr von dem zu leisten, Was ihn/sie dahin gebracht hat. Mit Sicherheit der falsche Weg.

Erläutern Sie uns Ihre Idee der Informationsverantwortung noch etwas ausführlicher. Wieso hat sie so viel mit den Aufgaben der Führungskräfte in der postkapitalistischen Gesellschaft zu tun?

DRUCKER - Viel zu viele Manager nehmen von Computerspezialisten an, die wüssten schon, welche Informationen man zur Führungsarbeit braucht und welche Information Manager wem schulden. Aber Informationen aus dem Computer haben ihren Schwerpunkt meist bei den betrieblichen Interna, während Nachrichten von außen oder von den Kunden zu kurz kommen. In modernen Unternehmen müssen sich Führungskräfte für Information selbst verantwortlich fühlen, denn sie ist ihr wichtigstes Werkzeug. Aber viele wissen nicht, wie man es gebraucht. Sie können "Alle meine Entchen" spielen, aber nicht Beethoven.

Ein Produktmanager bei einem größeren Pharmahersteller versuchte, die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu seinem Produkt aus der Firmenbibliothek zu bekommen. Daraufhin beschwerte sich die Bibliothekarin bei ihrem Vorgesetzten. Denn sie gibt diese Quellen nur den Wissenschaftlern und Juristen des Unternehmens. Also musste der Mann einen Berater beauftragen, aus einer Datenbank ungefähr 20 Zeitschriftenartikel über sein Produkt herauszuholen, damit er sich ausreichend informieren konnte, um einen vernünftigen Werbetext zu verfassen. Der eigentliche Witz an der Geschichte ist aber, dass dieser Produktmanager Kollegen noch Weit voraus ist: Denn 99 von 100 Produktmanagern dämmert es nicht einmal, dass sie diese Informationen für die Kunden von heute brauchen, geschweige denn, woher sie sie bekommen sollen. Der erste Schritt sollte daher sein zu sagen: "Ich brauche das."

Viele Manager machen sich nicht klar, wie wichtig dieser erste Schritt ist. Ich arbeite mit dem EDV-Leiter eines Kreditinstituts zusammen, das 1,5 Milliarden Dollar in seine Informationstechnik gesteckt hat. Wir beide haben jeden Morgen mit den acht Frauen und zehn Männern seiner Abteilung gesprochen. Alles sehr kluge Leute, aber niemand von ihnen hat ernsthaft darüber nachgedacht, welche Informationen sie eigentlich für ihre Klienten brauchen. Als ich darauf hinwies, war die Antwort: "Sagt uns das denn nicht unser Chef?" Wir kamen überein, uns nach einem Monat noch einmal zu treffen, sodass sie in der Zwischenzeit überlegen konnten, auf welche Informationen es ankommt und - noch wichtiger - auf welche nicht.

Heißt das, ein Manager erwirbt Informationsverantwortung, indem er zunächst nach Lücken in seinem eigenen Wissen forscht?

DRUCKER - Genau. Um das ABC der Information zu beherrschen, muss ein Manager zunächst feststellen, was er überhaupt kennen und wissen muss. Heute wird zu viel über die Technik geredet oder, schlimmer noch, über die Geschwindigkeit, mit der alles schneller und noch schneller geht. Mit dieser Fixierung auf technische Möglichkeiten verlieren wir aus den Augen, von welch elementarer Bedeutung Informationen in modernen Unternehmen sind. Um die Art und Weise zu organisieren, in der gearbeitet werden soll, gilt es als Erstes, die spezifischen Aufgaben zu bestimmen; dann kommt der Input an Informationen, und schließlich geht es um die zwischenmenschlichen Beziehungen, die zur Bewältigung der Arbeit erforderlich sind.

Wenn heute so viel von neuer Führungstechnik die Rede ist, so meint das im Kern, das Unternehmen vom Fluss des Geschehens auf den Fluss der Informationen umzupolen. In diesem Umstellungsprozess ist der Rechner nichts weiter als ein Hilfsmittel. Wenn Sie in eine Eisenwarenhandlung gehen, um einen Hammer zu kaufen, fragen Sie nicht, ob Sie damit Polsterarbeiten machen oder die Tür reparieren können. Mit anderen Worten, wenn man weiß, wie eine Schreibmaschine funktioniert, ist man noch lange kein Schriftsteller. Heute tritt Informationswissen an die Stelle des Kapitals und ist in den Unternehmen weltweit die treibende Kraft. Aber da werden sehr leicht Daten mit Informationen und Informationstechnik wird mit Informationsnutzung verwechselt.

Was ist am schwierigsten bei der Führung dieser auf Information spezialisierten Manager?

DRUCKER - In den vergangenen 40 Jahren hat sich ein ziemlich abwegiger Glaube beharrlich gehalten: Wenn sich jemand verständlich ausdrückt, ist er ungebildet. Als ich jung war, äußerten Wirtschaftswissenschaftler, Physiker, Psychologen die führenden Häupter in allen Disziplinen selbstverständlich ihre Ansichten so, dass sie zu verstehen waren. Jahrelang arbeitete Einstein mit drei verschiedenen Mitarbeitern daran, die Relativitätstheorie auch für Laien verständlich zu machen. Sogar John Maynard Keynes mühte sich ab, seine Wirtschaftslehre jedermann begreiflich zu machen. Doch just vor ein paar Tagen hörte ich, wie ein Topmanager die Arbeit eines jüngeren Kollegen rundheraus verdammte, weil mehr als fünf Leute verstehen konnten, worum es ging.

Solche Arroganz können wir uns nicht leisten. Informationswissen ist Macht, und deshalb machten Leute, die bislang darüber verfügten, auch gern so ein Geheimnis darum. In der Ära des Postkapitalismus erwächst einem Manager aber Macht aus der Weitergabe von Informationen - um sie produktiv zu machen, statt sie unproduktiv für sich zu behalten.

Führungskräfte dürfen intellektuelle Arroganz nicht tolerieren. Manager mit Informationswissen müssen sich auf allen Ebenen verständlich ausdrücken, egal aus welchem Bereich sie kommen, die anderen müssen ihn ebenfalls verstehen können. Wer Technikern vorgesetzt ist, hat darin vielleicht seine Hauptaufgabe. Er muss als Dolmetscher fungieren und für den Ausgleich sorgen zwischen Spezialisierung und Verständlichkeit.

Verständlich machen ist eine wichtige Methode. Ein Beispiel ist die Wettervorhersage. Meteorologen, Mathematiker und andere Spezialisten arbeiten mit einem Team von Satellitenexperten zusammen. Die Europäer haben Informationsmanager als Vermittler zwischen den verschiedenen Disziplinen eingesetzt. Die Amerikaner dagegen haben die Leute in ihren ersten Berufsjahren rotieren lassen. Angenommen, Sie stecken einen promovierten Meteorologen in ein Hurrikan-Forschungsteam, das die nächsten drei Jahre an einem neuen mathematischen Modell arbeiten wird. Der Betreffende ist kein Mathematiker, aber er bekommt mit, was Mathematiker annehmen, was sie eliminieren, wo sie ihre Grenzen haben. Mit dieser Kombination von Expertise, Hineinriechen und Verständlichmachen erzielen die Amerikaner dreimal genauere Vorhersagen als die Europäer. Und dieses Konzept, sich anderen auszusetzen und zu offenbaren, ist von Nutzen für jede Gruppe von Spezialisten.

Hat das auch dazu geführt, dass das Team und die Teamarbeit so heiß diskutierte Themen geworden sind?

DRUCKER - Über Teams wird allerlei Unfug verbreitet, so als ob sie eine ganz neue Erfindung wären. Menschen haben immer im Team gearbeitet. Doch auch wenn wir im Sport Hunderte verschiedene Mannschaftstypen kennen, gibt es nur wenige Grundformen für ein Team. Wichtig ist, für eine bestimmte Aufgabe die richtige Form zu finden. Eine Fußballmannschaft und ein Tennisdoppel lassen sich nicht mischen. Schon jetzt ist abzusehen, dass binnen weniger Jahre die traditionelle Teamarbeit wieder in Mode kommen wird, bei der erst die wissenschaftliche Vorarbeit geleistet, dann die Produktidee in der technischen Abteilung weiterentwickelt und schließlich die Herstellung besorgt wird.

Denken Sie an Baseballmannschaften. Ihre Stärke liegt in der Fähigkeit, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Da ist etwa der Schlagmann, mit dem der Trainer intensiv arbeitet, um dessen Schlagtechnik zu verbessern. Er interagiert sonst kaum mit den anderen, anders als in einer Fußball-Elf oder Jazzcombo, den heute so beliebten Teambeispielen. In der Fußballmannschaft hat zwar jeder seine Position, aber im Übrigen spielen alle in weitreichender Abstimmung zusammen. Die Jazzcombo ist unglaublich flexibel, weil sich alle gut kennen und alle genau spüren, wann die Trompete zum Solo ansetzt. Aber das Combo-Modell erfordert viel Disziplin und gerät derzeit anscheinend etwas in Misskredit, besonders im japanischen Automobilbau, weil neue Modelle heute nicht mehr so schnell entwickelt werden müssen wie bisher.

Ich kenne einige deutsche Unternehmen, die das Modell der Baseballmannschaft anwenden, ob ihnen das nun bewusst ist oder nicht. Ihre Stärke ist klar: Sie sind fantastisch in der Ausnutzung und Entwicklung alter Erkenntnisse und Informationen, und Deutschlands mittelgroße Firmen sind Womöglich besser als die Großunternehmen, weil sie sich besser auf ein Geschäft konzentrieren können. Geht es andererseits um das Neue, den Schritt von der Elektronik zur Biotechnologie, leisten deutsche Wissenschaftler sicher Hervorragendes, aber die Ausbildung, die sie durchlaufen haben, ist der Innovation dann hinderlich.

Also können Teams Führungskräften helfen, in der neuen Ära ihren Kurs zu bestimmen?

DRUCKER - Über Teams nachzudenken kann uns dabei behilflich sein, ein generelleres Problem zu erhellen: Wie sollten wir mit dem Informationswissen umgehen? Was die Erzeugung von grundlegend neuen Erkenntnissen angeht, so habe ich britische Konzerne angetroffen, die darin allen anderen meilenweit voraus waren. Aber sie haben mit ihrer Expertise nie viel angefangen, zum Teil, weil viele britische Unternehmen den technisch orientierten Manager weniger schätzen. Ich kenne dort keinen einzigen Ingenieur in einer Topmanagementfunktion. Genau umgekehrt ist es bei meinen japanischen Freunden. Weil Manager sich dort nicht im Hinblick auf bestimmte wissenschaftliche Entwicklungen spezialisieren, nehmen sie Informationen von allen Seiten auf und machen sie sehr schnell produktiv. In unserem Land wiederum sind wir in den vorhandenen Industrien nicht viel weiter gekommen. Die Autobranche begnügte sich bis vor Kurzem mit dem, was sie schon 1939 getan hat. Aber mit den Entdeckungen auf den Feldern der Computer- und Biotechnik könnten wir tatsächlich zur Höchstform auflaufen, sollte es zu schöpferischen Durchbrüchen kommen.

Was kann der Manager daraus lernen?

DRUCKER - Seine Lektion besteht darin, dass die Produktivität von Wissen eine qualitative und eine quantitative Seite hat. Obgleich wir wenig darüber wissen, erkennen wir, dass Führungskräfte beides sein müssen: Spezialisten und Synthetisierer auf unterschiedlichen Wissensgebieten. Diese Situation ist für den traditionellen Manager, dem an hochtrabendem Geschwätz liegt, so bedrohlich wie für den Intellektuellen, der um den Respekt der anderen in seinem Fach bangt, falls er ihnen als zu geschäftstüchtig erscheint. Doch in der postkapitalistischen Welt müssen der Bildungsprotz und der geistig Anspruchslose in derselben Mannschaft spielen.

Das hört sich recht demokratisch an. Wird die postkapitalistische Gesellschaft, die mehr auf Wissen als auf Kapitalbesitz beruht, denn egalitärer sein?

DRUCKER - Nein. Beide Begriffe passen hier nicht her. Demokratisch bezieht sich im engen Sinne auf ein politisches und rechtliches Gebilde. Auch den überladenen Begriff "partizipativ" benutze ich nicht. Und noch schlimmer ist es um das Konzept der Bevollmächtigung bestellt. Es ist kein großer Schritt nach vorn, Wenn die Macht von der Spitze in die unteren Bereiche verlagert Wird. Macht bleibt Macht. Um eine leistungsorientierte Organisation aufzubauen, müssen Sie Macht durch Verantwortung ersetzen.

Und wo wir gerade bei den Begriffen sind - mir gefällt auch das Wort Manager nicht mehr, weil es Untergebene insinuiert. Persönlich ziehe ich den Ausdruck Führungskraft vor, weil er an Verantwortlichkeit für einen Arbeitsbereich, nicht aber notwendigerweise für Menschen denken lässt. Das Wort Boss, das während des Zweiten Weltkriegs aufkam, ist auch hilfreich, wenn damit die Rolle des Mentors, der jemandem den Rücken stärkt, bezeichnet werden soll. Das neu erstehende Unternehmen wird die Polarität zwischen oberem und unterem Management überwinden und auf Sponsor-Mentor-Beziehungen überblenden. Wo es ehedem um eine Kombination aus Rang und Macht ging, wird es in Zukunft Verhältnisse wechselseitiger Übereinkunft und Verantwortung geben.

Von T. GEORGE HARRIS

(c) HBP 2018

"Das straffe multinationale Unternehmen wird aussterben"

Premium

Diese Inhalte sind für Premium-Mitglieder inklusive

Der Zugang zu diesem Artikel und zu vielen weiteren exklusiven Reportagen, ausführlichen Hintergrundberichten und E-Learning-Angeboten von ausgewählten Herausgebern ist Teil der Premium-Mitgliedschaft.

Premium freischalten

Harvard Business manager schreibt über Das Wissen der Besten.

Der Harvard Business Manager ist die erweiterte deutsche Ausgabe der US-Zeitschrift "Harvard Business Review" (HBR), des renommiertesten Managementmagazins der Welt. Die Redaktion ergänzt die besten Artikel aus der HBR um wichtige Forschungsergebnisse von Professoren europäischer Universitäten und Business Schools sowie um Texte deutschsprachiger Experten aus Beratungen und dem Management von Unternehmen. Unsere Autoren zählen zu den besten und bekanntesten Fachleuten auf ihrem Gebiet und haben ihre Erkenntnisse durch langjährige Studien und Berufspraxis erworben.

Artikelsammlung ansehen