Das Ziel als Wegweiser: Was Unternehmer von Spitzensportlern lernen können
Was Teams von ihren Führungskräften erwarten
Von Führungskräften wird heute eine klare Idee erwartet, eine Vision, wo der gemeinsame Weg hingehen soll, und auf welche Ziele hingearbeitet werden kann. „Das gilt aber nur, wenn die Vision und die (Zwischen-)Ziele anspruchsvoll, aber auch ansatzweise realistisch (eben SMART: Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminierbar/Überprüfbar) sind“, sagt Dr. Oskar Handow, seit 1999 Geschäftsführer der handowcompany GmbH. Neben seiner Tätigkeit als Sportpsychologe arbeitet er in den Bereichen Personalauswahl und -entwicklung als Coach und Berater für internationale Konzerne. Häufig werden Ziele viel zu hoch angesetzt und verlieren damit jede motivierende Wirkung. Spitzensportlern rät er, sich stets Handlungsziele und keine reinen Ergebnisziele zu setzen. „In der Regel wollen alle Sportler am Ende des Tages ganz oben auf dem Siegertreppchen stehen. Erreichen werden dies aber nur jene, die auch wissen, was sie dafür tun müssen.“
So war es auch bei Matthias Krieger, der schon als Kind Olympiasieger werden wollte. Er hat hart dafür trainiert und betrieb lange Zeit Hochleistungssport. Aufgrund von gesundheitlichen Problemen musste er seinen Traum allerdings bald aufgeben und setzte sich ein neues Ziel: Er wollte, dass sein Unternehmen in Bezug auf Kunden- und Mitarbeiterbegeisterung das beste in Deutschland ist. „Wie im Hochleistungssport braucht es dafür ein motiviertes, eingespieltes und kompetentes Team.“ Seine Erfahrungen aus dem Sport adaptiert er heute auf sein Unternehmen. Der ehemalige Leistungssportler kennt alle Facetten des Bauens und Bauträgergeschäfts seit über drei Jahrzehnten in Theorie und Praxis. 2013 zeichnete die TU München sein Unternehmen als das beste Bauunternehmen Deutschlands aus.
„Wer das Ziel kennt, kann entscheiden; wer entscheidet, findet Ruhe; wer Ruhe findet, ist sicher; wer sicher ist, kann überlegen; wer überlegt, kann verbessern.“ (Konfuzius)
Matthias Krieger war immer bewusst, dass man für seinen Erfolg handeln muss und seine Ziele kennen sollte, „denn nicht der Weg ist das Ziel, sondern das Ziel der Wegweiser.“ Seine Ziele genau zu definieren und zu fokussieren ist für ihn ein großer Schritt auf dem Weg, sie auch zu erreichen. Eine Vision, ein großes Ziel, das auf lange Sicht erreicht werden soll, steht für ihn wie ein Leuchtturm in der Ferne. „Der Weg dorthin lässt sich in kleinere Teilziele zerlegen. Mit ihnen erhält man Orientierungspunkte, an denen man sich festhalten kann - die Ziele als Wegweiser! Jedes erreichte Teilziel motiviert, jedes nicht erreichte Teilziel spornt an.“ Die Teilziele, in festen Zeitrahmen, machen die große Vision messbar. Man sieht ein Teilziel, das in wenigen Monaten erreicht werden soll, und strengt sich an. Der Weg bis zum übergeordneten Ziel ist zuweilen zwar hart und steinig, „doch wer mit Motivation und festem Blick darauf zugeht, hat die besten Chancen es auch zu erreichen!“
Auf die Frage nach dem Geheimnis seines sportlichen Erfolgs hat Henry Maske einmal geantwortet: "Es gibt da kein Geheimnis. Es war viel einfacher: Ich habe in all den Jahren nie das Ziel aus den Augen verloren. Wer ein klares Ziel hat, der kann immer noch stolpern, aber er stolpert nicht so schnell wie andere. Das ist vielleicht die wichtigste Erfahrung, die ich in meiner Karriere gemacht habe. Mein Ziel hat mich immer motiviert, und diese Motivation hat ungeheure Energien freigesetzt.“ Diesen Ansatz vermittelt Oskar Handow auch in seinen Kommentaren zum Buch von Werner Schuster: „ABHEBEN. Von der Kunst, ein Team zu beflügeln“. Dabei geht es u. a. um folgende Fragen: Was macht ein Team am Ende erfolgreich? Welche Rolle spielen die Vision und ein gemeinsames Ziel? Eine der wichtigsten Botschaften ist, sich nicht entmutigen zu lassen und seine Ziele im Auge behalten: „Nicht immer werden die definierten Ziele auch erreicht, doch wer ein klares Ziel hat, dem fällt es auch leichter, Kurven und Abzweigungen oder kleine Umwege zu gehen und sie zu erfolgreichen Teilstrecken zu machen.“ Belegt wird dies am Beispiel der Karriere von Werner Schuster, der 1969 in Oberstdorf geboren wurde.
Werner Schusters erstes großes Ziel im Leben war es, Skispringer zu werden.
„Mein Vater, ein Mann der Tat, baute mithilfe seines großzügigen Partners, eines Hoteliers, eine richtige Skisprungschanze. In kürzester Zeit waren eine Gruppe von mehr als 15 Kindern, die von meinem Vater, früher selber Skispringer, alle mitbetreut wurden. Wir nahmen an Wettkämpfen in Österreich, Deutschland und der Schweiz teil.“ Eigentlich hatte er nie einen klaren Plan, was er außer dem Skispringen beruflich tun wollte. Lehrer zu werden schien ihm eine gute Basisausbildung. Während und nach seiner eigenen Karriere als Skispringer studierte er an der Universität Innsbruck Sportwissenschaften und Psychologie.
Ein Professor fragte ihn später, was denn sein Ziel sei als Trainer. Darüber hatte er bis dahin noch nie tiefer nachgedacht. Er war sich anfangs nicht einmal im Klaren, ob er überhaupt Trainer werden wollte. Seine Trainerkarriere begann er schließlich am Schigymnasium Stams, wo er Gregor Schlierenzauer auf seinem Weg an die Weltspitze begleitete. Nach einem Jahr als Cheftrainer der Schweizer Skispringer übernahm er 2008 die zu dem Zeitpunkt wenig erfolgreiche deutsche Herrennationalmannschaft der Skispringer. In seinen zwölf Jahren als Bundestrainer führte er die deutschen Skispringer zurück an die Spitze mit 37 Weltcupsiegen von 5 verschiedenen Athleten, 5 Olympiamedaillen, davon 2 in Gold, und 14 WM-Medaillen, davon 4 in Gold. Das Motto sein, das ihn über Jahre begleitete, lautete:
„Profiliere deinen Athleten und nicht dich selbst.“
Sporttraining hatte für ihn unter anderem den Zweck, die Fähigkeit zu erwerben, tote Punkte und Leistungseinbrüche (Grenzen) zu überwinden. Er war sich stets im Klaren: „Um Ziele zu erreichen, muss man immer wieder abwägen und filtern, und für mich ist es wichtig, dass ich mir dabei treu bleibe.“ Dazu gehört auch zu sagen, was man denkt und dabei dennoch immer empathisch zu bleiben. Das kann zuweilen unbequem sein und als hart empfunden werden, ist für den sportlichen Prozess und die persönliche Entwicklung aber unabdingbar. Wichtig ist zu erspüren, wann es welche Dosierung braucht. SKI hieß für ihn deshalb auch immer: Struktur – Kommunikation – Inhalt. Das verbindende Element (die Kommunikation) steht im Fokus allen Handelns.
Weiterführende Literatur:
Werner Schuster: ABHEBEN. Von der Kunst, ein Team zu beflügeln. Ecowin Verlag. Münchenm Salzburg 2021.
Matthias Krieger: Die Lösung bist Du! Was uns wirklich voranbringt. BusinessVillage Verlag, Göttingen 2011.
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.