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David Bowie: Antiheld und Superstar

Egon Schiele als Referenzfigur für David Bowie

„Ich bin Mensch, ich liebe den Tod und liebe das Leben“, schrieb der österreichische Maler Egon Schiele. Seine Modelle sind häufig ausgezehrt, klapperdürr und kränklich, spreizen die Beine und liegen mit deutlich sichtbaren Genitalien am Boden. Sein Werk umgibt eine düstere Todessymbolik: Im Oktober 1918 stirbt seine schwangere Frau Edith. Drei Tage später folgt er ihr nach: „Der Krieg ist aus - und ich muß gehn - meine Gemälde sollen in allen Museen der Welt gezeigt werden“, soll er geflüstert haben, bevor er früh(vollendet) mit 28 Jahren an der Spanischen Grippe starb. Er hinterließ mehrere tausend Bilder und Zeichnungen.

Nach seinem Tod geriet Schiele in der Kunstwelt eine Zeit lang in Vergessenheit, mittlerweile erzielen seine Bilder Höchstpreise. Auch Madonna ist eine Sammlerin seiner Werke, die Generationen von Künstlerinnen und Künstlern beeinflusst haben - von Günter Brus, Francis Bacon bis Tracey Emin. Schieles Leben wurde mehrfach verfilmt, seine Kunstwerke inspirierten auch Popstars wie David Bowie, der 2016 an Krebs starb. Das Plattencover seines Studioalbum „Heroes“ von 1977 zeigt ein Werk Egon Schieles. In einem Filmvorhaben von David Hemmings sollte Bowie sogar den Maler spielen. Die Filmbiografie wurde allerdings nie umgesetzt.

Schieles Mimik und Gestik findet sich bei David Bowie durchgehend auch in seinen Videos – bis zum Schluss. In einer seiner letzten E-Mails an seinen Wegbegleiter Brian Eno, mit dem er seit seiner Berliner Zeit an verschiedenen Alben gearbeitet hat, schrieb er wenige Tage vor seinem Tod: "Danke für unsere guten Zeiten, Brian, sie werden niemals vergehen." Gezeichnet: "Dawn" (Dämmerung). Bowie wollte sich damit verabschieden. Auch sein letztes Album „Blackstar“ enthält eine Vielzahl kryptischer Anspielungen auf den Tod, ebenso das Video dazu, in dem er wie eine Schiele-Figur buchstäblich am Ende ist.

Bowies Biograph Leigh vermutet, dass er seinen Todeszeitpunkt inszenieren wollte. Das rohe Material der Wirklichkeit war für ihn und Schiele eine Voraussetzung, um Kunstwerke hervorzubringen. Der Österreicher schockierte seine Zeitgenossen mit seiner befreiten Sicht auf den nackten Körper und die Sexualität. Wie Bowie war er ein Ästhet der Verwandlung mit einem „technisches Blick“, der eine Bedingung für seine künstlerische Meisterschaft war.

Sechs Kilo Schiele

Kunst sollte für Bowie nicht elitär sein. Das gilt auch für Kunstbücher, die die Künstler ihrer Zeit heute erlebbar machen. Das ist auch der Anspruch von Tobias G. Natter. Der international geschätzte Fachmann für die Kunst in Wien um 1900 gründete 2014 das Unternehmen Natter Fine Arts, das sich auf die Schätzung von Kunstwerken und der Entwicklung von Ausstellungen spezialisiert hat. Zum 100. Todestag von Egon Schiele gab der Taschen Verlag den Bildband „Egon Schiele. Sämtliche Gemälde 1909-1918“ heraus. Für sechs Kilogramm Schiele muss ein durchschnittlicher Schreibtisch erst leergeräumt werden – dieses Kunst- und Lebensbuch ist nicht für die Lektüre zwischendurch bestimmt. Doch wer sich dafür Zeit nimmt, erkennt sofort, dass es auch viel mit unserer Gegenwart zu tun hat, in der die Meister sterben, wenn ihr Werk vollendet ist.

Weiterführende Literatur:

Tobias G. Natter (Hg.): Egon Schiele. Sämtliche Gemälde 1909-1918. TASCHEN Verlag, Köln 2017.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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