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Containerverladung bei DB Cargo: Der Bahn-Tochter droht die Zerschlagung. - Foto: dpa
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DB Cargo am Abgrund: Ohne Finanzzusage droht das Schicksal der SNCF

Das vorzeitige Ende der Ampelregierung triff die Deutsche Bahn zur Unzeit. Schlimmstenfalls droht der Konzerntochter DB Cargo jetzt die Zerschlagung.

Berlin. Bis zum Mittwochabend schien die Rettung des hochdefizitären DB-Schienengüterverkehrs auf gutem Weg. Ein Ende des strengen EU-Beihilfeverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland, bei dem Brüssel wegen wettbewerbswidriger Subventionen mit der Zerschlagung der Bahn-Tochter DB Cargo droht, geriet in greifbare Nähe.

Ermöglicht hatte dies ein Sanierungskonzept für Europas größten Schienentransporteur, das DB-Güterverkehrschefin Sigrid Nikutta zuvor in Brüssel eingereicht hatte. Funktionieren sollte es vor allem deshalb, so die Hoffnungen im Berliner Bahntower, weil die Bundesregierung sämtlichen aus Einzelwaggons zusammengestellten Zügen zusätzliche finanzielle Hilfen in dreistelliger Millionenhöhe versprochen hatte. Der sogenannte Einzelwagenverkehr macht gut ein Drittel des Geschäfts von DB Cargo aus, gilt aber als ihr wesentlicher Verlustbringer.

Diese Form der Staatshilfe hätte Brüssel in jedem Fall durchgewunken, versicherte Katrin Obst von der Generaldirektion Europäischer Schienenverkehr vergangene Woche auf dem Deutschen Verkehrsforum in Berlin. „Die EU-Kommission ist grundsätzlich nicht gegen die Subventionierung des Einzelwagenverkehrs“, sagte sie. Schließlich besitze er Umweltvorteile gegenüber dem Lkw-Verkehr.

So kommt das Aus der Berliner RegierungskoalitionH+, die bis heute keinen Haushaltsplan für 2025 verabschiedet hat, für die Bahn zur Unzeit. Die damit ausbleibende Finanzzusage lässt abermals die Gefahr wachsen, dass DB Cargo das EU-Verfahren in ihrer heutigen Form als Bahn-Tochter nicht überlebt.

Warnendes Beispiel SNCF

„Am Ende könnte es so kommen wie zuvor schon beim Güterverkehr der französischen Staatsbahn SNCF“, warnte DB-Cargo-Finanzchefin Martina Niemann in Berlin gegenüber dem Handelsblatt. Auf Drängen der EU-Kommission musste sich der Pariser Staatskonzern kürzlich von großen Teilen seiner Tochter SNCF Fret trennen,H+ der Prozess glich einer Zerschlagung.

Lokomotive von SNCF-Fret: Der französische Staatskonzern musste sich von weiten Teilen seiner Tochter trennen. - Foto: imago images/Hans Lucas
Lokomotive von SNCF-Fret: Der französische Staatskonzern musste sich von weiten Teilen seiner Tochter trennen. - Foto: imago images/Hans Lucas

Die Sorge, dass es nun auch den deutschen Staatskonzern trifft, erweist sich als berechtigt. Ihm nämlich läuft bei den Prüfungen in Brüssel die Zeit davon. Spätestens vor dem Wechsel der EU-Kommission im Dezember will Brüssel in der Causa DB Cargo ein abschließendes Urteil fällen. Doch ohne eine bindende Haushaltszusage für den Einzelwagenverkehr, die es nun wegen des Koalitionsbruchs in absehbarer Zeit nicht geben wird, fehlt Nikuttas Plan der wichtigste Baustein.

Die Lage für DB Cargo ist verzwickt. Weil Wettbewerber im Schienengüterverkehr dagegen klagten, dass die marktbeherrschende Bahn-Tochter über den DB-Konzern indirekt vom Staat subventioniert wird, verpasste Brüssel Deutschlands größter Güterbahn einen umfangreichen Forderungskatalog.

So will EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager der Deutschen Bahn untersagen, ihren Schienengüterverkehr aus Wettbewerbsgründen weiterhin zu subventionieren. Da die Konzerntochter seit Jahren Verluste in dreistelliger Millionenhöhe einfährt – im ersten Halbjahr 2024 waren es 261 Millionen Euro –, steht die weitere Finanzierung ohne Hilfe aus der Bundeskasse damit auf der Kippe.

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DB Cargo muss nachhaltig profitabel werden

Bereits ab 2026 müsse DB Cargo operativ schwarze Zahlen schreiben, berichtet Finanzchefin Niemann aus den Verhandlungen in Brüssel. „Und das nachhaltig“, fügt sie hinzu. Das Problem dabei: Zwar sind die Hilfsgelder für den deutschen Einzelwagenverkehr – von den vereinbarten 300 Millionen Euro kassiert DB Cargo voraussichtlich 80 bis 90 Prozent – im Haushalt 2024 fest eingeplant. Ob es aber auch 2025 und danach so bleibt, ist seit dem Ampel-Aus wieder völlig offen.

Was die Lage für DB Cargo kaum erleichtert: Auch die günstige Finanzierung über den DB-Konzern will Brüssel unterbinden. „Unser Zinssatz steigt damit auf die Höhe vergleichbarer Unternehmen“, berichtet Niemann. „Das wird damit nun richtig teuer.“

Schon jetzt kündigt Güterverkehrschefin Nikutta deshalb als Sparmaßnahme den Abbau von 2300 Stellen in ihrem Geschäftsbereich an. Ob dies reichen wird, bezweifeln aber selbst Arbeitnehmervertreter wie der Eisenbahner-Gewerkschaftschef Martin Burkert. Zumal die von der Konzernschwester InfraGO kassierte Schienenmaut Jahr für Jahr ein immer tieferes Loch in die Bilanzen von DB Cargo reißt.

Allein im kommenden Jahr geht es mit den sogenannten Trassenpreisen für den Schienengüterverkehr um 16,2 Prozent nach oben. Und ein weiterer Preisanstieg ist bereits in Sicht. So will sich der Bund seine Eigenkapitalhilfe für die Deutsche Bahn, die bis 2026 eine Höhe von 21 Milliarden Euro erreichen soll, verzinsen lassen. Zwar reduzierte er den ursprünglich anvisierten Zinssatz zuletzt von 5,9 auf 2,3 Prozent – die Finanzierungskosten für InfraGO steigen damit aber 2026 trotzdem weiter.

DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta: Ab 2026 in den schwarzen Zahlen? - Foto: IMAGO/Future Image
DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta: Ab 2026 in den schwarzen Zahlen? - Foto: IMAGO/Future Image

Um den Güterverkehr zu schonen und die Kostensteigerung dort auf 8,5 Prozent im Jahr 2026 zu begrenzen, bemüht InfraGO inzwischen sogar die Gerichte. Weisen sie dessen Klage gegen die Bundesnetzagentur zurück – den Fall verwies das Kölner Oberverwaltungsgericht vergangene Woche an den Europäischen Gerichtshof –, klettert die Schienenmaut 2026 deutlich kräftiger.

Bislang nämlich darf der Gleisbetreiber InfraGO laut Gesetz von seinen Nahverkehrskunden lediglich einen jährlichen Preisaufschlag von maximal drei Prozent verlangen. „Den restlichen Kostenanstieg müssen Güterverkehr und Fernverkehr mit überproportionalen Aufschlägen ausgleichen“, erläutert InfraGO-Vertriebsleiterin Miriam Grafflage. „Wenn wir dieses System beibehalten“, warnt InfraGO-Chef Philipp Nagl, „bringen wir irgendwann den Güterverkehr und Fernverkehr um.“

Die dringend benötigte Kostenentlastung soll als Hoffnungsträger nun die Digitalisierung bringen. So verabredeten die EU-Staaten Ende September auf der Berliner Schienenverkehrsmesse Innotrans, Waggons und Lokomotiven in sechs bis acht Jahren flächendeckend mit der sogenannten Digitalen Automatischen Kupplung auszurüsten.

Das seit Jahren entwickelte System soll Informationen über Verschleiß, Energieverbrauch und Fahrdynamik online übertragen, aber auch das Zusammenstellen von Zügen wesentlich erleichtern. „Wir hätten daran ein großes Interesse“, bekunden Branchenexperten wie Armin Riedl, Chef des Münchener Zuganbieters Lokomotion Rail. Man wisse aber immer noch nicht, wie der Standard am Ende aussehe.

Hinzu kommen die immensen Kosten für die Umrüstung der 400.000 europäischen Güterwaggons und 20.000 Lokomotiven. Aktuell liegen die Schätzungen zwischen elf und 13 Milliarden Euro. Wer sie zu tragen hat, ist bislang offen.

Im Bundesverkehrsministerium gibt man sich von all den Querelen überraschend unbeeindruckt. „Wir haben immer noch das Ziel vor Augen“, sagte die für den Eisenbahnverkehr verantwortliche Abteilungsleiterin Corinna Salander vergangenen Mittwoch in Berlin, „bis 2030 den Anteil der Schiene am deutschen Transportaufkommen von 18 auf 25 Prozent zu steigern.“

An dem unteren Wert, den das Ministerium für 2019 ermittelte, hat sich bis heute allerdings kaum etwas geändert.

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