„Dem Leben ein Augenzwinkern oder ein humoristisches Moment abtrotzen“
Ende 2021 ist Merkel aus ihrem Amt als Bundeskanzlerin ausgeschieden, und sie hätte in diesem Jahr sicher einen Platz im Singspiel am Nockherberg gehabt, das aber zum 2. Mal in Folge pandemiebedingt nicht stattgefunden hat. 2022 hätte ich schon nicht mehr Merkel, sondern Annalena Baerbock gespielt, dieser Nockherberg wurde aber wegen des Ukraine-Kriegs abgesagt. Insofern gab es bis dato keinen Merkel Abschied am Nockherberg und ich bin dankbar, dass wir das jetzt nachholen konnten. Es hat einfach thematisch gepasst und war für mich und meine Merkel-Figur ein „Wohlfühlermin“.
Als Parodistin halte ich immer Ausschau nach neuen Figuren und habe in all den 20 Jahren Parodieerfahrung einen Seismographen dafür entwickelt, welche politische Figur eine größere Rolle spielen könnte und welche Figur dann auch längerfristig einsetzbar ist und nicht schnell wieder von der politischen Bühne verschwindet. Annalena Baerbock ist für mich die Frau der Stunde, aber aktuell spiele ich auch Franziska Giffey unheimlich gern.
Das war im Schulbus in der 5. Klasse. Ich muss ca. zehn Jahre alt gewesen sein. Meine Freundinnen und ich haben damals alle Hape Kerkelings Erstlingswerke „Hannilein & Co“ und „Erwarten se nix" auf Kassette hoch und runter gehört und uns dann morgens auf der Fahrt zur Schule seine besten Nummern kichernd nacherzählt. Einige davon wie „Mau Mau“ kann ich heute noch. Einmal waren wir alle gemeinsam in einer Show von Hape und sind danach noch zu ihm auf die Bühne gegangen, um uns Autogramme abzuholen. Meine Freundinnen zwangen mich regelrecht, mich an den Flügel zu setzen und Hape sein eigenes Lied „Depressionen“ vorzuspielen. Er amüsierte sich köstlich und rief immer wieder belustigt und anerkennend in seiner Hannilein Figur: „Die spielt mein Lied! Die spielt mein Lied!“. Dieses Erlebnis hat sich tief eingebrannt.
Das war 2003, als ich als junge Schauspielerin in einer Sinnkrise steckte und sich ziemlich unerwartet meine innere Stimme meldete, die mir einflüsterte „Kümmere dich um Angela Merkel“. Das war zugegeben ein schräger Moment, aber es hat sich einfach richtig angefühlt, und ich bin dann ziemlich schnell auf die Idee gekommen, Angela Merkel zu parodieren. Damals lief sehr erfolgreich „Die Gerd-Show“ morgens im Radio, ein Parodie-Format auf den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, und da wusste ich dann schnell: Das kann ich auch, das will ich auch machen. Angela Merkel war damals CDU-Vorsitzende, aber die Kanzlerschaft war noch nicht wirklich absehbar. Als sie dann 2005 tatsächlich zur Kanzlerin gewählt wurde, war ich gut vorbereitet, konnte gleich voll loslegen und wurde in diverse TV- und Radio-Formate eingeladen. Das war toll.
Ganz schlicht - der Alltag. Jeden Tag eine Figur zu sprechen, bringt die Routine. Gut ist, wenn man einen neuen Text bekommt und nicht darüber nachdenken muss, wie die Figur ihn spricht, sondern es einfach organisch aus einem herausfließt. Ich höre schönerweise innerlich beim Lesen, wie das Original den Text sprechen würde.
Das ist sehr unterschiedlich. Manche Figuren sind so prägnant, die sind sehr schnell herzustellen, wie zum Beispiel Désirée Nick. Die war 2004 im Dschungelcamp und ging als Dschungelkönigin dieser Staffel hervor. Es war gar nicht mein Plan, sie zu parodieren, aber nach zehn Tagen regelmässiger Dauerbeschallung konnte ich sie einfach. Das ist der Idealfall. Ich streife die Figuren ehrlicherweise nicht bewusst wieder ab, da bin ich etwas nachlässig. Sobald die Maske runter und das Kostüm wieder ausgezogen, das Mikro nicht mehr scharf geschaltet ist, bin ich dann auch immer sehr dankbar, wieder Antonia sein zu dürfen. Auch parodiere ich im privaten Rahmen so gut wie gar nicht. Meine absolute Lieblingsfigur war immer Angela Merkel. Sie war die erste und ich habe zu ihr ein ganz besonderes Verhältnis, weil ich in den 20 Jahren Parodie so viel mit ihr erlebt habe. Da ist eine Annalena Baerbock, die ich seit 2,5 Jahren im Programm habe, noch relativ frisch, obwohl die mir auch unheimlich Spaß macht, auch gerade weil sie so anders als Angela Merkel ist. Das ist auch erfrischend. Ich spiele auch Franziska Giffey, Sahra Wagenknecht, Saskia Esken und Ursula von der Leyen unheimlich gerne. AKK war auch immer toll - aber die ist ja leider weg. Man muss immer wach bleiben und nachjustieren.
Zweifeln gehört absolut dazu. Wenn ich nicht gewisse Zweifel an meinen Darstellungen hätte, und die sind absolut berechtigt, weil man den Ton eh nie ganz genau trifft, würde mir wahrscheinlich die richtige Spannung für die Figur fehlen. Ich werde ja immer bedingungslos am Original gemessen. Zu viele Zweifel sind allerdings auch nicht gut, weil sie dann in Angst umschlagen und gegebenenfalls das Spiel blockieren. Mein Tanz ist immer der zwischen Zweifel und Lust.
Als Angela Merkel war ich gerade im Singspiel „Gestrandet“ auf dem Nockherberg zu sehen, mit diversen Parodie-Figuren (Marlene Lufen, Sonja Zietlow, Judith Williams u.v.m.) bin ich auch bei "Binge Reloaded" auf Amazon Prime und in diversen Figuren in der Sketchcomedy-Serie „Fraueng`schichten“ neben Angela Ascher zu sehen.
Lachen bringt uns einfach einen kurzen Moment der eruptiven Erlösung und hilft uns danach, auch etwas gestärkt durch unangenehme und fordernde Großwetterlagen durchzugehen. Außerdem erzeugt gemeinsames Lachen ein Gruppengefühl und Verbundenheit. Ich versuche grundsätzlich, dem Leben ein Augenzwinkern oder ein humoristisches Moment abzutrotzen. Es gelingt natürlich nicht immer …
Ich bin zugegebenermaßen schon ein großer Kopfmensch, der alles durchdenken und durchdringen möchte, aber ich habe gelernt, dass auf mein erstes Bauchgefühl bei großen Entscheidungen mehr Verlass ist, und der Kopf mich eher hindert, eindeutige und kluge Entscheidungen zu treffen. Sobald die Entscheidung aus dem Bauch getroffen ist, darf der Kopf dann auch wieder mitarbeiten. Unbedingt sogar.
Ich verbringe sehr viel Zeit in Ruhe nur mit mir. Ich setze mich planlos ans Klavier, oder die Gitarre, gehe viel spazieren, oder joggen, bin im Wald, in der Natur und laufe einfach so durch die Gegend und durchs Leben.
Antonia von Romatowski wurde 1976 in Göttingen geboren, ist ausgebildete Schauspielerin und hat sich aber vor allem durch ihre Parodien im Radio und TV einen Namen gemacht. Zu ihrem Repertoire gehören Angela Merkel, Annalena Baerbock, Ursula von der Leyen, Annegret Kramp-Karrenbauer, Franziska Giffey, Sahra Wagenknecht, aber auch Greta Thunberg, Heidi Klum, Helene Fischer, Dunja Hayali, Judith Williams, Anne Will, Désirée Nick, Verona Pooth und Nadja Ab del Farrag, denen sie beiden 2006 im Kino „Dieter - der Film“ ihre Stimme lieh. Bekannt ist sie außerdem durch zahlreiche TV-Auftritte (z. B. Verstehen Sie Spaß, Neues aus der Anstalt, Der satirische Jahresrückblick, BR-Schlachthof, Der ZDF-Fernsehgarten, Ucho Prezesa, Fraueng`schichten, Die RTL Comedy Nacht, Talk im Tudio, Der heiße Brei, Satire Deluxe und als festes Ensemblemitglied der Satiresendung „NDR Intensiv-Station“. 2016 gründete von Romatowski das Plattenlabel 22MUSIC, bei dem im Frühjahr 2017 ihr erstes Musikalbum „Elefant im Raum“ erschien. 2020 veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Digitha Lia die treibende Single „Dauerlauf“.