Der Arbeitsplatz - Ursache für mentale Ungesundheit?!
Die Zahlen rund um Depressionen steigen, Fehltage bei der Arbeit werden immer häufiger und Therapieplätze sind immer schwerer zu finden. Ein Grund dafür: Die Arbeit. Was wir dagegen tun können, beschreibe ich in diesem Artikel.
2022 war das schlimmste Jahr, das ich je erlebt habe:
Ich habe gegründet, meinen Podcast gestartet, habe das erste Mal einen Vortrag gehalten, regelmäßig eine eigene Kolumne verfasst und noch vieles mehr.
Doch gleichzeitig ging es mir so schlecht wie noch nie.
Mitte des Jahres ging ich zum Arzt. Mir fehlte der Drive, die Lust auf Neues, meine Frohnatur und Leichtigkeit.
Verdacht auf Burnout stand auf der Überweisung und eine Therapie wurde mir empfohlen.
Ich? Eine Therapie?
Ein junges Mädel aus guten Verhältnissen, die einen Partner an ihrer Seite und großartig keine Probleme hat?
Das dachte man, wenn man mir das erste Mal begegnete.
Doch, was Menschen merkten, die mich besser kannten:
Ich konnte keine Emotionen zeigen, meine Arbeit war mein Hobby, ich habe es allen Menschen recht gemacht und mich selbst dabei vergessen.
Als ich dann endlich den Mut fasste, einen Therapieplatz zu suchen, ging es relativ schnell. Ich bekam nach einem Monat einen Platz, was nicht normal ist.
Laut dem Deutschen Bundestag liegt die Wartezeit auf einen Therapieplatz bei 3-9 Monaten.
Mir ging’s noch schlechter: Die Oberfläche wurde angekratzt und wie eine Zwiebel wurde jede Lage meines harten Kerns von meiner Therapeutin heruntergerissen.
Ich erhielt die Diagnose Depression und um wieder auf Kurs zu kommen, musste ich erstmal ganz tief in mich hinein horchen. So tief, dass es weh tat!
Und so wie mir geht es vielen Menschen:
Laut der Welt Gesundheitsorganisation sind die Zahlen von Menschen mit Depression um 25% gestiegen.
Und laut dem Bundesministerium für Gesundheit leidet fast jede:r dritte Deutsche im Laufe seines oder ihres Lebens an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung.
Mich wundern diese Zahlen nicht, wenn man bedenkt, womit wir immer mehr zu kämpfen haben:
Krieg, Pandemie, eine ungewisse Zukunft, Inflation, schnelle Entwicklungen, an die wir uns anpassen müssen (wie bspw. KI) und die Sinnsuche.
Ja, das Konzept von New Work wurde durch die Pandemie befeuert und somit auch die Suche nach dem Sinn des Lebens in der Arbeit.
Und das betrifft nicht nur die Generation Z, sondern auch ältere Personen.
Außerdem haben wir nie gelernt, wie wir mental gesund bleiben oder werden. Es gibt schließlich kein Schulfach darüber und auch beim Arbeitsplatz wird nur in Ausnahmen dahingehend geschult.
Die Auswirkungen von psychischer Belastung am Arbeitsplatz sind dann:
Gereiztheit, Unruhe, Angespanntheit, Rückzug, Abgrenzung vom Team
Und ein ganz wichtiger Punkt: Die Anwesenheit geht zurück.
Laut dem Bundesministerium für Gesundheit gehen rund 15 Prozent der Fehltage bei den Berufstätigen auf Erkrankungen der Psyche zurück.
Aber wodurch kommt es, dass Mitarbeitende sich durch die Arbeit belastet fühlen und auch psychische Krankheiten entstehen?
Zeitdruck, ständige Erreichbarkeit, schlechte Arbeitsorganisation, Personalmangel, starre Arbeitszeiten oder Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes sind laut dem Ministerium für Arbeit und Soziales NRW Auslöser für psychischen Druck.
Und jetzt spielen wir das Spiel mal durch: Fühlt sich nur eine Person am Arbeitsplatz einem dieser Auslöser ausgesetzt, kann das zu psychischer Belastung führen. Wie wir eben gelernt haben, fehlt die Person dann vielleicht auch mehr bei der Arbeit und Kolleg:innen müssen die Arbeit auffangen. Diese Personen fühlen sich durch die Mehrbelastung überfordert, werden unzufrieden und fallen vermutlich ebenfalls in die sogenannte psychische Abwärtsspirale. Und dann geht das ganze Spiel wieder von vorne los.
Also, um es runterzubrechen: Psychische Belastung am Arbeitsplatz ist scheiße!
Doch wir brauchen die Arbeit nun mal, um Geld zu verdienen, uns und unsere Familien zu ernähren und wie ich als New Work Liebhaberin predigen würde, sich selbstzuverwirklichen.
Wie beugen wir dieser psychischen Belastung also vor oder kommen auch wieder aus ihr raus, wenn’s schon zu spät ist?
Eine Antwort: Es gibt tolle Angebote, die Unternehmen einfach nur kaufen müssen und dann beschäftigen sich andere mit den Problemen der Mitarbeitenden. Bspw. Plattformen für mentales Wohlbefinden.
Und ganz wichtig: Die Führungskräfte sind Vorbilder.
Das sind meistens diejenigen, die im Gedächtnis bleiben und uns prägen. Egal, ob positiv oder negativ. Kenne ich selbst!
Und sie sind ein ganz wichtiger Schlüssel. Also, wenn ihr als Personaler:innen jetzt denkt: Wir müssen unsere Unternehmensgesundheit steigern. Dann sucht euch nicht einfach nur externe Dienstleistende, die euch tolle Angebote machen, sondern arbeitet an euch als Unternehmen und bezieht die Führungskräfte mit ein.
Macht Mitarbeitendenumfragen, hört ihnen zu. Wo ist Optimierungspotenzial? Was können wir ändern? Was wünschen sich unsere Leute?
Ich finde, es gibt nichts Schlimmeres bei diesem Thema, als wenn Unternehmen sagen: Wir müssen was ändern aber das nicht gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden erarbeiten.
Von oben herab ist schon lange nicht mehr im Trend!
Also bindet eure Mitarbeitenden an euer Unternehmen, denn eine hohe Bindung sorgt laut dem Gallup Engagement Index für Weiterempfehlung, verhindert Burnout und stärkt die kognitive Leistungsfähigkeit.
Ich persönlich bin mittlerweile auf einem guten Weg der Besserung. Meine Therapie ist beendet, ich weiß, wie ich mich aus Situationen raushole, die depressive Phasen hervorrufen können UND ich übe. Üben, üben, üben - das bedeutet mentale Gesundheit auch. Es ist wie eine neue Sprache, die ihr lernt. Das klappt nicht von heute auf morgen. Das bedarf ganz viel Übung. Und mentale Gesundheit ist eine neue Sprache von euch für euch und auch von euch zu anderen.
All das, was ich grade tue, macht mir enorm viel Spaß: Durch den Podcast lerne ich viel von anderen Menschen und lerne tolle Persönlichkeiten kennen, als Speakerin darf ich auf der Bühne stehen und euch inspirieren und mit meinem am 26.04. erscheinenden Buch "New Work - Wie arbeiten wir in Zukunft?" übersetze ich das komplexe Konzept in alle Branchen.
Fazit: Unsere Gesundheit hängt auch von unserer Arbeit ab, und in einer Welt, in der immer mehr Menschen mentale Probleme haben, sehe ich die Unternehmen in der Verantwortung, vorsorgende Maßnahmen zu ergreifen.