Der Kampf gegen den Kunststoffmüll
Plastikmüll in den Meeren und Mikroplastik in der Nahrungskette gehören zu den großen Umweltproblemen, deren Folgen erst allmählich klar werden. Der Kampf gegen steigende Plastikmengen scheint fast aussichtslos. Doch es gibt Ansätze: beim Recycling, bei der Vermeidung von Verpackungsmüll und bei Ersatzmaterialien, die verrott- oder kompostierbar sind.
Es ist eine Plage, für manche ein Mahnmal der ökoradikalen Bevormundung. Per EU-Verordnung hängt der Kunststoffverschluss nach dem Abdrehen mit einem Plastiksteg an der Kunststoffflasche fest. Diese Zumutung – seit 2024 verpflichtend, seit 2022 schon großflächig umgesetzt – ist ein offenbar unerschöpfliches Gesprächsthema.
Nun zur anderen Seite: 414 Millionen Tonnen Plastik wurden im Jahr 2023 weltweit produziert. Das meiste davon landet über kurz oder etwas länger im Meer. Für 2023 schwanken die Schätzungen zwischen 10 und 20 Millionen Tonnen. Etwa 40 Prozent davon waren Verpackungen, und bei den Ursprüngen – das belegen systematische Auswertungen – liegen die Softdrinkfirmen Pepsico und Coca-Cola weit vorn.
Milliarden Verschlüsse ergeben ein großes Problem
Gut, wenn die Verschlüsse – davon fallen jährlich viele Milliarden an – noch dranhingen, dann sind sie in Europa womöglich dem Recycling zugeführt worden. „Verschlüsse sind ein großes Problem“, sagt Kurt Schüler, Geschäftsführer des auf die Verpackungsindustrie spezialisierten Marktforschungsunternehmens GVM. Tatsächlich sind die „Tethered Caps“, wie sie in der Fachsprache heißen, ein schönes Beispiel für eine keineswegs triviale Innovation.
Dabei sind die unbequemen Deckel nur ein kleiner Ausschnitt eines globalen Problems. Die Plastikfluten schwellen weltweit – wenn auch nicht in Deutschland – ungebremst an. Auch hierzulande hat sich der Verbrauch von Einweg-Plastikverpackungen nur in etwa auf hohem Niveau stabilisiert. Erst 2022 begann ein merklicher Rückgang. Doch weltweit gehen die Zahlen hoch: Nach Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geht es bald Richtung 500 Millionen Tonnen. Und ein Abkommen zur Reduktion ist bei einer UN-Konferenz im Dezember 2024 am Widerstand der erdöl-produzierenden Länder, die den Rohstoff liefern, gescheitert – wie schon bei mehreren Anläufen zuvor.
Recycling, eine große Lüge?
Ein Essay in der „New York Times“ war kürzlich so überschrieben: „Was Ihnen über Recycling erzählt wird, ist eine Lüge“. Der Autor Alexander Clapp hat die globalen Müllströme verfolgt, die überwiegend in armen Ländern enden und auf ihrem Weg vorher Profite und organisierte Kriminalität mit sich gezogen haben. Recycling ist, global gesehen, ein löblicher Luxus der reicheren Länder – laut OECD werden nur 9 Prozent der weltweiten Mengen so verwertet. In Europa nimmt man es immerhin so ernst, dass festgelegte EU-Mindestquoten für recycelten Kunststoff in einigen Jahren sogar für einen Mangel an Material führen könnten.
Doch viele Millionen Tonnen landen in armen asiatischen Ländern und gelangen über Flüsse in die Weltmeere und in die Nahrungskette, zerschreddert zu immer kleineren Partikeln, die schließlich zu Mikroplastik (Teile unter 5 mm) werden. Die Folgen aus ökologischer und gesundheitlicher Sicht kommen erst nach und nach in den Blick.
Nicht jeder Verzicht ist ein Gewinn
Allerdings ist nicht jeder Verzicht auf Plastik in der ökologischen Bilanz ein Gewinn – Verpackung dient nicht nur der Bequemlichkeit, sondern auch der Haltbarkeit. Ein verdorbenes Lebensmittel hat einen größeren ökologischen Fußabdruck als seine Verpackung. Paradebeispiel ist die in Folie eingeschweißte Salatgurke, in Frankreich seit einigen Jahren verboten und bei uns auf dem Rückzug. Der Preis dafür sind mehr weggeworfene Gurken – umso wichtiger, dass die wirklich notwendigen Verpackungen bald nachhaltig und abbaubar sein können.
Dafür gibt es spannende Ansätze, die von Start-ups, aber auch von den großen Konzernen verfolgt werden:
Biologisch abbaubare Folien: Aus nachwachsenden Rohstoffen (Stärke, Zellulose) haltbare Folien herzustellen, ist eine extrem komplexe Aufgabe. Fachleute sehen hier ein großes Potenzial. Bislang angebotene Folien brauchen zu lange, um kompostiert zu werden, und sind deshalb im Bio-Abfall nicht erwünscht.
Wasserfestes Bio-Papier: Das klingt weniger spektakulär, ist aber im Hinblick auf die benötigten Mengen für „nasse“ Lebensmittel („Convenience Food“) wohl der wichtigste Ansatz. Entscheidend ist, eine für Lebensmittel unbedenkliche und zugleich biologisch abbaubare Oberfläche zu erreichen.
3D-Druck: Ingenieure arbeiten daran, aus Pflanzenfasern (zum Beispiel Zellulose) eine „Bio-Tinte“ zu entwickeln, die für 3D-Drucker geeignet ist. Dann lassen sich beliebig geformte, stabile Verpackungen herstellen, die kompostierbar sind. Das Potenzial für das Einsparen von Plastik ist enorm.
Pilze statt Styropor: Das Myzel (Wurzelsystem) von Pilzen lässt sich zu stabilen Behältnissen verarbeiten, die das energieaufwendige und kaum abbaubare Styropor ersetzen könnten.
Die größte Wirkung wäre aber in jenen Länder zu erzielen, die Endpunkte des Mülltourismus sind und Hilfe bei der Infrastruktur brauchen. Marktforscher Kurt Schüler hält einen Aspekt für entscheidend: „Wir müssen überall auf der Welt eine bessere Versorgung mit sauberem Trinkwasser fördern, um weniger PET-Flaschen und Kanister zu benötigen.“
Käse selber schneiden
Was man selbst tun kann? Einwegplastik zu vermeiden, ist nicht so schwer und auch nicht sehr unbequem. „Ganz klassisch, frisch einkaufen und selber kochen“, schlägt Schüler vor. Ihm macht Sorgen, dass in vielen Supermärkten Frischetheken abgeschafft werden: „Wurst und Käse brauchen viel weniger Verpackung, wenn sie frisch gekauft werden. Wenn wir wie früher den Käse selbst schneiden, statt hauchfeine Scheiben in Verpackung zu nehmen, spart das in der Summe enorm.“