Der neueste digitale Megatrend ist das Metaversum. Hier eine einfache, allgemein verständliche Erklärung
Das Interesse an geteilten virtuellen Welten ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Einer der wichtigsten Player ist Facebook, dessen Gründer Mark Zuckerberg erklärt hat, der Aufbau eines „Metaversums“ sei die Verwirklichung einer Idee, die ihn bereits fesselte, bevor er auch nur von einem sozialen Netzwerk geträumt hatte. Zur gleichen Zeit kündigte Microsoft an, an der Errichtung eines „Metaversums für Unternehmen“ zu arbeiten. Doch was ist damit eigentlich gemeint?
Ein Metaversum
Metaversen als Konzept gibt es schon seit langer Zeit – digital geteilte Parallelwelten, in denen wir jede beliebige Identität annehmen oder gemeinsam an Projekten arbeiten können. Sie wurden nicht immer positiv bewertet. In Neal Stephensons Cyberpunk-Roman „Snow Crash“, in dem der Begriff Cyberpunk vermutlich zum ersten Mal auftauchte, war damit ein Ort gemeint, an dem die Menschen der Trostlosigkeit der totalitären realen Welt, in der sie leben, entfliehen konnten. In den „Matrix“-Filmen handelt es sich um eine computergenerierte Traumwelt, in die Menschen von Maschinen hineinversetzt und versklavt wurden, um ihre Körper für die Energiegewinnung zu nutzen. Vielleicht nicht gerade die besten Ideen, von denen sich Silicon Valley bei seinen eigenen Zukunftsvisionen inspirieren lassen sollte.
Dennoch handelt es sich beim Metaversum zweifellos um ein Konzept, dessen Umsetzung wir anstreben, vor allem seit der Ankunft von Internet, Social Media, virtueller Realität und den ersten Versuchen, geteilte digitale Umgebungen wie Second Life zu entwickeln.
Ein Facebook-Metaversum?
Zuckerberg hat seine Version eines echten Metaversums als „Internet, in das man eintauchen kann, statt es von außen zu betrachten“ definiert, was uns Hinweise liefert, wie er an den Aufbau herangeht. Dass wir Metaversen heute nicht mehr als Science-Fiction abtun, sondern ernsthaft darüber diskutieren, liegt nicht zuletzt daran, dass einige Schlüsseltechnologien einen Reifegrad erreicht haben, der ausreichen könnte, um dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Und eine dieser Technologien ist unbestritten Virtual Reality (VR).
Facebook hat in großem Umfang in die VR investiert, seit es 2014 den Headset-Hersteller Oculus gekauft hat. Das Unternehmen hat keinen Hehl daraus gemacht, dass es die Zukunft der virtuellen Realität nicht auf Spiel- und Lernumgebungen vom Typ „ummauerte Gärten“ beschränkt sieht, sprich geschlossene Plattformen oder Software-Systeme mit eng abgesteckter Nutzung, die heute noch weit verbreitet sind.
Das Ziel besteht schlussendlich darin, die Fähigkeit der VR-Technologie, virtuelle Umgebungen zu erzeugen, und die Macht der sozialen Medien, geteilte Online-Räume zu schaffen, miteinander zu verknüpfen.
Metaversum & VR-Apps
Das Facebook-Metaversum wäre nicht der erste Versuch – es gibt bereits zahlreiche VR-Apps, die beispielsweise eine soziale Vernetzung mit Freunden und Bekannten ermöglichen. Der Unterschied besteht darin, dass die Nutzer innerhalb eines Metaversums nicht auf eine eng begrenzte Auswahl von Funktionalitäten beschränkt sind, für die die App entwickelt wurde – Chatten, oder gemeinsame Spiele beispielsweise. Sie hätten die Möglichkeit, jeder von ihnen gewünschten Aktivität virtuell nachzugehen. Der Schlüsselaspekt ist hier der Aufbau simulierter Welten, die so viel wie möglich von unserer Umgebung und Realität modellieren. Sie haben bis zu einem gewissen Grad Ähnlichkeit mit der Gamer-Welt in dem Science-Fiction-Film Ready Player One.
Wenn man beispielsweise einen VR-Tennisplatz betritt und den Tennisschläger in die Hand nimmt, können zwei Personen miteinander VR-Tennis spielen – was heute bereits in einer Reihe von VR-Videospielen machbar ist. Aber was ist, wenn sie keine Lust mehr auf ein Tennismatch haben? Sie könnten beschließen, dass es mehr Spaß macht, einander über den Platz zu jagen, um zu versuchen, den Avatar des Anderen mit dem Schläger zu treffen. Oder sie graben das Terrain um und verwandeln es in ein Basketballfeld. Oder sie verlassen den Tennisplatz und besuchen lieber ein Konzert oder arbeiten im virtuellen Homeoffice. Ein Schlüsselmerkmal des Metaversums besteht in seiner Fähigkeit, dem sich wandelnden Nutzerverhalten Rechnung zu tragen, statt für eine einzige spezifische Anwendung ausgelegt zu sein wie ein VR-Tennissimulator oder eine kollaborative Arbeitsumgebung wie Slack oder Team.
Plattformübergreifende Metaversen
Metaversen müssen nicht auf eine bestimmte Plattform begrenzt sein, solange sie eine geteilte, kontinuierliche Erfahrung bieten. Ihr Leben im Metaversum könnte Sie nahtlos von immersiven VR-Welten zu 3D-Umgebungen auf einem konventionellen Flachbildschirm und weiter zu 2D-Applikationen auf dem Handy führen, je nachdem, was Sie gerade tun wollen. Der entscheidende Faktor ist die Kontinuität zwischen Aktivitäten und virtueller Umgebung bezüglich der Erfahrung der Nutzer und des Avatars, den sie steuern.
Es scheint generell Übereinstimmung zu herrschen, dass Avatare eine Schlüsselkomponente der Metaversum-Erfahrung sein werden. Um Zuckerbergs Vision von der Möglichkeit zu entsprechen, in eine Umgebung „einzutauchen“, muss es einen grafischen Stellvertreter von uns geben, eine künstliche Person, mit der andere virtuell interagieren. Auf Facebook oder anderen Social-Media-Plattformen repräsentiert Ihr Profilbild den Avatar. In einem Metaversum könnte es jede erdenkliche Zuordnung sein. Doch ein zentrales Prinzip ist die Fähigkeit dieses Avatars – oder eines seiner Elemente –, sich in und zwischen verschiedenen Bereichen des Metaversums zu bewegen und als „Sie“ erkennbar zu sein, ungeachtet dessen, welchen Aktivitäten Sie nachgehen oder auf welcher Plattform Sie sich befinden.
Metaversum und Gesellschaft
Es sind nicht nur die technologischen Fortschritte, die darauf hinweisen, dass die Idee eines Metaversums in absehbarer Zeit Realität werden könnte. Seit Beginn der Pandemie haben viele Menschen festgestellt, dass ihr Leben zunehmend online stattfindet. Wir haben uns mehr und mehr daran gewöhnt, digital zu arbeiten, einzukaufen und soziale Kontakte zu pflegen; deshalb scheint der Gedanke, all diese Aktivitäten in einer einzigen nahtlosen digitalen Umgebung zusammenzuführen, kein so großer Wurf zu sein, wie es noch vor ein paar Jahren den Anschein hatte.
Doch diese Veränderungen bringen auch soziale Herausforderungen mit sich. Die Verlagerung auf ein Online-Leben hat zweifellos einige Aktivitäten ermöglicht, die schädlich oder gesundheitsabträglich sind, angefangen vom Identitätsdiebstahl bis hin zu Betrug, Trollen und Missbrauch.
Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Ungleichheiten im realen Leben, beispielsweise das Wohlstandsgefälle, sich innerhalb des Metaversums wiederholen. Immersive 3D-Umgebungen zu erzeugen erfordert ein hohes Maß an Rechnerleistung, was bedeutet, dass diejenigen mit einem größeren Budget für die Beschaffung von Headsets und Computerausrüstung qualitativ besser für die Erfahrungen gerüstet sind. Das könnte am Ende negative Auswirkungen auf die Gesellschaft haben, wenn beispielsweise Unternehmen entscheiden, ihre Mitarbeiter nach ihrer Präsenz im Metaversum auszuwählen oder das Metaversum zu einem Kanal für die Bereitstellung von Bildungs-, Trainings- oder Dating-Chancen wird.
Wie weit sind wir vom Metaversum entfernt?
Die Unternehmen, die ernsthaft über den Aufbau eines Metaversums sprechen, positionieren sich ausnahmslos als Hoffnungsträger der Zukunft. Derzeit dient es jedoch lediglich als Konzeptmodell für die Möglichkeit, Online-Umgebungen – beispielsweise die sozialen Medien oder Plattformen für virtuelle Zusammenarbeit wie NVIDIA Omniverse – immersiver zu gestalten und tiefgreifender in unseren Alltag zu integrieren.
Die Verschmelzung von virtueller Realität und sozialer Vernetzung ist vermutlich der erste Schritt in diese Richtung. Facebook hat sich bereits ausführlich über entsprechende Pläne geäußert und erklärt, dass man davon ausgeht, sie innerhalb der nächsten fünf Jahre umsetzen zu können.
Doch es ist offensichtlich, dass es immer noch etliche Probleme gibt, die ausgelotet und gelöst werden müssen, bevor wir in Erwägung ziehen würden, unser Leben vollständig in die Online-Sphäre zu verlagern. Wir mögen schon jetzt daran gewöhnt sein, vielen Aktivitäten im digitalen Raum nachzugehen – Einkauf, Unterhaltung, soziale Kontakte und Arbeit –, aber wir haben noch nicht die Phase erreicht – technologisch oder als Gesellschaft –, in der wir gewillt sind, alle Bausteine, aus denen sich unser Leben zusammensetzt, in digitale Parallelwelten zu übertragen!
Im Augenblick existieren lediglich Möglichkeiten, einen Vorgeschmack zu erhalten, wie sich eine Metaversum-Erfahrung anfühlen könnte. Das Software-Unternehmen Epic Games experimentiert mit der Erweiterung der Grenzen seines Fortnite Gaming-Universums, um öffentliche Veranstaltungen und Konzerte einzuschließen, beispielsweise Auftritte des Popstars Ariana Grande.
Einige Experten betrachten das Metaversum als die „nächste Internet-Generation“ – ein Abbild des Wandels, der „online“ stattfinden wird, wenn 2D-Bildschirme irgendwann obsolet werden, abgelöst von Headsets oder Linsensystemen, die Bilder direkt auf die Netzhaut projizieren.
Was die Zukunft in dieser Hinsicht wirklich bringt, ist nach wie vor ungewiss – niemand kann mit Sicherheit sagen, welche Strukturen und Regeln es geben wird, wenn miteinander vernetzte, immersive Umgebungen unser Online-Zuhause werden. Doch da die namhaftesten Player im Tech-Wettlauf angetreten sind, um uns von ihrer Metaversum-Version zu überzeugen, ist mit zunehmendem Interesse an diesem Konzept zu rechnen.
Weitere Informationen über den Vormarsch von virtueller und erweiterter Realität finden Sie in meinem Buch Extended Reality in Practice: 100+Amazing Ways Virtual, Augmented, and Mixed Reality Arte Changing Business and Society.