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Der Weisheit unserer inneren Stimme sollten wir mehr vertrauen

Bert Martin Ohnemüller ist davon überzeugt, dass eine bessere Welt entstehen kann, wenn wir anfangen, noch stärker auf unser Herz zu hören und der Weisheit unserer inneren Stimme noch mehr zu vertrauen. Gewiss können Zahlen ein Mehr an Orientierung liefern, wenn verstanden wird, was sie bedeuten. Doch Prognosesucht, Quantifizierungswut und Strukturen sind keine hinreichende Antwort, wenn es um echte Problemlösungen geht.

Sie ist mein innerer Kompass, den ich wie eine Art Navigationssystem nutze: Im Auto verwenden wir das GPS. Für meine (wichtigen) Entscheidungen habe ich das EPS - das „Emotionale Positionierungs-System“. Es orientiert sich nicht an der Geografie, sondern an der Freude. Der Freude folgen heißt für mich, der Wahrheit folgen. Dahinter liegt der persönliche Erfolg, der - wie das Wort schon sagt - immer eine Folge-Erscheinung von etwas ist.

Weil es ohne Emotionen keine Entscheidung gibt. Sie sind häufig die wahren Beweggründe. Das bestätigt die Hirnforschung. Hier heißt es allerdings Obacht geben – damit wir nicht unreflektiert auf einen Reiz reagieren, sondern immer daran denken, dass zwischen Reiz und Reaktion die Freiheit der Wahl liegt. Gute Entscheidungen treffe ich deshalb bewusst und intuitiv. Fast alle großen und schwierigen Entscheidungen habe ich aus dem Bauch heraus getroffen. Wenn es schwerfällt, sich zu entscheiden, dann bleibt eigentlich keine Alternative. Entscheiden bedeutet immer auch verzichten. Ich nenne das gerne: den ersten Schritt im Vertrauen gehen. Ein weiterer wichtiger Moment tritt dann ein, wenn die Entscheidung in konkrete Taten umgesetzt wird. Nur dann zeigt sich die Qualität der getroffenen Entscheidungen. Hier kann ich lernen und mich entwickeln.

Ich könnte eine ganze Reihe von Beispielen nennen, die mich alle sehr viel Geld und sehr viel Energie gekostet haben, nur weil ich nicht auf meine innere Stimme gehört habe. Ich war sicherlich getrieben von Zweckoptimismus, nach dem Motto „Das wird schon.“ Aber es wurde nie, ganz im Gegenteil. Schmerzhafte Erfahrungen waren für mich die Entscheidung für die falschen Mitarbeitenden oder die allzu rasche Übernahme von Kundenaufträgen, weil das große Budget verlockend war und plötzlich alle Alarmzeichen aus dem Bauch ignoriert wurden.

Ich hatte die Idee, mit meinem sehr wertvollen italienischen Sportwagen eine Runde auf dem Nürburgring zu drehen. Damals war ich mit meinem ältesten Sohn unterwegs. Das Wetter war mies, und ich war eigentlich müde und lustlos. Meine innere Stimme rief laut: „Tue es nicht!!!!“ Und ich dachte: „Na komm, wenn wir schon mal hier sind, dann fahren wir auch eine Runde.“ Und die endete nach wenigen hundert Metern in der Leitplanke. Totalschaden!

Ja, allerdings sollten wir uns immer klar sein, dass es zwei unterschiedliche Stimmen gibt. Die eine Stimme bewertet Situationen, Menschen, Ereignisse; das, was ich dort höre, nenne ich die Stimme meines Egos. Sie will etwas Besonderes sein, sich abgrenzen, sich über andere stellen. Rechthaben statt glücklich zu sein.

Dann gibt es noch eine andere innere Stimme, die ganz leise und fein spricht. Ich höre sie nur, wenn ich wirklich achtsam bin: in Momenten der Kontemplation, der Meditation oder beim Spaziergang in der Natur. Das ist für mich meine wahre innere Stimme - und ihr folge ich gerne.

Stellen wir uns folgende Situation bei einer Bergtour vor: Wir bewegen uns auf unsicherem Untergrund, eine Gewitterfront zieht auf. In solch einer Situation möchte ich nicht von einem Bergführer geleitet werden, der das erste Mal am Berg ist. Das gleiche gilt für alle Lebensbereiche: Wir brauchen Sicherheit, und wir werden besser durch Wiederholung. Unser Gehirn braucht die kontinuierliche Übung, um neue Muster zu entwickeln. Dabei gilt, dass Frequenz immer wichtiger ist als die Intensität. Das Bauchgefühl wird mit der Zeit und der Erfahrung immer besser und zuverlässiger. Zum Üben empfiehlt es sich, mit kleineren Entscheidungssituationen zu beginnen, um ein Gespür dafür zu entwickeln, wie sich Bauchentscheidungen anfühlen. Wie im Sport zählen Kontinuität und Frequenz des Trainierens mehr als die Intensität. Kleine Schritte führen zu großen Resultaten.

Wie soll jemand andere führen, wenn er sich selbst nicht führen kann? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die wirklichen und entscheidenden Lebensaufgaben zu meistern sind, ohne die Instanz des Bauchgefühls bzw. der inneren Stimme. Führungskräfte, die nur den vermeintlichen Fakten und Excel-Tabellen glauben, sind für mich einer der maßgeblichen Gründe, warum sich Menschen zunächst für ein Unternehmen entscheiden und es dann aufgrund der Vorgesetzten verlassen.

Leider ist in unserer akademisch geprägten Businesswelt die Evidenz basierte Aussage häufig mehr wert als ein Gefühl. Das unterscheidet aus meiner Sicht eben auch Vorgesetzte bzw. Manager von wahren Führungskräften, die nicht durch Hierarchie, sondern durch ihr Vorbild führen. Das sind aus meiner Sicht die Leader, die nicht immer alles wissen, aber trotzdem mutig die nächsten Schritte gehen. Sie folgen der Idee, dass es eigentlich keine Fehler, kein Verlieren gibt, sondern dass wir entweder gewinnen oder lernen. Ich bin davon überzeugt, dass eine bessere Welt entstehen kann, wenn wir anfangen, noch stärker auf unser Herz zu hören und der Weisheit unserer inneren Stimme noch mehr zu vertrauen.

Für mich ist Führung auch immer verbunden mit einer Vision, einer Vorstellung von einer besseren Zukunft, einem Wissen, dass es immer einen besseren Weg gibt. Visionäre finden ihre Zuversicht im Inneren – ihr Bauchgefühl weist ihnen den Weg. Sie sind motiviert von dem Gedanken: „Ich finde einen Weg, auch wenn ich ihn (noch) nicht sehe.“

  • Blick in den Spiegel. Interview mit Bert Martin Ohnemüller zum Thema Selbstführung

  • Eine Form von Intelligenz: Die innere Stimme

  • Intuition und Entscheidungsfindung: Worauf es ankommt

  • Intuition im Kontext agiler Arbeitsweisen

  • Bert Martin Ohnemüller: „Raus aus dem Kopf – voll rein ins Herz …“. Gedanken und Interviews für mehr Freude, Erfolg und Erfüllung im Berufs- und Privatleben. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Kindle Edition 2023.

  • Bert Martin Ohnemüller: Warum wir in der Dekade der Menschlichkeit das Emotionale Positionierungs-System (EPS) brauchen. In: Bauchgefühl im Management. Die Rolle der Intuition in Wirtschaft, Gesellschaft und Sport. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2021.

  • Bert Martin Ohnemüller: LEAD SPEAK INSPIRE: Eine Inspirationsquelle für die vor uns liegende "Dekade der Menschlichkeit", die neue Sichtweisen auf Führung, Teams und Unternehmenserfolg fordert. 3. Auflage Frankfurt a. M. 2019.

  • Bert Martin Ohnemüller: LEAD SPEAK INSPIRE. Inspirationsbuch Zielführende Fragen und Übungen helfen Ihnen Ihr wahres Potenzial im Berufs- und Privatleben zu entfalten. Frankfurt a. M. 1. Auflage Februar 2019.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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