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Entscheidend ist eher, wie du es sagst, statt was du sagst | © Milan Gucic/Adobe Stock

Deshalb scheitern kluge Köpfe im Bewerbungsgespräch

Du kennst das vielleicht: Du sitzt im Vorstellungsgespräch, beantwortest gewissenhaft und ausführlich die Fragen der Personaler:innen – und trotzdem hast du das Gefühl, dass sie nicht wirklich überzeugt sind. Die Blicke, das Stirnrunzeln, die Rückfragen – irgendetwas scheint zu fehlen. Aber was? Du hast dich doch so gut vorbereitet!

Ganz einfach: Du hast nicht den Kommunikationstyp vor dir abgeholt. Denn unterschiedliche Menschen – und auch Entscheider:innen – brauchen Informationen auf verschiedene Art und Weise verpackt. Und genau darum geht es heute. Es ist nicht genug, die richtigen Antworten zu haben. Entscheidend ist, in welcher Form du sie kommunizierst.

Das Problem: Wir kommunizieren, wie wir selbst ticken – nicht wie unser Gegenüber

Auch wenn wir wissen, dass Menschen verschieden sind, vergessen wir oft, dass sie Informationen unterschiedlich aufnehmen. Was für dich eine perfekte Antwort ist, ist für dein Gegenüber vielleicht nichtssagend oder sogar verwirrend. Gerade im Bewerbungskontext kann das den Job kosten, obwohl du die/der perfekte Kandidat:in gewesen wärst.

Ich erinnere mich an einen Bewerber, der fachlich hervorragend war. Doch er redete sich um Kopf und Kragen, verlor sich in Details, sprach zu leise und schaute kaum hoch. Das Problem: Gegenüber saß ein klassischer „Tiger“ – also jemand mit einem hohen Dominanzprofil. (Keine Sorgen ich erkläre noch, was das bedeutet). Er wollte Klarheit, Tempo, Selbstbewusstsein. Der Bewerber wurde trotz seiner fachlichen Qualifikationen abgelehnt. Warum? Weil er den Entscheider nicht emotional und kommunikativ erreichen konnte.

Ein Modell, das wirkt – im Bewerbungsgespräch und darüber hinaus

Wenn ich Klient:innen auf ein Vorstellungsgespräch vorbereite, dann nutze ich ein Modell, das komplexe Persönlichkeitsstrukturen auf eine einfache, praxisnahe Ebene bringt. Es basiert auf dem bekannten DISG-Modell (dominant, initiativ, stetig, gewissenhaft) – bei mir bekommst du das Ganze in Tierform ;-).

  • Tiger (dominant): Will Ergebnisse, Effizienz, klare Ansagen. Machertypen. Ungeduldig. Fokus auf Leistung.

  • Affe (initiativ): Liebt Innovation, Kreativität, Begeisterung. Impulsiv. Laut. Emotional. Ideengetrieben.

  • Elefant (stetig): Legt Wert auf Harmonie, Teamwork, Sicherheit. Loyal. Gemeinschaftsorientiert. Warmherzig.

  • Schildkröte (gewissenhaft): Braucht Zahlen, Daten, Fakten. Strukturiert. Gründlich. Introvertiert. Analytisch.

Wie du erkennst, wer vor dir sitzt

Ein Modell ist ja schön und gut und nützlich. Doch wie erkennst du, welches „Tier“ du vor dir sitzen hast? Immerhin hast du nicht immer die Möglichkeit, mit jedem ein ausführliches Gespräch zu führen oder viele Fragen zu stellen, bevor das Vorstellungsgespräch beginnt. Aber mit ein wenig Übung kannst du bereits im Small Talk oder in der Vorstellungsrunde erste Hinweise sammeln:

  • Redet dein Gegenüber von Zielen, Erfolgen, Verantwortung – und viel von sich? Wahrscheinlich ein Tiger.

  • Begeistert sie/er sich schnell? Gestikuliert viel – oder kommt gar zu spät? Ein Affe.

  • Spricht jemand viel über das Team oder gemeinsame Projekte? Elefant.

  • Fragt dein Gegenüber nach konkreten Ergebnissen oder Details, also konkreten Fakten? Schildkröte.

Tipp: Schau dir auch an, wie sich dein Gegenüber vorstellt. Tiger reden von (persönlichen) Erfolgen, Affen machen es locker und mit Humor, Elefanten sagen oft „wir“ und „gemeinsam“, Schildkröten beschränken sich auf Fakten.

Was überzeugt die vier Typen?

So, du hast deine Gegenüber identifiziert. Was musst du jetzt tun, um jede:n Einzelne:n für dich zu gewinnen?

Tiger wollen wissen, wie du Verantwortung übernimmst. Sie mögen keine langatmigen Geschichten, sondern wollen Ergebnisse und Entscheidungen hören. Ich erinnere mich an einen Personalentscheider – ein echter Tiger –, der es nicht mal schaffte, sein Glas leise abzustellen. Sobald Bewerber:innen zu ausführlich antworteten, wurde er unruhig. Wer aber klar kommunizierte und selbstbewusst auftrat, wurde sofort ernst genommen.

Der Affe liebt Kreativität und Leidenschaft. Einmal stellte ein Affe im Interview spontan die Frage: „Können Sie mir diesen Stift verkaufen?“ – obwohl das gar nicht abgesprochen war. Er wollte Spontaneität sehen. Die Bewerberin, die locker mitspielte, war sofort seine Favoritin. Für Affen zählen Energie, Spaß und Flexibilität.

Der Elefant achtet stark auf das Teamgefüge. Wenn du nur von dir sprichst, verlierst du sie. Zeig, dass du mit Kolleg:innen gut zusammenarbeitest, fair kommunizierst und auf eine gute Arbeitsatmosphäre achtest. Typische Elefanten findest du oft in Personalabteilungen oder sozialen Berufen.

Die Schildkröte fragt sich bei jeder Aussage: „Kann man das belegen?“ Sie sagt es oft nicht direkt, aber ohne messbare Resultate ist deine Geschichte für sie nicht glaubwürdig. Ein Kandidat erzählte, dass das Team zufrieden gewesen sei. Die Schildkröte wollte wissen: „Woran haben Sie das gemessen?“ Wenn du mit einer Schildkröte sprichst, liefere konkrete Zahlen.

Ein Beispiel, das alle abholt – aus meinem Berufsalltag

Ein weiteres Tool, das ich in meinen Workshops und Coachings einsetze, ist Storytelling. Eine Struktur, die wir bei Berufsoptimierer nutzen nennt sich PETES

  • P = Problem

  • E = Erschwernisse -> Was hat das Problem erst zum Problem werden lassen #missionimpossible

  • T = Tätigkeiten: Was hast du konkret unternommen?

  • E = Ergebnis/Erfolge

  • S = Stärken

Wenn ich meine Klient:innen auf Vorstellungsgespräche vorbereite, üben wir, eine Story nach dem sogenannten PETES-Modell (Problem, Erschwernis, Tätigkeit, Ergebnis, Stärken) aufzubauen – und dabei alle Typen zu bedienen.

So könnte eine Story aussehen, beispielsweise als Antwort auf die Frage: „Erzählen Sie mir von einer außergewöhnlichen Herausforderung aus Ihrem Berufsalltag:“

„Wir mussten eine schwer zu besetzende Position im technischen Helpdesk besetzen (Problem). Die Herausforderung: französischsprachige Kfz-Mechanikerinnen, stationiert in Deutschland (Erschwernis). Ich habe ein länderspezifisches Social-Media-Konzept aufgesetzt, mit Kolleg:innen in Frankreich zusammengearbeitet, französische Gruppen recherchiert und auf LinkedIn sowie Facebook gezielt angeschrieben (Tätigkeit). Am Ende waren wir deutlich unter dem Budget von 10.000 Euro, und die Stelle wurde innerhalb von drei Monaten besetzt (Ergebnis). Das hat uns zusätzlich als deutsch-französisches Recruiting-Team enorm zusammengeschweißt (Stärken).“

  • Tiger hört: Verantwortung, Ziel erreicht, Budget eingehalten

  • Affe hört: kreative Lösung, neue Wege

  • Elefant hört: starke Teamarbeit, emotionale Bindung

  • Schildkröte hört: messbare Ergebnisse, Effizienz

Aber: Ist das nicht unauthentisch?

Diese Frage begegnet mir regelmäßig: „Aber bin ich dann noch ich selbst?“ Ja. Du bist immer du selbst – nur in einer Sprache, die dein Gegenüber auch versteht.

Du verstellst dich nicht, du übersetzt!

Denk an Marketing: Gute Marken sprechen verschiedene Zielgruppen gleichzeitig an, ohne ihre Identität zu verlieren. Genau das tust du auch im Vorstellungsgespräch.

Meine Empfehlung

  • Lerne, die vier Typen zu erkennen – und zu bedienen.

  • Erzähl deine Storys in einer Struktur, die alle erreichen kann.

  • Übe deine Antworten laut – auch mal im Freundeskreis oder mit Kolleg:innen.

  • Und wenn du dir unsicher bist: Erzähle jede Geschichte so, dass sie Zahlen, Emotion, Teamgeist und Eigeninitiative beinhaltet.

Übrigens: Ich selbst verwende das Modell auch in meinen Vorträgen und Workshops, um sicherzustellen, dass ich alle Teilnehmenden direkt am Anfang abhole. So sind die meisten von ihnen aktiv dabei und sehen für sich den persönlichen Mehrwert.

Welchem Tier bist du zuletzt im Vorstellungsgespräch begegnet?

Du kannst auch gern für dich überlegen, in welchen Situationen dir dieses Modell noch weiterhelfen kann. Ich bin gespannt auf deine Antworten.

Dein Bastian

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PS: Falls du jemanden brauchst, mit dem du dich perfekt auf dein nächstes Vorstellungsgespräch vorbereiten kannst, dann vereinbare gern ein kostenfreies Erstgespräch, und wir sprechen darüber, wie wir dich unterstützen können.

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Bastian Hughes schreibt über Job & Karriere, Personalwesen

Authentisch. Erfolgreich. Sein. - Genau dabei möchte ich dich unterstützen. Als Ex-Personaler, Podcaster, Karriere Coach und Trainer für Unternehmen & Hochschulen begleite ich seit 2017 Menschen im Bewerbungsprozess und auf den Weg hin zu einer Karriere nach ihren Wünschen und Vorstellungen.

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