Deutsche Einheit und Kultur der Nachhaltigkeit
Wir sind die grüne Mitte Deutschlands, und es gibt alle paar Kilometer etwas zu entdecken. Erfurt ist als Landeshauptstadt auch eine Perle, aber (noch) keine Fahrradstadt. Bis zum Rennsteig nach Süden via Arnstadt (Bach) und Ilmenau (Goethe) sind es keine 60 km, bis zum Brocken im Norden in Sachsen/Anhalt via Lutherweg und Goetheweg gute 100 km, nach Westen bis Eisenach (Bach, Goethe, Luther) und nach Osten über Weimar (Schiller, Goethe, Herder, Wieland) bis Jena (Goethe, Schiller) oder Rudolstadt (Schiller) sind es auch nur diese 60 km.
Wenn ich heute immer zum 3. Oktober herum über die tatsächlichen oder aufgebauschten Differenzen zwischen Ost und West lese, dann denke ich, dass die Wendezeit noch nicht vorbei ist. Das Prägende der damaligen Zeit war für mich, dass sich die Menschen aufgemacht haben, die Welt zu verändern …
Wir waren Pragmatiker. Ich kokettiere oft mit der polytechnischen Ausbildung, die wir erhalten haben. Egal welches Studium dann kam, irgendetwas zu schrauben, zu kleben oder eben nur anzufassen gab es immer. Wir waren erzogen, viele Sachen sprichwörtlich selbst in die Hand zu nehmen und Hand anzulegen. Ich habe auch einen Facharbeiterabschluss und musste vor dem Studium noch neun Monate im Waggonbau an Stanzen und anderen Maschinen im Schichtdienst arbeiten. So etwas schafft auch Demut, Achtung und Solidarität. Ich bin davon geprägt und erwähne auch oft Begebenheiten aus jener Zeit. Und ich bin überzeugt: Geschichte kehrt wieder, wenn auch in abgewandelter Erscheinung. Damals gab es so schöne politische Witze, die man aufsagte mit der Floskel: „Ich distanziere mich von folgendem politischem Witz…“ Heute scheinen politische Witze verboten …
Wir hätten zu DDR-Zeiten kritischer sein müssen und sollten jetzt nicht so unkritisch sein, wie wir damals waren. Ich hatte zur damaligen Zeit viel weniger Kleidung, eigentlich nur eine Hose, und wenn diese gewaschen wurde, blieb ich daheim. Was wir überwunden haben, ist aber viel Wichtiger für mich: die Militarisierung der Gesellschaft - überall gab es Uniformen, Sperrgebiete, Militärfahrzeuge; die unendliche Servicewüste, überall Betteln und Bitten um Dienstleistungen – Warten und Anstehen, und die extreme Umweltverschmutzung.
Einige Echtholz-Möbel, viele Bücher, Schallplatten, Briefmarken, eine Riesen-Postkartensammlung und auch Geschirr. Übrigens habe ich damals DDR- und BRD-Briefmarken jeweils gesondert gesammelt, genauso wie die Briefmarken der sozialistischen Länder und der anderen Länder separat. Der Wert dieser geretteten Dinge sind für mich mit Erinnerungen, Geschichte, der eigenen Rückbesinnung, aber auch Selbst-Kontrolle verbunden. Man sieht, wie wir geprägt wurden durch die Gesellschaft. Noch heute verwenden wir viele Begriffe, angefangen vom Samowar, der Soljanka, Fit, Ata, dem Moskvitsch und Wolga und das Erbstück, ein Schlitzschraubenzieher mit blauem Holzgriff „sledano v CCCR“ ist schichtweg und liebenswert der „Russe“. Das ist teilweise so witzig, wenn die Kinder irgendwas auf Russisch sagen, und ich mich wundere, wo das Wort herkommt – angeblich habe ich es selbst vor kurzem gesagt: Koneschno. Deshalb macht derzeit zwar der Russlandkrieg Angst, aber die verbreitete Russophobie macht viel mehr Angst. Deshalb fühle ich Überreste der vergangenen Welt in den sozialen Aspekten: Zuhören statt Besserwissen, Respekt statt selbstgefällig und arrogant, Neugier statt Gier.
Vor wenigen Jahren habe ich z. B: von Harry Thürk, einem Schriftsteller aus Weimar, „Die Stunden der toten Augen“ nach wohl 40 Jahren nochmals gelesen, weil ich in einem Gespräch mit meinem Onkel nicht mehr den ganzen Inhalt wusste, aber wir beide kannten noch die bewegenden Buch-Szenen, und wie uns an den gleichen Stellen - am Ende – die Tränen liefen.
Ich schraube viele Sachen auseinander, Holz, Metall – bekommt ein Freund, der eine Schrottkiste hat, Mülltrennung sowieso. Meine jüngeren Kollegen meinen oft liebevoll zu mir als Vorgesetzten, ich habe eine Messi-Mentalität, also unterliege ich wohl dem Phänomen (teilweise). Letztlich weiß ich nicht, ob diese Sozialisierung der DDR-Vergangenheit irgendwie anhaftet, oder eher meinen Job mit vielen Mrd.-Kilowattstunden, bei der jede KWh Einsparung zählt, aber vielleicht habe ich den Job genau wegen der Sozialisierung. Ich würde hier sagen: Das ist Dialektik.
Unterbrochene Lieferketten durch COVID, extreme Abhängigkeiten von widrigen Bedingungen- Politischen und Umweltbedingungen. Da drängt es sich doch gerade auf, Kreislaufwirtschaft sehr ernst zu nehmen. Digitalisierung führt zu Standardisierung, aber auch zu mehr Kreativität. Deshalb sollten wir jedes Material recyceln, und natürlich uneingeschränkt dafür sorgen, dass das kein Selbstzweck ist, sondern das Recycling muss so effizient sein, dass die Vorteile evident und offenbar sind. Mangelwirtschaft hatte aber ein zweites Gesicht: Die Vorratshaltung, das Hamstern – das ist unwirtschaftlich; menschlich zwar verständlich, aber wenn Nachhaltigkeit funktioniert, also Lieferketten eben nicht unterbrochen werden, weil sie nachhaltig und durchorganisiert und flexibel sind, dann führt Nachhaltigkeit gleichsam zu hoher Produktivität und Effizienz- und damit natürlich zu gesellschaftlichem Wohlstand. Nachhaltigkeit schafft Werte. Wir sollten uns mit dem Thema auseinandersetzen, um unterbrochene Lieferketten zu kompensieren, weniger abhängig von Widrigkeiten zu sein, unsere Ressourcen – wirtschaftlich und sozial – besser zu nutzen, und den Fachkräftemangel zu kompensieren, DIY ist in
Nächstenliebe, Heimatverbundenheit, vor allem Hilfsbereitschaft – auch und gerade für die Gemeinschaft einzutreten. Wenn ich neue Mitarbeiter einstelle, ist mir deren soziales Engagement wichtig – fast egal wo. Wer sich für die Gesellschaft einsetzt, ob bei der Freiwilligen Feuerwehr, im Sportverein, im FSJ und BFD bekommt meine Achtung und Hochachtung, denn das zahlt sich aus in der Arbeitsatmosphäre und im Arbeitsteam. Denn die Kette ist so stark wie ihr schwächstes Glied.
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Olaf Schulze: Eine Radtour in Thüringen ist immer auch eine Tour zu den „Drei Gleichen“: über Stock und Stein mit und zu Goethe, Schiller, Luther … In: Zukunft Mikromobilität. Wie wir nachhaltig in die Gänge kommen. Ein Rad-Geber. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber. Büchner Verlag, Marburg 2022.
Olaf Schulze: Mobilität gegen den Klimawandel. Das Mobilitätskonzept der METRO. In: Olaf Schulze: Mobilität gegen den Klimawandel. Das Mobilitätskonzept der METRO. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2020, S. 157-176.