Erneuerbare Energien haben 2023 maßgeblich zur Senkung der neuen Emissionen beigetragen. - dpa
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Deutschland stößt 10,1 Prozent weniger Treibhausgase aus

Das Umweltbundesamt ist optimistisch, dass Deutschland seine Klimaziele bis 2030 erreichen kann. Doch die Lage ist nicht überall gut. Ein Sektor hat seine Ziele erneut deutlich verfehlt.

Berlin. Deutschland hat im vergangenen Jahr 10,1 Prozent weniger Treibhausgase als 2022 emittiert. Das zeigen neue Zahlen des Umweltbundesamts. Insgesamt wurden 2023 rund 673 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt, 76 Millionen Tonnen weniger als ein Jahr zuvor. Das ist der stärkste Rückgang seit der Wiedervereinigung 1990 und liegt laut UBA-Präsident Dirk Messner vor allem am „sehr erfolgreichen Ausbau der erneuerbaren Energien“.

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Zusammen mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stellte Messner am Freitagmorgen die Zahlen vor. „Deutschland ist auf Kurs – erstmals“, so Habeck. Wenn der Kurs gehalten werde, „erreichen wir unsere Klimaziele 2030“.

Das deutsche Klimaziel für 2030 sieht vor, dass die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent geringer sein müssen. Die Projektionsdaten 2024 des Umweltbundesamts weisen bis 2030 einen Rückgang um knapp 64 Prozent im Vergleich zu 1990 aus. „Mit einem ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energien bleiben die nationalen Klimaziele bis 2030 sektorübergreifend erreichbar“, heißt es beim Umweltbundesamt. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral werden.

Die Entwicklung in den einzelnen Sektoren ist jedoch sehr unterschiedlich. Messner sagte: „Nicht in allen Sektoren stehen wir glänzend da.“ Vor allem im Verkehrssektor müsse dringend mehr passieren, „etwa durch den Ausbau der Elektromobilität, den Abbau des Dienstwagenprivilegs und anderer klimaschädlicher Subventionen“.

Die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch bewertete die vorgelegten Zahlen kritisch: Man erkenne deutliche Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energien an, sagte Lutz Weischer, Leiter des Berliner Büros: „Trotzdem ist offensichtlich, dass die Einhaltung der Emissionsmenge in 2023 vor allem äußeren Rahmenbedingungen geschuldet ist und nicht auf strukturverändernden Klimaschutzmaßnahmen in allen Sektoren beruht.“

Dies sind die Ergebnisse in den wichtigsten Sektoren:

Energiewirtschaft

Im Bereich Energiewirtschaft sind nach den Daten des Umweltbundesamts die Treibhausgasemissionen 2023 gegenüber 2022 um rund 51,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente oder 20,1 Prozent auf 205 Millionen Tonnen gesunken. Das sei auf einen geringeren Einsatz fossiler Brennstoffe zur Erzeugung von Strom und Wärme zurückzuführen, heißt es. Gründe seien der Ausbau der erneuerbaren Energien bei gleichzeitig gesunkener Energienachfrage. Weitere Treiber waren Energieeinsparungen in Folge von höheren Verbraucherpreisen und der milde Winter.

CO2-Äquivalente sind eine Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase. Neben dem Treibhausgas Kohlendioxid CO2 gibt es weitere Treibhausgase wie beispielsweise Methan oder Lachgas, die aber in der Atmosphäre unterschiedlich wirken.

Industrie

Auch in der Industrie sanken die Emissionen – und zwar im zweiten Jahr in Folge – auf rund 155 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das entspricht einem Rückgang von 7,7 Prozent. Zu den Gründen gehört auch hier der geringere Einsatz fossiler Brennstoffe, allerdings auch die negative konjunkturelle Entwicklung und gestiegene Herstellungskosten, die zu Produktionsrückgängen führen.

Gebäude

Im Gebäudesektor sanken die Emissionen um 7,5 Prozent auf rund 102 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Damit überschreitet der Sektor aber auch in diesem Jahr die laut deutschem Klimaschutzgesetz erlaubte Jahresemissionsmenge – und zwar um rund 1,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, wie das Umweltbundesamt anmerkt.

Als Gründe für die geringeren Emissionen nennt das Umweltbundesamt Energieeinsparungen aufgrund der milden Witterungsbedingungen im Winter und höhere Verbraucherpreise. Auch der Zubau der Wärmepumpen wirkte sich positiv auf die Entwicklung der Emissionen aus, da beispielsweise weniger Erdgas und Heizöl eingesetzt wurden.

Messner verwies auf den Austausch von Heizungen, wobei allerdings im vergangenen Jahr auch viele Gasheizungen neu eingebaut worden waren.

Bundesumweltministerin Klara Geywitz (SPD) sagte, die Energiewende im Gebäudesektor habe „deutlich an Fahrt aufgenommen“.

Dem Expertenrat für Klimafragen stehe es nun zu, die Abweichung zu den Soll-Vorgaben des Klimaschutzgesetzes zu bewerten.

Dieser hat den gesetzlichen Auftrag, die einmal jährlich durch das Umweltbundesamt vorgelegten Daten zu den Treibhausgasen für das Vorjahr zu überprüfen. Dafür hat der Rat einen Monat lang Zeit. Bestätigen die Experten die verfehlten Ziele, müssen die zuständigen Ministerien innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm mit Gegenmaßnahmen vorlegen.

Verkehr

Im Verkehr wurden 2023 rund 146 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen. Das sind zwar 1,8 Millionen Tonnen weniger als 2022, aber rund 13 Millionen Tonnen über der laut Klimaschutzgesetz zulässigen Jahresemissionsmenge. 2022 waren die Emissionen noch leicht angestiegen.

„Angesichts der nur geringen Überschreitung im Gebäudesektor ist der Verkehr damit der einzige Sektor, der sein Ziel deutlich verfehlt und sich weiter vom gesetzlichen Zielpfad entfernt“, stellt das Umweltbundesamt fest. Zudem seien der Haupttreiber des geringen Emissionsrückgangs „nicht etwa effektive Klimaschutzmaßnahmen“, sondern die abnehmende Fahrleistung im Straßengüterverkehr. Verglichen mit 2022 habe der Pkw-Verkehr in 2023 leicht zugenommen. Die 2023 neu zugelassenen Elektrofahrzeuge wirkten hingegen leicht emissionsmindernd.

Germanwatch erklärte: „Der Verkehrssektor bleibt Problemsektor Nummer 1.“ Solange sich die Bundesregierung nicht darum kümmere, „dass der Autoverkehr abnimmt und die Menschen in eine funktionierende Bahn umsteigen können, wird sich das kaum ändern“.

Die Klima-Allianz Deutschland, ein Bündnis von 150 Organisationen, forderte wirksame Sofortprogramme. Die Einsparungen gingen nicht auf ausreichende Klimaprogramme zurück, sondern auf die schwache Wirtschaft.

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