Frankfurt und Hamburg schneiden besonders schlecht ab: Warum es Expats in Deutschland nicht gefällt. - imago images
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Deutschland verliert im Expat-Ranking: Warum ausländische Spitzenkräfte nicht nach Deutschland wollen

Traumarbeitsplatz Deutschland? Fehlanzeige. Hochqualifizierte Fachkräfte fühlen sich hierzulande nicht wohl. Woran das liegt und welche beiden Städte besonders schlecht bei Expats abschneiden.

Jason Brown kennt das Expat-Leben gut. Der Schotte, der eigentlich anders heißt, arbeitet gerade in Texas. Zuvor war er in Katar tätig, und in Köln. Deutschland hat er nach fünf Jahren verlassen. Die hohen Steuern in Deutschland fallen ihm direkt ein, wenn man ihn nach seinen Erfahrungen fragt: viel mehr Abgaben als in den anderen Ländern. Brown, der als Lehrer arbeitet, erinnert sich, dass es schwierig war, eine kleine Wohnung zu finden. Und es dauerte mehrere Wochen, bis er zuhause Internet hatte. Der Techniker: unfreundlich. Für seinen ersten Ikea-Besuch musste er sich Bargeld borgen, er bekam erst keine Kreditkarte.

Dabei fand er die meisten Deutschen sogar nett. Am Anfang zurückhaltend, doch mit der Zeit entwickelten sich tiefe Freundschaften, erzählt Brown. In Texas vermisst er die deutsche Work-Life-Balance und den öffentlichen Nahverkehr.

Deutschland ist kein Expat-Paradies. Das zeigen Zahlen des Expat-Netzwerks InterNations deutlich. Deutschland landet in der diesjährigen Auswertung auf Platz 42 von 50 untersuchten Städten. In das Ranking aufgenommen hat InterNations Düsseldorf, Berlin, Hamburg, München und Frankfurt am Main. Alle fünf Städte verlieren dabei beispielsweise gegen Nairobi, Mexico City oder Omans Hauptstadt Maskat. Die Finanzmetropole Frankfurt landet gar auf dem vorletzten Platz. Die Stadt mit dem berüchtigten Bahnhofsviertel verliert nur noch gegen Johannesburg, Hamburg kann sich noch auf Platz 45 retten.

Sind Mexiko und Dubai wahrlich attraktiver als Deutschland? Wenn es um Arbeit und Karriere geht, nicht um Urlaub? Für hochqualifizierte Fachkräfte gilt: Ja! Und das ist ein Problem. Schließlich will die Bundesregierung die immer größere Lücke an Fachkräften künftig mit viel mehr Arbeitskräften aus dem Ausland füllen. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung fehlen bis 2035 sieben Millionen Fachkräfte. Deutschland soll, geht es nach dem Willen von Innenministerin Nancy Faeser (SPD), das modernste Gesetz zur Fachkräfte-Einwanderung in ganz Europa bekommen.

Verschlossene Deutsche: Expats finden nur schwer Anschluss

Fast 12.000 Expats hat die Beratung InterNations für ihr Ranking befragt. Sie gehören zu den begehrten Spitzenkräften: 87 Prozent der Befragten in Deutschland haben mindestens einen Bachelor-Abschluss. „Die befragten Expats sind überdurchschnittlich hoch gebildet“, erklärt Malte Zeeck. Er ist Co-Geschäftsführer und Mitgründer von InterNations. 19 Prozent der befragten deutschen Expats arbeiten im Bereich IT, andere große Branchen sind das verarbeitende Gewerbe und das Gesundheitswesen. „Genau die Fachkräfte, die man hier benötigt“.

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Auffallend ist: Es sind vor allem die weichen Standortfaktoren, die Expats an Deutschland abschreckt. Sie fühlen sich nicht willkommen, finden keine Freunde, vermissen Herzlichkeit.

Dazu kommen die Behörden, der komplizierte, kaum digitalisierte Verwaltungsapparat. Drei deutsche Städte belegen das Schlusslicht des Rankings, wenn es nach den Punkten geht, die InterNations in die Kategorie „tägliches Leben“ einsortiert: Frankfurt, München und Hamburg. Es geht dabei um fehlende Digitalisierung, bargeldloses Zahlen, fehlendes Highspeed-Internet und die Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden. Zeeck berichtet auch darüber, das Expats sich hierzulande mit Ausländerfeindlichkeit und Alltagsrassismus auseinandersetzen müssen.

„Das persönliche Netzwerk trägt stark zum Wohlbefinden bei. Was nützt ein noch so attraktives Jobangebot, wenn man nach Feierabend alleine zuhause sitzt?“, sagt Expat-Experte InterNations-Chef Zeeck. Sind Expats unglücklich, geben sie weltweit am häufigsten an, dass sie Schwierigkeiten haben Freundschaften zu schließen und Netzwerke nicht pflegen können. Ärger mit den Ausländerbehörden oder dem Einwohnermeldeamt kommen in Deutschland hinzu.

Wie Deutschland attraktiver für Expats werden könnte

„Es ist in Deutschland, der Schweiz und Österreich schwieriger, sich einzuleben. Das ist kulturell bedingt“, sagt Zeeck. Dennoch landen Basel, Zürich und Wien deutlich vor den fünf deutschen Städten – weil sie besser sind bei der Digitalisierung und den Verwaltungsservices.

Klar: Fehlende Digitalisierung und Münchens Immobilienpreise treffen alle. Doch Deutschland könnte Stellschrauben verändern, um attraktiver für Fachkräfte zu werden – etwa durch mehr Unterstützung bei Visa und der Bürokratie.

Unternehmen vergeben selbst auch Chancen. So könnten Personalabteilungen beim Austausch mit den Behörden und bei der Wohnungssuche unterstützen. Und sie könnten Bürokratie erklären: Sozialversicherung, Rundfunkgebühren, An- und Abmelden, Kita-Suche, Deutschkurse. Gegen die Expat-Einsamkeit könnten Arbeitgeber ihre Teams zudem stärker einbinden, erklärt Zeeck: häufige kleine Events, Betriebspatenschaften, Hobbygruppen.

Warum Frankfurt und Hamburg so unbeliebt sind

Die glücklichsten Expats hierzulande wohnen InterNations zufolge in Düsseldorf – Zeeck spricht vom „Rheinland-Bonus“. Dort stimmen auch Gehalt, Gesundheitsversorgung und Lebensqualität.

An Frankfurt hingegen bemängeln Expats so einiges: fehlende digitale Infrastruktur, Sprache, Verwaltung, Karrierechancen, Work-Life-Balance. Zudem ist es der Auswertung zufolge besonders schwer, sich in Frankfurt einzugewöhnen. Wohnen, Lebenshaltungskosten und öffentlicher Nahverkehr sind vielen in der Stadt am Main zu teuer. Viele Expats finden ohnehin ihr Gehalt zu niedrig.

InterNations zitiert in der Auswertung einen Expat aus Simbabwe, der kritisiert, den Frankfurtern fehle es an Offenheit. Nur 44 Prozent der Befragten fühlen sich in Frankfurt willkommen geheißen. Deutlich über die Hälfte finden es schwierig, Freunde zu finden und sind unzufrieden mit ihrem Sozialleben. Ein Viertel sagt, die Frankfurter seien unfreundlich Ausländern gegenüber.

Es ist aber Hamburg, die unter den deutschen Städten auf dem letzten Platz landet, wenn es darum geht, Freundschaften zu knüpfen. Auch dort kämpfen Expats mit der Wohnungssuche. Dort drückt allerdings nicht nur das regnerische Wetter auf die Lebensqualität: „Hamburg und Frankfurt teilen die typischen Schwachstellen Deutschlands: Eingewöhnung, Administration, digitale Services“.

An München wiederum bemängeln Expats vor allem den Wohnungsmarkt. Außerdem seien die Münchner unfreundlich, wie knapp ein Drittel der Befragten findet – besonders gegenüber Ausländern. Expats schätzen im Süden immerhin die Lebensqualität sehr – München landet in der Kategorie auf Platz zehn.

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