Die Börse hat einen neuen Hoffnungsträger
Seitdem Alphabet einen Durchbruch bei einem Spezialchip verkündet hat, ziehen die Kurse von Quantencomputing-Aktien an. Anleger sollten die Risiken im Auge behalten, mahnt Astrid Dörner.
Lange Zeit war Künstliche Intelligenz (KI) das Schlagwort an den Aktienmärkten, das für satte Renditen im Portfolio sorgte. Doch die Begeisterung ließ zuletzt nach, wie man vor allem am Aktienkurs von Nvidia ablesen kann.
Seit Jahresanfang hat das Papier des Chipherstellers zwar etwa 165 Prozent zugelegt. In den vergangenen sechs Monaten bewegte sich der Kurs jedoch überwiegend seitwärts. Auf Monatssicht liegt die Aktie sogar mehr als sieben Prozent im Minus.
Seitdem Alphabet in der vergangenen Woche einen Durchbruch bei seinem Spezialchip Willow verkündet hat, sorgen Aktien für Euphorie, die mit Quantencomputing zu tun haben. Risikobereite Anleger setzen bereits seit Längerem darauf, dass Quantencomputing den KI-Hype an der Börse ablösen wird. Branchenexperten mahnen, weiterhin die Risiken im Auge zu behalten.
Quantencomputer können mathematische Probleme sehr viel schneller lösen als bisherige Rechner, beispielsweise beim Verschlüsseln von Daten, in der Materialforschung und beim maschinellen Lernen für KI-Anwendungen.
Durch Willow rückt laut Alphabet nun die „Quantenüberlegenheit“ näher – der Begriff wird verwendet, um die Verarbeitungsleistung von Quantencomputern im Vergleich zu herkömmlichen Computern zu definieren.
Das verhalf dem Alphabet-Papier in der vergangenen Woche zu einem Kursanstieg von insgesamt rund neun Prozent und ließ auch andere Quantencomputing-Titel steigen, insbesondere den Kurs von Rigetti.
Der Aktienkurs des 2013 gegründeten Unternehmens aus Berkeley kletterte in der vergangenen Woche um 40 Prozent. Bereits vor Alphabets Bekanntgabe lief es gut für die Kalifornier: Seit Januar hat das Unternehmen Kursgewinne von etwa 760 Prozent erzielt.
Auch D-Wave Systems, ein Quantencomputing-Unternehmen aus Kanada, und IonQ aus dem US-Bundesstaat Maryland gehören zur Kategorie der hoch gehypten Aktien, die sich im Quantum-ETF mit dem Ticker QTUM wiederfinden.
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Die Erwartungen an Quantencomputer sind seit vielen Jahren hoch. Die bisher entwickelten Systeme sind jedoch zu klein und machen zu viele Fehler, um einen Mehrwert zu liefern. Problematisch ist auch, dass bislang mit zusätzlichen Recheneinheiten („Qubits“) die Fehlerquote ansteigt.
Paul Meeks, Investmentchef vom Vermögensverwalter Harvest Portfolio Management, rät Anlegern vor diesem Hintergrund dringend dazu, die Risiken nicht aus den Augen zu verlieren. Die realen Anwendungsfälle seien noch Jahre entfernt.
Rigettis erwarteter Umsatz in diesem Jahr liegt bei gerade einmal 16,2 Millionen Dollar. An der Wall Street kommt das Unternehmen, das vor drei Jahren über einen Börsenmantel an die Börse gegangen ist, derzeit auf eine Bewertung von fast 1,8 Milliarden Dollar.
Die Macht der Quantencomputer als Risikofaktor
Meeks empfahl Anlegern, deren Strategie auf Sicherheit und Langfristigkeit ausgelegt ist, im Börsensender CNBC, sich stattdessen auf große Tech-Konzerne wie Alphabet zu konzentrieren. Das Unternehmen habe schließlich auch noch andere, gut laufende Geschäftsbereiche.
Sollten die Kurse kleinerer Titel wie etwa Rigetti dagegen zu sehr in die Höhe getrieben werden, könnten sie zum Ziel von Shortsellern werden, die auf fallende Kurse setzen, warnte Meeks.
Das war zuletzt bei Biotech-Titeln der Fall. Als die Tests gut liefen, zogen die Kurse extrem stark an. Als sich abzeichnete, dass die Tests die Erwartungen nicht erfüllten, brachen die Aktienkurse ein, auch weil die Unternehmen in den Fokus von Shortsellern gerieten.
Die Quantum-Technologie bringt darüber hinaus noch ein weiteres langfristiges Risiko mit sich. Die Computer könnten so mächtig werden, dass sie etwa stark verschlüsselte Passwörter ohne Probleme knacken könnten. Das wäre für Banken genauso ein Problem wie für die Kryptowelt.
Der Bitcoin und andere Kryptwährungen basieren auf kryptografischen Verfahren, wie es der Name schon sagt. Experten drängen die Branche schon lange darauf, sich mit sogenannter Post-Quanten-Kryptografie zu beschäftigen. Doch das Thema ist derzeit noch eine Nische und das Risiko im Bitcoin-Kurs sicher noch nicht eingepreist.
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