Pixabay

Die Coronakrise hat dem Thema Nachhaltigkeit einen Schub gegeben

Überzeugungen sind eine Art inneres Leitsystem für das eigene Handeln. Sie entstehen dann, wenn sich die Richtung des Denkens verändert – und das passiert beim Menschen aus zwei Gründen: aus Lust oder aus Leid. Wenn eines von beiden groß genug ist, werden Möglichkeiten und Potenziale gefunden, die alles verändern. So ähnlich ging es vielen Menschen in der Coronapandemie: Der Alltag wurde auf das Wesentliche reduziert, gekauft wurde nur das Nötigste, Dienstreisen wurden durch Videokonferenzen ersetzt. Es zeigte sich, dass viele Dinge, die vor der Krise noch bedeutsam und unverzichtbar erschienen, nun gar nicht mehr gebraucht werden.

Nachhaltigkeit bleibt auch in Zeiten von Coronalockerungen weiterhin dringlich. Besonders beim Einkaufen von Lebensmitteln und Mode gewinnt das Thema immer mehr an Bedeutung – vor allem nachhaltige Produktionsmethoden und die Herkunft der Ware. Das belegt auch der Konsummonitor Nachhaltigkeit des Handelsverbandes Deutschland (HDE). Ihre wichtigsten Ergebnisse:

• Besonders bei Lebensmitteln wurde während der Pandemie mehr auf Nachhaltigkeit geachtet, weil im Lockdown öfter selbst gekocht wurde.

• 51 Prozent der Verbraucher gaben an, dass das Thema Nachhaltigkeit für sie beim Kauf von Lebensmitteln sehr relevant ist, beim Fleischeinkauf waren es 58 Prozent.

• Der Anteil der Vegetarier ist zwischen 2015 und 2021 von 3,3 auf 6,1 Prozent gestiegen – und der Anteil der Veganer von 0,8 auf 1,9 Prozent.

• Beim Shoppen von Mode gaben rund 50 Prozent der Befragten an, auf Nachhaltigkeit zu achten, 13 Prozent sagten, dass bei ihnen die Coronapandemie dazu geführt hat, dass sie bei Mode mehr auf Nachhaltigkeit achten als vorher.

• Nur 19 Prozent gaben an, dass sie problemlos auf ein Kleidungsstück verzichten können, wenn es nicht nachhaltig ist.

Wer sein Verhalten aus innerer Überzeugung ändern möchte, fragt sich zuerst: Was brauche ich wirklich? Was ist für mich unverzichtbar? Welche nachhaltigen Alternativen gibt es für Produkte und Dienstleistungen? Was ist eigentlich Nachhaltigkeit, und was bedeutet sie im eigenen Leben? Der Begriff Nachhaltigkeit basiert auf einer moralisch verpflichteten Lebensweise gegenüber zukünftigen Generationen. Es geht darum, mit den vorhandenen Ressourcen und Gütern so zu wirtschaften, dass auch noch künftigen Generationen eine Lebensgrundlage gesichert werden kann. Der Gedanke der Nachhaltigkeit ist allerdings nicht neu.

• Seinen Ursprung und seine historischen Wurzeln hat das Prinzip der Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft (nicht mehr Holz einschlagen als dauerhaft nachwachsen kann).

• Der Begriff „Nachhaltigkeit“ stammt entsprechend ebenfalls aus der Forstwirtschaft und wurde 1713 von Oberberghauptmann Hannß Carl von Carlowitz im sächsischen Freiberg erstmals verwendet

• In den späten 60er- und frühen 70er-Jahren wurde der Begriff Nachhaltigkeit entlehnt und in die Umwelt- und Entwicklungsdiskussion eingeführt. Die Studie „Grenzen des Wachstums“ (Meadows-Studie) des „Club of Rome“ gilt als Urstudie zur nachhaltigen Entwicklung.

• Als definitorische Grundlage für die Nachhaltigkeitsdebatte kann der im Jahre 1987 erschienene Bericht „Our Common Future“ der norwegischen Politikerin Gro Harlem Brundtland gesehen werden, in dem sie den Begriff „Sustainable Development“ zugrunde legt. Durch den „Brundtland-Bericht“ der unabhängigen „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“ (WCED) wurde die Nachhaltigkeit als Leitlinie der Umweltpolitik festgeschrieben - von diesem Tag an wird der Terminus ganz allgemein und global kommuniziert.

• Das Grünbuch der europäischen Kommission definierte 2001 soziale Verantwortung der Unternehmen vor dem Hintergrund nachhaltiger Entwicklung als „ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren.“

• 1992 wurde das Leitbild der Nachhaltigkeit bei der UNO-Konferenz für ‚Umwelt und Entwicklung’ in Rio de Janeiro etabliert.

• Als erstes Land der Welt hat die Schweiz den Begriff Nachhaltigkeit in der Verfassung verankert.

• Auch bei der Weltklimakonferenz in Kyoto im Jahre 1997 und beim Weltgipfel in Johannesburg im Jahre 2002 wurde vom gesellschaftspolitischen Leitbild der Nachhaltigkeit gesprochen.

Es wurde nicht nur das eigene Leben reflektiert, sondern auch auf Unternehmen geschaut, die nachhaltig wirtschaften. Es zeigte sich, wie wichtig es ist, dass Nachhaltigkeitsstandards heute zur DNA eines Unternehmens gehören. Wer schon vor der Coronapandemie richtig aufgestellt war, hat die Krise in der Regel sehr gut gemeistert. Sie haben Transparenz gegenüber ihren Stakeholdern geschaffen und deutlich gemacht, wie sie - konkret und nachweisbar – Nachhaltigkeit verstehen und übernehmen. Die „Süddeutsche Zeitung“ stellte kürzlich Münchner Unternehmen vor, die „Aus Überzeugung nachhaltig“ sind und ihre Betriebe komplett „umgekrempelt“ haben. Neue Gründer und Ideen geben dem Thema Nachhaltigkeit neue Impulse und erreichen Menschen, die sich noch nicht in der Tiefe damit auseinandergesetzt haben. Genauso wichtig ist es aber auch, die Pioniere der Nachhaltigkeit im Blick zu haben, weil ihre Überzeugungen und Geschichten den Weg bis heute geebnet haben.

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Nachhaltigkeit begreifen: Was wir gegen die dummen Dinge im Zeitalter der Digitalisierung tun können. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2021.

Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2020

ZukunftsWerte. Verantwortung für die Welt von Morgen. Hg. Alexander Birken. Steidl Verlag, Göttingen 2018.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

Artikelsammlung ansehen