Die digitale Bedrohung ist Sorge Nummer eins von Schweizer CEOs
Die Inflation bereitet Führungskräfte rund um den Globus Kopfschmerzen. In der Schweiz stehen andere Problem-Themen im Fokus.
Schweizer CEOs sind zurückhaltender und realistischer. So lautet das kurze Fazit des Chefs Andreas Staubli des Prüfungs- und Beratungsunternehmens PWC Schweiz. «Schweizerinnen und Schweizer Führungspersonen sehen Chancen, aber sie warten ab. Genau das ist ihre Stärke», sagt er gegenüber der «Handelszeitung».
Dabei bezieht er sich auf die Ergebnisse der diesjährigen CEO-Umfrage. Jährlich führt PWC diese durch und präsentiert die Ergebnisse am WEF in Davos. Dabei hat das Unternehmen 4702 CEOs aus 105 Ländern befragt, davon sind 79 aus der Schweiz.
CEOs erwarten ein Wirtschaftswachstum
Eine der grossen Überraschungen für Staubli: «Die positive Einschätzung des Wirtschaftswachstums hat stark zugenommen.» Erfreulich und erhofft, aber nicht gegeben sei diese Entwicklung. Vor einem Jahr hatten noch 18 Prozent der befragten CEO angegeben, dass das globale Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr zunehmen werde – dieses Jahr waren es weltweit und hierzulande bereits 38 Prozent und somit 20 Prozentpunkte mehr.
Im Umkehrschluss sind jedoch nach wie vor über 50 Prozent der befragten CEOs skeptisch. Während die Gesundheits- und Konsumbranche sowie die Industrie eher ein Wachstum erwartet, rechnen die Technologie-, Medien- und Telekommunikationsbranche und die Finanzwelt mit einem Rückgang.
In Zahlen heisst das, dass noch immer mehr als jeder zweite CEO mit einem Rückgang rechnet. «Man sieht Wachstumschancen, aber es gibt auch viele Herausforderungen und Probleme, mit der sich die Weltwirtschaft beschäftigen muss», so Andreas Staubli.
Cybersicherheit in der Schweiz als Topsorge
Dass trotzdem eine starke Zunahme bei den positiv gestimmten Wirtschaftsaussichten herrscht, zeigt sich auch an einem anderen Ort: Weltweit sorgen sich CEOs vor der Inflation und der makroökonomischen Volatilität. Die Schweizer? Deren Sorge Nummer eins sind Cyberrisken.
«Trotz geowirtschaftlicher Volatilität herrschen in der Schweiz stabile Verhältnisse. Mit Blick auf Inflation und Zinsen schliessen wir CEOs eine harte Landung aus, da wir auf die Beständigkeit und Agilität unserer Unternehmen zählen können», erläutert Staubli. Cyberrisiken waren schon bereits zweimal die Sorge Nummer eins, dass sie jetzt wieder ein Comeback feiern, führt Staubli auf zwei Entwicklungen zurück:
«Einerseits ist es so, dass Firmen und in der Folge Medien hierzulande von Cyberrattacken berichten. Das ist wie ein Weckruf und CEOs sind sich der Risiken bewusst.» Andererseits vergrössert sich auch die Angriffsfläche mit dem steigenden Einsatz von Technologie. Hier kommt dann die Schweizer Vorsicht zum Zug: «Schweizer springen nicht gleich überall auf, sie sind keine First-Mover. Dafür sind sie vorsichtige und konsequente Follower», so der CEO von PWC.
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Künstliche Intelligenz befeuert Sorgen
Ein Beispiel dafür: das schnelle Voranschreiten der künstlichen Intelligenz (KI). Vor einem Jahr vereinfachte Chat GPT den Zugang zu generativer KI erheblich – KI erreichte die Wohnzimmer. Aber auch in Unternehmen hielt sie Einzug: Jede Firma probiert die KI-Technologie aus und evaluiert unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten. 63 Prozent der hierzulande befragten CEOs gaben an, dass künstliche Intelligenz einen Einfluss auf die Belegschaft haben wird. Hingegen haben nur 16 Prozent bereits KI im Unternehmen eingeführt – der Wert ist halb so hoch wie der globale.
Diese tiefe Zahl sei dem helvetischen Branchen-Split geschuldet: «Produktlebenszyklen – und damit auch Innovationszyklen – in Investitionsgüterindustrien sind länger und damit schleppender als in Konsumgütermärkten», heisst es im Bericht. Schwergewichte aus der Finanzbranche wie Versicherer und Banken sind zudem hoch reguliert und drosseln so entsprechend auch die Verbreitung von KI.
Der Fachkräftemangel ist nicht das Problem
Das mag zwar einzelne Firmen enttäuschen, denn der Einsatz von KI hat das Potenzial, den Headcount zu verringern. Gleichzeitig führt es auch zur Erleichterung bei den Angestellten. Diese zweifelten im letzten Jahr teilweise gar am Weiterbestehen ihrer Berufe.
«Schweizer CEOs halten an ihrem Personalbestand fest», sagt Andreas Staubli. Wenige wollen erhöhen, wenige wollen abbauen. Das sei positiv für die Wirtschaftsentwicklung. Vielmehr ringen sie mit der Talentbindung. «Das Entscheidende für CEOs ist, die bestehenden Leute zu halten», führt er aus. Laut der Umfrage empfinden 57 Prozent die Bindung als hoch herausfordernd, während 52 Prozent mit dem Aufbau einer Führungskräfte-Pipeline hadern.
Die Problematik steht auch vor dem Hintergrund der Inflation, der Frankenstärke sowie wettbewerbsfähiger Bezahlung und Produktion. «Das Schweizer Salärniveau ist für global produzierende Märkte sehr teuer», sagt Staubli. «Auch wenn man gerne mehr geben möchte, man kann die Arbeitsstellen ohne Effizienzgewinne nicht zwangsläufig sichern.»
Schweizerische Zurückhaltung als Erfolgsrezept
Das führt zu Unsicherheiten. Und auch dazu, dass noch immer 41 Prozent der CEOs angeben, ihre Preise erhöhen zu wollen. Es handelt sich um eine Kombination aus tatsächlich gestiegenen Kosten und einigen Firmen, die die Gunst der Stunde nutzen und ihre Margen verbessern wollen. Das kann sich auf die Inflationsspirale auswirken, wovor Staubli warnt. «Man hat schon mehr als nötig an den Konsumentenpreisen geschraubt.»
Damit also die Sorgen der CEOs sich bis im nächsten Jahr weiter abflachen, Firmen auch international konkurrenzfähig bleiben und ihre besten Talente halten können, empfiehlt der PWC-CEO den hiesigen Managerinnen und Managern einmal mehr das urschweizerische Erfolgsrezept: «Zurückhaltender sein als das globale Pendant – und somit die richtige Entscheidung treffen.»
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