Pixabay

Die Kunst des Handelns: Gute Strategien in Zeiten der Ungewissheit

Ungewissheit ist eine enorme Gestaltungschance, denn sie verändert Märkte, ermöglicht Differenzierung und sortiert den Wettbewerb neu. Das zeigen Barbara Dauner-Lieb und Burkhard Schwenker in ihrem Buch „Gute Strategie“, in dem sie sich der Frage widmen, wie man zeitgemäße Strategien mit den richtigen Strukturen, Prozessen und Werkzeugen in gute Führung umsetzt. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass sich Strategie heute überlebt habe, weil nichts mehr planbar ist in einer sich ständig verändernden Welt, plädieren beide dafür, zum Wesen der Strategie zurückzufinden und sich an die Ursprünge des strategischen Denkens zu erinnern: Carl von Clausewitz (1780-1831) und Helmut von Moltke (1800-1891), der Strategie als die „Kunst des Handelns unter dem Druck der schwierigen Bedingungen“ bezeichnete. Gute, zeitgemäße Strategien sind nach Ansicht der Autoren im Zeitalter der Globalisierung, Ökonomisierung und Digitalisierung mit weniger Bürokratie und Technokratie verbunden, näher an Inhalten und näher an der Zukunft. Sie sind flexibel, aber gleichzeitig robust genug, um über Mode- und Konjunkturwellen hinweg Richtung und Orientierung zu geben. Im Komplexitätszeitalter muss Strategie allerdings interdisziplinärer werden und auf Unvorhergesehenes reagieren können. Es ist notwendig, Planungs- und Budgetprozesse anders als zuvor aufzusetzen und zu verzahnen: „Planung, Entscheidung und Umsetzung müssen heute überlappend gedacht werden, anders als früher haben wir heute nicht mehr die Zeit, Strategien in Ruhe zu entwickeln.“

  • Entwurf von Zukunftsbildern

  • Entwicklung von Handlungsalternativen

  • Bewertung von Alternativen

  • Identifikation von „Tipping points“, die ständig überwacht werden müssen, damit genügend Flexibilität in die Strategie kommt

  • Objektive Beurteilung von Fähigkeiten

  • Atmungs- und Wandlungsfähigkeit

  • Mut, Position zu beziehen und sie durchzuhalten

  • Fähigkeit der Ressourcenbündelung

  • unternehmerische Intuition

  • Selbstreflexion

  • tiefes Geschäfts- und Technologieverständnis sowie vernetztes, offenes, kritisches und mutiges Denken.

Die IT ist einer der wichtigsten Treiber in einem zeitgemäßen Strategieprozess: „Die traditionelle IT, die die Beherrschung des Rechenzentrums und anderer IT-Dienstleistungen bewerkstelligt, ist ein Auslaufmodell“, bestätigt IT-Experte Tobias Meinert. Es geht heute nicht mehr nur darum, bessere operative Effizienz zu gewährleisten, erstklassige IT-Dienstleistungen zu liefern und immer komplexere Supply Chains zu ermöglichen. Die wichtigste Herausforderung liegt darin, dass die IT Motor des digitalen Wandels wird: „Innovationen des Geschäftes zu beschleunigen, und zwar durch eine gezielte IT-Strategie und das Vorhersehen digitaler Trends.“ Deshalb reicht ein reines IT-Verständnis nicht länger aus. Es kommt vor allem auf die Fähigkeit an, Prozesse gesamthaft zu verstehen. IT-Abteilungen müssen nach Meinert in Zukunft „Business denken“, Wertschöpfung erkennen und in zeitgemäße IT-Lösungen übersetzen. Es sei nach Ansicht des IT-Experten erforderlich, sich mit dem Ist-Zustand der Unternehmenskultur zu beschäftigen, bereichsübergreifend am Big Picture zu arbeiten und gemeinsam zu überlegen, wie man dorthin gelangen kann. In den Möglichkeiten der Digitalisierung liegt für ihn die Schlüsselchance, Unternehmen einen Wettbewerbsvorsprung zu sichern. Diesem Schwerpunkt widmet sich auch der Sammelband „CSR und Digitalisierung“, der 2021 in 2. Auflage erschienen ist.

Dennoch verfügt nur knapp jedes zweite Unternehmen über eine übergeordnete Strategie. Digitale Produkte und Services im Kerngeschäft fehlen bei knapp der Hälfte der Unternehmen bislang vollständig. In der Wirtschaftsgeschichte gab es vermutlich noch nie eine Ära, in der Unternehmensakteure in so vielen Bereichen ihre Strategien radikal überdenken und erneuern mussten, um zu überleben und relevant zu bleiben. Kai-Uwe Hellmann, Florian Nehm, Oliver Grimm beschäftigen sich in ihrem Buchbeitrag mit der Axel Springer SE, die sich seit Jahren konsequent von einem reinen Printverlag in ein immer stärker digital ausgerichtetes Verlagshaus umwandelt. Dies ist bereits im Geschäftsbericht 2015 dokumentiert, in dem der Konzern herausstellt, dass für ihn die „Strategie der digitalen Transformation im Vordergrund“ stehe, und dass er unbeirrbar das Ziel verfolge, der führende digitale Verlag zu werden.

Joanna Breidenbach und Theresa Filipovic verweisen darauf, dass es interessant wäre, wenn Unternehmen tatsächlich digitale Mechanismen zur Umsetzung ihrer CSR-Strategien entdecken. „Dieser Ansatz kann sich auch auf Themen jenseits der Onlineportale und App-Entwicklungen erstrecken und wird auch von Unternehmen außerhalb der Digitalwirtschaft immer mehr in den Blick genommen.“ Dabei geht es vor allem darum, Aktivität zu initiieren statt nur im klassischen Sinne zu spenden. Es sei nicht überraschend, so die Autorinnen, „dass auch hier die Vertreter der Technologie-Konzerne bereits früh Formate entwickelt haben, mit denen soziale Initiativen die Vorteile der Digitalisierung nicht nur vermittelt bekommen, sondern auch selber nutzen können.“ Alle Publikationen enthalten eine gemeinsame Kernaussage: Strategie muss (wieder) Chefsache sein und braucht eine Unternehmenskultur, in der alle Beteiligten mit Ungewissheit umgehen und flexibler arbeiten können. Dazu braucht es Freude und Begeisterung für interdisziplinäres und tiefes Denken. Aus gutem Grund.

  • Burkard Schwenker, Barbara Dauner Lieb: Gute Strategie: Der Ungewissheit offensiv begegnen. Campus Verlag. Frankfurt, New York 2017.

  • CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2021.

  • Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

Artikelsammlung ansehen