Die Erderwärmung muss gestoppt werden – technologieoffen? | © Getty Images
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Die Natur hacken! Was soll schiefgehen?

Geo-Engineering gegen die Aufheizung der Erde: Sonnensegel im All, Steinstaub auf den Feldern. Dergleichen ist politisch noch tabu, geforscht wird aber viel. Die Pläne sind riskant und werfen ethische Fragen auf.

„We need to hack nature!“ Das klingt wie ein technologiebeseelter Schlachtruf: Unsere Wissenschafts-Cracks und Tüftler-Ingenieure werden schon eine Lösung finden. Und so lange können wir weitermachen wie gewohnt?

Der Satz stammt aber von Kate Marvel, einer renommierten Klimaforscherin, die in den USA durch eine populäre Kolumne („Hot Planet“) im „Scientific American“ und durch TED-Talks recht prominent ist. Marvel kämpft seit vielen Jahren an allen Fronten der Klimakrise, aber wie gerade im „Wall Street Journal“ klingt es, als hätte sie aufgegeben.

Ihr Argument, etwas vereinfacht: Natürlich müsse man den CO2-Ausstoß reduzieren, das sei aber gerade schwierig. Also muss Plan B her: „hack nature“, massive technologische Eingriffe in Natur und Klimasystem, und zwar auf planetarer und sogar interstellarer Ebene.

Zweitklassige Science-Fiction

Viele Pläne sehen auf den ersten Blick aus wie zweitklassige Science-Fiction. Vor allem das Sonnensegel im All, das in Millionen Kilometer Entfernung einen – wie auch immer großen – Teil der Einstrahlung auffangen soll. Immerhin: Eine Ankündigung im Fachjournal „Science Direct“ beschreibt einen Satelliten, der bald die Technologien für einen zukünftigen planetaren Sonnenschirm testen soll.

„Hochriskant und nicht praktikabel“

Das Umweltbundesamt (UBA) hat sich in Sachen Geo-Engineering klar positioniert: Die Ansätze seien „alle hochriskant und keine praktikable Lösung“. Eine neue 64-seitige Broschüre analysiert den Stand der Wissenschaft zu fünf viel diskutierten Methoden der Solar Radiation Modification (SRM), also der Versuche, entweder die Sonneneinstrahlung zu reduzieren oder umgekehrt die Reflexion (genannt Albedo) zu erleichtern.

Weiße Farbe auf Äcker und Wüsten

Beispiel Sonnenschild: Laut Analyse des UBA wären Tausende Raketenstarts über Jahrzehnte nötig, um Material ins All zu schaffen, das einen Effekt erzielen würde. Interstellare Staubwolken, ein alternatives Konzept, würden nur zeitweise vor der Sonne liegen, dann aber womöglich mehr abhalten, als erwünscht.

Andere Methoden schneiden nicht besser ab. Als da wären: Aerosole in der Atmosphäre, das Bleichen von Wolken, die Ausdünnung von Cirruswolken und das Aufhellen der Erdoberfläche. Das soll die Rückstrahlfähigkeit der Erdoberfläche (Oberflächenalbedo) verbessern, zum Beispiel mit weißer Farbe auf Ackerflächen, Wüsten oder in Städten. Das Urteil von UBA-Präsident Dirk Messner: „Das Klima⁠ mit technischen Großvorhaben ‚reparieren‘ zu wollen, ist mit unwägbaren Risiken verbunden und würde unseren Frieden, unsere Sicherheit und die Stabilität von Gesellschaften gefährden.“

Auch beschleunigte Verwitterung hat Schattenseiten

Ein Ansatz, den auch Kate Marvel ins Spiel bringt, war schon 2011 Thema einer UBA-Publikation: „enhanced weathering“, beschleunigte Verwitterung. Bei der langsamen, natürlichen Verwitterung wird CO2 gebunden, wenn es zum Beispiel mit Silikatmineralien reagiert. Um auf diese Weise etwas Messbares zu erreichen, wären allerdings gigantische gemahlene Gesteinsmengen nötig, die dann auch auf landwirtschaftlichen Flächen verteilt werden müssten. Eine Studie der Uni Bremen hat gezeigt, dass das jedenfalls tropischen Torfböden gar nicht gut bekommen würde. Generell kämpft Geo-Engineering mit dem Problem, dass noch nichts davon in größerem Umfang ausprobiert wurde.

Technische und ethische Fragen

Im politischen Raum ist es noch ein Tabuthema – Geo-Engineering klingt nach Hybris, die einen apokalyptischen Keim in sich trägt. Und es könnte einem Weiter-so Vorschub leisten, allerdings trauen sich nicht einmal die sehr aktiven fossilen Lobbyisten an das Thema heran.

Doch das wird sich ändern, wenn die Schäden durch die Erderwärmung absehbar zunehmen. Neben den technischen werden auch ethische Fragen wichtig werden – welche globale Institution kann die Experimente steuern, wer trägt die enormen Risiken?

Ohne Kohlenstoffentnahme geht es nicht

Eine noch wenig diskutierte Tatsache wird die Debatten ebenfalls verschärfen: Selbst wenn in Europa die Klimaneutralität wie geplant bis 2045 oder 2050 erreicht wird – wofür im Moment politisch wenig spricht –, müssen noch Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre gezogen werden, um die weitere Aufheizung zu stoppen. Fachlich nennt sich das „Kohlenstoffentnahme“. Es geht um „Carbon Capture and Storage“ (CCS), die direkte Abscheidung und Lagerung von Kohlendioxid. Je nach Methode grenzt auch das an Geo-Engineering. CCS spielt in den Plänen der Merz-Regierung eine prominente Rolle, ohne dass schon eine praktische Umsetzung zu vertretbaren Kosten in Sicht wäre.

Gerade starten die ersten Projekte im industriellen Maßstab, das norwegische „Longship“-Vorhaben verspricht, die Kette von der Entstehung (vorwiegend in der Zementproduktion) über Transport bis zur Speicherung (unter der Nordsee) komplett abzudecken. Das Milliardeninvestment in Norwegen führt zu – immerhin – 1,5 Millionen Tonnen beseitigtem CO2 jährlich.

Hier ist die Dimension des Problems gut zu erkennen: Die globalen Emissionen liegen nicht weit unter 40 Milliarden Tonnen. Und laut Studien müssen langfristig 7 Milliarden Tonnen jährlich in Lagerstätten verschwinden.

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Raimund Witkop schreibt über Politik & Gesellschaft

Lange Erfahrung als Journalist, gern im Sport unterwegs (WamS, FAZ), aber auch im Bereich Technik und Wissenschaft. Energie und Umwelt sind, vor dem Hintergrund des Klimawandels, die wichtigsten Themen unserer Zeit - deshalb sind sie seit Jahren mein Schwerpunkt.

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