Einführung des Elektroautos BYD Dolphin Das BYD-Einstiegsmodell „Dolphin“ kostet mindestens 38.000 Euro. - (Foto: IMAGO/AAP)
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Die Newcomer: Das sind die wichtigsten sechs Hersteller aus China

Sie heißen BYD oder Xpeng: Fast im Monatstakt drängen chinesische Marken mit ihren Elektromodellen auf den europäischen Markt. Mit diesen Modellen wollen sie punkten.

Düsseldorf. Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in München werden sie sich so stark präsentieren wie nie: die chinesischen Elektro-Autobauer. Doch mit welchen Herstellern haben wir es hier zu tun – und mit welchen Modellen drängen diese auf den Markt? Sechs Newcomer im Kurzporträt.

BYD – der angriffslustige Riese

Unter den chinesischen Elektroautoherstellern, die nach Europa drängen, ist BYD am gefährlichsten für die Autobauer. In der Volksrepublik hat die Firma aus Shenzhen bereits Volkswagen als größten Pkw-Hersteller abgelöst. Nun forciert der von US-Investor Warren Buffett unterstützte Konzern den Export. Allein dieses Jahr strebt BYD den Verkauf von 300.000 Elektroautos und Plug-in-Hybriden in 50 Ländern und Regionen außerhalb Chinas an.

In Deutschland will der Konzern mittelfristig Zehntausende Fahrzeuge pro Jahr verkaufen – auch dank einer Partnerschaft mit dem Autovermieter Sixt. Noch ist der Absatz von BYD in der Bundesrepublik überschaubar, lediglich 632 Zulassungen konnte die Firma von Januar bis Juli verzeichnen.

Das liegt auch an den Preisen. Das BYD-Einstiegsmodell „Dolphin“ kostet mindestens 38.000 Euro, das Kompakt-SUV „Atto3“ rund 45.000 Euro und die Limousine „Han“ sowie der sportliche Geländewagen „Tang“ jeweils über 69.000 Euro. Im Schnitt bietet BYD seine Modelle hierzulande um etwa 50 Prozent teurer an als in China.

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UBS-Analyst Patrick Hummel glaubt, dass BYD gerade testet, wie viel deutschen Verbrauchern ein chinesisches Elektroauto wert ist. Schon bald könnte BYD bei der Preisgestaltung „deutlich aggressiver“ werden.

BYDs Wettbewerbsvorteil: Die Batterie, das Herzstück eines jeden Elektroautos, fertigt der Konzern selbst. Nach CATL und LG Energy ist BYD der drittgrößte Batteriezellhersteller der Welt. Selbst Tesla bezieht Energiespeicher von BYD. Auch Elektronikchips und den Antriebsstrang entwickelt BYD in Eigenregie. Das macht sich bezahlt.

Allein im ersten Halbjahr 2023 konnte der Konzern seinen Fahrzeugabsatz auf rund 1,3 Millionen Einheiten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nahezu verdoppeln. Der Umsatz legte auf umgerechnet 33 Milliarden Euro um 73 Prozent zu. Und der Gewinn verdreifachte sich auf 1,5 Milliarden Euro.

Xpeng – der angeschlagene Partner

In Deutschland dürfte das 2014 gegründete Elektroauto-Start-up aus China bis vor Kurzem nur wenigen Branchenexperten bekannt gewesen sein. Ende Juli hat sich das geändert. Überraschend hat Volkswagen eine Partnerschaft mit Xpeng in China bekannt gegeben.

Europas größter Autobauer, derzeit mit massiven Problemen in China konfrontiert, ist bei Xpeng mit 700 Millionen Dollar eingestiegen, um Zugriff auf die Technologien des Start-ups zu bekommen. VW wird unter anderem Xpengs Elektro-Plattform G9 für seine eigenen Fahrzeuge nutzen, ferner Xpengs Software für Infotainment und Fahrerassistenzsysteme.

Das von He Xiaopeng gegründete Unternehmen ist kein Branchengigant. In Europa hat Xpeng in diesem Jahr weniger als 30 Fahrzeuge verkauft, in China brechen die Absatzzahlen ein. Allein im ersten Halbjahr hat Xpeng über 40 Prozent weniger Fahrzeuge in China zugelassen als im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor.

Ein XPeng Inc. G6
Volkswagen hat vor gut einem Monat eine Partnerschaft mit Xpeng in China bekannt gegeben. - (Foto: Bloomberg)
Ein XPeng Inc. G6 Volkswagen hat vor gut einem Monat eine Partnerschaft mit Xpeng in China bekannt gegeben. - (Foto: Bloomberg)

Im zweiten Quartal 2023 hat Xpeng bei einem Umsatz von gerade einmal 700 Millionen Dollar einen gigantischen Verlust von 380 Millionen Dollar angehäuft. Dass Volkswagen in China ausgerechnet von einem finanziell derart desolaten Start-up Hilfe beim Bau von konkurrenzfähigen Elektroautos benötigt, zeigt, wie schlecht es um die Elektrostrategie der Wolfsburger steht.

Schlimmer noch: VW bekommt für die voraussichtlich ab 2026 erhältlichen Modelle in Zusammenarbeit mit Xpeng nicht einmal die neueste Elektroplattform des Start-ups. Die bleibt den eigenen Xpeng-Modellen vorbehalten.

Für Xpeng wiederum dürfte die Kooperation eine willkommen finanzielle Entlastung darstellen. Große Hoffnung setzt das Unternehmen auf den Elektro-SUV G6. „Mit dem G6 und anderen neuen Produkten beschleunigen wir unser Wachstum. Wir erwarten daher, dass sich damit auch unsere Gewinnmargen erholen“, sagte Vizechef Brian Gu Mitte August.

Nio – der eigenwillige Außenseiter

Das 2014 gegründete Start-up Nio gilt als eine Art „chinesisches Tesla“. Die Elektroautofirma punktet mit schnittigen Designs, Reichweiten von bis zu tausend Kilometern und guter Software. Darüber hinaus sieht sich Nio als Vorreiter beim autonomen Fahren und hat ein klares Alleinstellungsmerkmal: Wechselakkus.

Die Firma tauscht an speziellen Stationen die komplette Batterie seiner Fahrzeuge aus. Der Vorteil für die Kunden: Sie verlieren nur fünf Minuten, während Nutzer von herkömmlichen Elektroautos meist eine halbe Stunde oder länger benötigen, bis der Stromspeicher wieder voll ist.

Ein NIO EL6
Das 2014 gegründete Start-up Nio gilt als eine Art „chinesisches Tesla“. - (Foto: Reuters)
Ein NIO EL6 Das 2014 gegründete Start-up Nio gilt als eine Art „chinesisches Tesla“. - (Foto: Reuters)

Die Autos von Nio seien „wirklich gut gemacht“, lobt ein Mercedes-Ingenieur. Zugleich seien die Preise überzogen. So kostet etwa die Oberklasselimousine ET7 mit Batterie mindestens 81.900 Euro. Solch stolze Preise für einen Newcomer schrecken ab. In Deutschland konnte Nio in diesem Jahr bis jetzt lediglich 394 Fahrzeuge verkaufen.

Auch in China und anderen wichtigen Märkten muss Nio kämpfen. Die weltweiten Auslieferungen der börsennotierten Firma sind im zweiten Quartal auf 23.520 Einheiten geschrumpft. Das entspricht einem Rückgang von um die sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Der Umsatz sackte zuletzt sogar um über ein Viertel ab, der Quartalsverlust hat sich auf umgerechnet 764 Millionen Euro mehr als verdoppelt.

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Die Quartalszahlen sind ein Dämpfer für Nio. Zumal das Unternehmen dieses Jahr seine weltweiten Verkäufe eigentlich auf etwa 250.000 Autos verdoppeln möchte. Immerhin: Nio-Gründer William Bin Li stellt für das zweite Halbjahr ein „solides Wachstum“ bei den Fahrzeugauslieferungen in Aussicht.

Zudem verfügt die Firma noch über liquide Mittel von etwa 1,7 Milliarden Euro. Insbesondere der Ausbau der Wechselstationen verschlingt viel Geld. 2020 stand die Firma aus Hefei bereits vor der Insolvenz. Doch Nio gilt ähnlich wie Tesla als automobiles Stehaufmännchen.

Leapmotor – der umworbene Zwerg

Im harten Kampf auf Chinas Elektroautomarkt verlieren auch heimische Marken wie Leapmotor zunehmend Marktanteile. Der Absatz des 2015 gegründeten Auto-Start-ups ist im ersten Halbjahr um fast 37 Prozent zurückgegangen. Der Marktanteil liegt bei nur noch 1,4 Prozent. Im gleichen Zeitraum hat Leapmotor bei einem Umsatz von 730 Millionen Euro einen Verlust von 290 Millionen Euro angehäuft.

Leapmotor fokussiert sich auf kostengünstige Elektroautos, legt dabei aber auch auf technologische Innovationen großen Wert. Ähnlich wie BYD integriert Leapmotor bei seiner Elektroplattform die Batteriezellen direkt in die Karosserie, statt sie wie derzeit üblich in einem Batteriekasten mit der Karosserie zu verbinden. Das als „Cell to Chassis“ bekannte Verfahren spart Platz und Gewicht.

Leapmotor C11
Leapmotor fokussiert sich auf kostengünstige Elektroautos. - (Foto: Leapmotor)
Leapmotor C11 Leapmotor fokussiert sich auf kostengünstige Elektroautos. - (Foto: Leapmotor)

Derzeit wird um Leapmotor als Kooperationspartner gerungen. Sowohl Volkswagen als auch Stellantis (Peugeot, Opel) buhlen offenbar um die Elektroplattform des Start-ups. Das Ziel: Die beiden größten Autobauer Europas wollen in China so schnell wie möglich kostengünstige Elektromodelle anbieten.

Die jeweils eigenen Elektroplattformen von VW und Stellantis eignen sich hierfür nicht. Sie sind schlichtweg zu teuer. Internen Unterlagen zufolge will VW in China ab 2025 ein Einstiegsmodell für unter 150.000 Yuan anbieten, umgerechnet 19.000 Euro – womöglich mithilfe der Plattform von Leapmotor.

Der chinesische Autobauer hat darüber hinaus bereits einen vorsichtigen Vorstoß für eine Expansion außerhalb des Landes gewagt. Seit Ende vergangenen Jahres bietet Leapmotor erste Modelle in Israel, Frankreich und Griechenland an. Die Verkaufszahlen sind aktuell noch dürftig. Von Januar bis Juli hat das Unternehmen in den drei Ländern insgesamt nur rund 760 Fahrzeuge verkauft.

Saic/MG – der staatliche Preisbrecher

2007 erwarb der staatliche Autobauer und Joint-Venture-Partner von Volkswagen die Markenrechte des ehemaligen britischen Autoherstellers MG. Gemeinsamkeiten zwischen der insolventen Traditionsmarke und den heutigen MGs aus China gibt es kaum.

MG verkauft so viele E-Autos in Europa wie kein anderer chinesischer Autobauer. Vor allem mit dem MG 4 vergrößert Saic seine Marktanteile. Von diesem Modell, das unter anderem mit dem ID.3 von Volkswagen konkurriert, hat das Unternehmen im ersten Halbjahr fast 30.000 Einheiten in Europa abgesetzt – auch dank eines deutlichen Preisvorteils gegenüber dem Wolfsburger Wettbewerber.

In den Top Ten der meistverkauften E-Autos belegte das Fahrzeug damit den sechsten Rang. Insgesamt verkauft MG in Europa bereits mehr Elektroautos als die VW-Marken Skoda und Seat gemeinsam.

Saic MG4
MG verkauft so viele E-Autos in Europa wie kein anderer chinesischer Autobauer. - (Foto: MG)
Saic MG4 MG verkauft so viele E-Autos in Europa wie kein anderer chinesischer Autobauer. - (Foto: MG)

Die wachsenden Stückzahlen sorgen in der Branche für Aufsehen und treiben Saic noch stärker nach Europa. Der Vorstand des Autobauers prüft hier bereits die Ansiedlung eines ersten eigenen Werkes. Ab einer Stückzahl von etwa 200.000 Einheiten würde das Sinn machen, so William Wang, Europa-Chef von MG.

In China verkauft Saic seine Elektroautos unter den Marken MG, Roewe und Maxus. Außerdem ist der Staatskonzern Teil eines Joint Ventures mit Zhangjiang Hi-Tech und dem Internetkonzern Alibaba, die Elektroautos unter dem Markennamen IM Motors in China vertreiben. Auf dem Heimatmarkt ist Saic mit seinen Elektroautos allerdings weniger erfolgreich.

Mit rund 28.000 Einheiten bis Ende Juli verkauft der Staatskonzern in China weniger Fahrzeuge als in Europa. Das hält die VW-Tochter Audi jedoch nicht davon ab, eine enge Partnerschaft mit Saic einzugehen. Audi wird auf eine Elektroplattform von Saic zurückgreifen, auf der ab 2024 neue Elektrolimousinen der Baureihen A3 und A4 produziert werden sollen.

Geely – der gelehrige Schüler

Der chinesische Autobauer Geely hat ein großes Vorbild: Ähnlich wie Volkswagen versucht Firmengründer Li Shufu ein Potpourri an Marken, die teils nur sehr wenig miteinander gemein haben, unter einem Dach zu bündeln. Ziel sind Skaleneffekte und Marktmacht in allen Fahrzeugsegmenten.

Die hierzulande bekannteste Geely-Marke ist die schwedische Tochterfirma Volvo. Das VW-Pendant hierzu wäre Audi. Ebenfalls relativ geläufig ist die Sportwagenmarke Lotus, die Porsche mit dem vollelektrischen SUV „Eletre“ unter Druck setzen will.

Veranstaltung der Geely Automobile Holding
Die hierzulande bekannteste Geely-Marke ist die schwedische Tochterfirma Volv - (Foto: Bloomberg)
Veranstaltung der Geely Automobile Holding Die hierzulande bekannteste Geely-Marke ist die schwedische Tochterfirma Volv - (Foto: Bloomberg)

Schnell wächst die Elektro-Submarke Polestar, die in Deutschland von Januar bis Juni immerhin 4200 Stromer verkaufen konnte. Weltweit will Polestar dieses Jahr den Absatz auf etwa 80.000 Fahrzeuge steigern, das wäre ein Plus von gut 60 Prozent.

Mit der einstigen Kleinwagenmarke Smart, die Geely mittlerweile gemeinsam mit Mercedes-Benz betreibt, haben die Chinesen eine weitere rein elektrische Marke im Portfolio. Noch wichtiger dürften aber die Modelle von Zeekr werden.

Die Marke hat nach ihrer Gründung aus dem Stand heraus über 70.000 Einheiten in China im vergangenen Jahr verkauft und wächst kontinuierlich weiter. Berauscht vom Erfolg in der Heimat zieht es Zeekr nun nach Europa. Hier positioniert sich die Marke mit der Limousine „001“, die eine Reichweite von bis zu 620 Kilometern hat, vor allem gegen VW.

In Osteuropa dürfte Geely bald die Billigmarke Geometry C an den Start schicken. Mit Lynk & Co. versuchen die Chinesen zudem Auto-Abomodelle populär zu machen. Bisher konnte Lynk dafür rund 15.000 Kunden in Europa gewinnen. Mit LEVC will Geely darüber hinaus die elektrische Version des Londoner Taxis auch im Rest Europas etablieren.

Klingt nach Verzettelungsgefahr, aber Firmengründer Li hat einen langen Atem. Der Selfmade-Milliardär aus armen Verhältnissen ist der zweitgrößte Aktionär von Mercedes-Benz und schwört auch sonst auf deutsche Technik. Sein Geely-Konglomerat arbeitet sehr eng mit den deutschen Zulieferern Bosch, ZF und Schaeffler zusammen.

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