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Die Rolle der Stahlindustrie beim Umbau Deutschlands zu einem grünen Industriestandort

Deutschland und die EU wollen die Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) in sämtlichen Bereichen der Wirtschaft schrittweise reduzieren. Ab 2045 soll Deutschland, ab 2050 die gesamte EU, netto keine weiteren THG-Emissionen verursachen. Strategisch relevant für das Ziel der Klimaneutralität ist vor allem die Transformation der Grundstoffindustrie, die am Beginn von Wertschöpfungsketten steht, denn ihre Produkte gehen als Vorleistungen in viele andere Branchen ein (z.B. in den Fahrzeugbau, den Maschinenbau oder die Bauwirtschaft). „Die Produktion von Stahl, Basischemikalien und Zement sichert über 280.000 Arbeitsplätze, ist allerdings auch für 60 % der industriellen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Aufgrund ihrer langen Investitionszyklen müssen konventionelle Produktionsanlagen schnellstmöglich durch klimafreundliche Prozesse ersetzt werden, denn nur dann können Produktionskapazitäten konsequent auf Klimaneutralität ausgerichtet und Arbeitsplätze langfristig gesichert werden. Zudem kann durch eine CO2-arme Produktion die steigende Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten bedient und so die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gesichert werden“, heißt es im Vorwort des Sammelbandes „Klimaneutralität in der Industrie“. Der Umstieg ist für viele Unternehmen allerdings noch mit hohen Kosten und Risiken verbunden und muss deshalb mit geeigneten Politikinstrumenten abgesichert werden.

Im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) hat die Boston Consulting Group (BCG) im Rahmen der Studie „Klimapfade 2.0 – Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft“ untersucht, welche Instrumente und Maßnahmen nötig sind, um das nationale Klimaziel 2030 zu erreichen. Damit auch die Stahlunternehmen in der Lage sind, ihre ambitionierten Klimaschutzprojekte rasch und wirtschaftlich umzusetzen, benötigen sie einen angemessenen politischen Rahmen. Dazu gehören:

  • energiewirtschaftliche Voraussetzungen (z.B. beschleunigter Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft)

  • Anschubförderungen

  • Absicherung der Mehrkosten für die Erzeugung von grünem Stahl durch Klimaschutzverträge (Contracts for Differences).

  • wirksamer Carbon-Leakage-Schutz auf Basis der freien Zuteilung von Zertifikaten im EU-Emissionshandel

  • Gewährleistung, dass die konventionellen Anlagen in der Übergangsphase weiter wirtschaftlich betrieben werden können

  • Technologiewechsel (insbesondere bei der Primärstahlerzeugung)

  • Investitionen in neue Produktionsverfahren

  • Schaffung grüner Leitmärkte (z.B. verbindliche Anreize zum Einsatz klimafreundlicher Vorprodukte).

Die Wirtschaftsvereinigung Stahl hat sich zum Ziel gesetzt, ihren Stahl bis 2045 CO2-neutral zu erzeugen – und damit ein Drittel der gesamten industriellen Treibhausgasemissionen in Deutschland einzusparen. Doch die Transformation der Stahlindustrie gelingt nicht sofort, sondern verläuft in Stufen. Für den Weg in eine klimaneutrale Stahlindustrie ist Wasserstoff unverzichtbar. Vor allem in der Primärstahlerzeugung lässt sich durch den Einsatz des Energieträgers ein großer Teil der CO2-Emissionen einsparen. Zu den Bausteinen einer klimaneutralen Stahlindustrie gehört die Direktreduktion mit Wasserstoff sowie die schrottbasierte Elektrostahlproduktion (Sekundärstahlproduktion). Wichtig für den Einsatz von Wasserstoff ist, dass bei seiner Herstellung kein oder nur sehr wenig CO2 emittiert wird und er damit nahezu klimaneutral ist. Doch solange klimaneutraler Wasserstoff noch nicht ausreichender Menge zur Verfügung steht, kann zur Substitution auch Erdgas in der Direktreduktion eingesetzt werden. Da Methan als Hauptbestandteil des Erdgases ein wasserstoffreiches Gas ist, lassen sich dadurch bereits bis zu zwei Drittel der CO2-Emissionen einsparen.

Die Studie „Transformationspfade der Stahlindustrie in Deutschland“ berechnet in zwei Szenarien, wie diese Transformation vollzogen werden kann. Mithilfe von Szenariorechnungen wird geprüft, unter welchen klimapolitischen Rahmenbedingungen die Transformation der Stahlindustrie in Deutschland gelingen kann. Die Ergebnisse belegen auch, dass die Stahlindustrie im Vergleich zu anderen potenziellen Einsatzsektoren die größte Klimaschutz-Wirkung zeigt: Pro Tonne eingesetztem klimaneutralen Wasserstoff lassen sich beispielsweise 28 t CO2 einsparen. Auch lässt sich der Werkstoff Stahl unbegrenzt recyceln und wiedereinsetzen. Große CO2-Mengen können schnell reduziert und große Schritte in eine klimaneutrale Produktion unternommen werden.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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