23.4.2024

Die Skills, die eine Führungskraft der Zukunft unbedingt braucht

Viele Unternehmen müssen sich neu erfinden, um in den Wildwasserzeiten der Zukunft eine Rolle zu spielen. Den besten Beitrag zu einer solchen Transformation leisten Führende dann, wenn sie sich selbst transformieren: Sie machen sich zu Katalysatoren der Transformation.

In einem chemischen Prozess senkt ein Katalysator die Hürden und lockert Blockaden, damit erwünschte Prozesse beschleunigt werden. Durch Wärme erzeugt er Dynamik und ordnet Moleküle so an, dass diese miteinander in Kontakt treten und reagieren können. So setzt er, ohne sich selbst zu verbrauchen, vorhandene Ressourcen und Potenziale frei mit dem Ziel, ein optimales Ergebnis zu erreichen. Genau das macht, auf die Businesswelt übertragen, ein Leader als Katalysator.

„Create & Collaborate“ statt „Command & Control“ ist fortan die Führungsdevise.
(Quelle: Anne M. Schüller)

Anweisungen geben und Abarbeit kontrollieren, das ist leicht, dazu braucht es kein ausgefeiltes Führungsverständnis. Das erledigt fortan KI. Verschwindet also das Methodische in den Computer, wird eine Führungskraft vornehmlich für Dinge gebraucht, die KI (noch) nicht kann, nämlich den Beschäftigten mit emotionaler Intelligenz, Empathie, Intuition und gesundem Menschenverstand zu begegnen.

Führungsmindset für morgen: Wie ein Katalysator agiert

Durch Fairness, Transparenz und Vertrauen schaffen Leader der Zukunft eine Umgebung, die Top-Performer anzieht und eine hohe Talentdichte ermöglicht. Sie selbst treten beiseite, damit Entfaltungsräume für Handlungsoptionen entstehen. Sie öffnen Türen, räumen Hürden weg und machen die Bahn frei, damit die Leute lossprinten können. Die Kernaufgabe eines Katalysators besteht darin, die Menschen dazu zu bringen, hochwirksam zusammenzuarbeiten, aufkommende Chancen mutig zu ergreifen und gemeinsam gute, schnelle, zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen.

Nur im Notfall greift ein Katalysator steuernd ein. Hie und da stellt er Leitplanken auf, damit niemand in den Abgrund gerät. Stehen diese breit auseinander, kann der Verkehr ordentlich fließen. Stehen sie zu eng beieinander, kommt es zu Staus. Insgesamt sind die Spielräume an die Aufgabe, den Kenntnisstand und die Mitarbeitertypologie angepasst. Wenige Spielregeln bestimmen, was geht und was nicht. Rote Linien zeigen, wo die Grenzen liegen.

Katalysatorische Führungskräfte orchestrieren Hochleistungsteams. Hochleistungsteams kommunizieren über eine positive Wortwahl, während in Low-Performance-Teams Worte der Abneigung und des Tadels sowie Pessimismus und Zynismus dominieren. Hochleistungsteams tendieren ferner dazu, wertvollen Input und neue Gedanken von außen in das Team zu bringen. Sie sind gut darin, den Vorschlägen und Gedanken anderer zu folgen und diese weiterzuentwickeln, während Niedrigperformer Ideen von außen abblocken und den eigenen Standpunkt als das Nonplusultra verfechten.

Katalysatorisches Führen: für junge Generationen ideal

Vor allem jüngere Generationen kommen mit dem Führungsstil eines Katalysators sehr gut zurecht. Er ist der Visionär unter den Führungskräften, ein Inspirator, ein Kommunikator und kreativer Innovator, ein Empathiekünstler und Menschenfreund. Er besitzt Enthusiasmus, ansteckende Begeisterungskraft und hohes Motivationstalent. Ihm gelingt es spielend leicht, andere für die Zukunft zu entflammen.

Eine katalysatorische Führungskraft führt keine rückwärtsgewandten Beurteilungs- sondern nach vorn gerichtete Perspektivgespräche. Und sie weiß: Die Menschen sind alle verschieden. Man darf sie nicht uniform behandeln und keine Führungsschablonen über sie legen (etwa „In unserem Unternehmen führen wir jetzt alle coachend“). Vielmehr gilt es, jeden einzelnen Mitarbeitenden in seiner Einzigartigkeit zu erkennen und individuell auf ihn einzugehen, um das Beste in jedem und jeder freizusetzen.

Ein Katalysator erlebt die Perspektiven anderer als bereichernd und seine eigene Meinung als eine von vielen Möglichkeiten. Er stellt sich nicht selbst ins Rampenlicht, sondern sorgt dafür, dass die Mitarbeitenden diesen Platz verdienen. Er bringt Selbstvertrauen, Agilität und Erneuerungsgeist in vormals erstarrte Strukturen. Er sucht ständig nach neuen Modellen, Methoden und Möglichkeiten, um gemeinsam mit anderen den Erfolg des Unternehmens zu mehren – und zugleich zur Lebensqualität der Menschen wie auch zur Unversehrtheit der Umwelt beizutragen.

Future Leader: für Selbstorganisation und Autonomie

Ein Katalysator hasst Dauerdruck und Antreiberei. Vielmehr sorgt er für bestmögliche Rahmenbedingungen und stellt die erforderlichen Ressourcen bereit. Denn er weiß: Mitarbeitende bringen – wie Spitzensportler – nur unter optimalen Bedingungen ihre Höchstleistung ein. Deshalb müssen zwischenmenschliche und organisatorische Motivationshemmer identifiziert und zügig weggeräumt werden. Arbeitsplatz und Aufgabe passt er an die Fähigkeiten der Mitarbeiter:innen an – und nicht den Mitarbeitenden an die Stelle. So setzt er einen High-Performance-Kreislauf in Gang.

Er kennt die Zahlen von Spotify, dem schwedischen Weltmarktführer für Musikvermarktung. Dort sieht man das so: Ein guter Mitarbeiter trifft in 70 Prozent aller Fälle dieselben Entscheidungen wie sein Chef. In 10 Prozent der Fälle ist der Chef darin besser. Und zu 20 Prozent fällt der Mitarbeiter die besseren Entscheidungen, weil er näher an einer operativen Sache dran ist und deshalb davon mehr Ahnung hat. Geht es um digitale Belange und die Kundenzielgruppen von morgen, treffen junge Menschen fast immer bessere Entscheidungen als ihre oft deutlich älteren Chefs.

Ein Katalysator hat wichtigeres zu tun, als sich selbst zum Edelsachbearbeiter und Häkchenmacher zu degradieren. Die Entscheidungen seiner Mitarbeitenden „abzusegnen“, wie es im klassischen Managerspeak gerne gottgnädig heißt, das liegt ihm gar nicht. Er muss nicht alles selbst können, sondern nur wissen, was es bedeutet, wenn jemand auf den einzelnen Professionalitätsstufen seinen Job richtig gut macht.

Wie ein Leader in der Selbstorganisation kommuniziert

Geht es um eine konkrete Aufgabenstellung, motiviert er zum Beispiel so:

„Mach etwas Großartiges daraus, ich lasse dir freie Hand. Such dir ein paar Weggefährten, die dir auf der Reise zum Ziel helfen können. Lass uns öfter über das reden, was bei dir gerade ansteht. Und wenn Du mal einen Rat oder eine zweite Meinung brauchst, komm baldmöglichst vorbei. Es gibt immer auch Baustellen und Sackgassen, in die man auf seinem Weg besser nicht hineingerät.“

Bei einem Katalysator gibt es kein zögerliches Abwarten, kein zaghaftes Um-Erlaubnis-bitten, keine langwierigen Freigabeprozesse, kein mühsames Detailreporting, kein umfängliches Absichern nach allen Seiten und keine politischen Spielchen. Denn er weiß: Neuerungen können nur dort entstehen, wo es den passenden Nährboden gibt:

  • die Erlaubnis zum Widerspruch,
  • ein freizügiges Teilen guter Ideen,
  • eine ergebnisoffene Lernkultur und
  • Freiräume zum Experimentieren.

Während beim alten Führen Projekte ständig stocken, weil man auf Entscheidungen „von oben“ warten muss, ist das Vorgehen im Umfeld eines Katalysators schnell und agil. So kann sich die komplette Mannschaft flexibel und wendig auf die ständigen Überraschungen des Marktes und die volatilen Wünsche der Kunden konzentrieren.

Katalysatoren mögen die Menschen mehr als die Macht

Ein Katalysator will das Beste erwecken, das in seinen Mitarbeitenden steckt. Er laugt sie nicht aus und hält sie auch nicht „klein“. Er macht sie vielmehr stark, damit sie dem Unternehmen ihre ganze Energie geben können. Er kann zwar konsequent durchgreifen, schätzt aber aufgrund ihrer sozialen Begabung viel besser ein, wann dies in welcher Form notwendig ist. Katalysatoren verstehen: Um Top-Resultate auf Dauer zu sichern, braucht es vor allem Beziehungsarbeit. Sie mögen die Menschen mehr als die Macht.

Ambitionierte Ziele und herausragende Ergebnisse sind ihnen überaus wichtig. Sie lieben die Zukunft, alles Quirlige, die sich digitalisierende Welt - und kühne Ideen. Sie sind offen für interessante Vorschläge und zeigen den Mut, ins Neuland zu gehen. Vielversprechende Initiativen haben bei ihnen gute Überlebenschancen. Kreative Köpfe fühlen sich, wie Studien des Soziologen Richard Florida zeigen, vor allem dort hingezogen, wo die drei Ts zu finden sind: Technologie, Talente und Toleranz.

Genau das ist die Welt der Katalysatoren. Sie schaffen Orte, an denen es vor High Potentials geradezu wimmelt. Sie haben einen ausgeprägten Chancenblick, Vermarktungsgeschick und ein hohes Kundenverständnis. Sie empfinden Leidenschaft für ihre Sache und strahlen dies auch aus. Ihre Freude an der Arbeit überträgt sich auf alle, die von ihnen geführt werden. Solche oft charismatischen Führungspersönlichkeiten haben einen Sympathie-, vielfach sogar einen Bewunderungsbonus. In ihrem Umfeld kann wirklich Großes gelingen.

________________

Mehr zum Thema finden Sie in meinem neuen Buch „Zukunft meistern“. Es ist eine Entdeckungsreise zu den wichtigsten Zukunftstrends der nächsten Dekade, zu Pionieren, Innovatoren und Übermorgengestaltern - und ein Toolbook zugleich.

Kommentare

Und was meinst Du dazu?

Verrate uns Deine Meinung.

Etwas schreiben ( mit "@" erwähnen) …

Anne M. Schüller schreibt über Touchpoint Management, Unternehmensführung, Kundenorientierung

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft.