Die Suche nach dem „perfect match“: Optimierungsbedarf im Bewerbungsmanagementprozess
Laut Statista lag die durchschnittliche Vakanzzeit von offenen Arbeitsstellen für Fachkräfte im gleitenden Jahreszeitraum von September 2022 bis August 2023 bei 167, bei ungelernten Kräften bei 158 Tagen.
Die Vakanzzeit misst die Dauer von dem Zeitpunkt, zu dem eine gewünschte Stellenbesetzung erfolgen sollte, bis zur tatsächlichen Abmeldung einer Stelle bei der Arbeitsvermittlung.
Wir sprechen also nicht nur über einen reinen Fachkräftemangel in der IT, im Pflegekräftebereich oder bei Ingenieursstellen, sondern über einen allgemeinen Arbeitskräftemangel. Das zeichnete sich bereits vor der Coronapandemie ab. So weit die Statistik.
In der Praxis zeigen jedoch unsere Mystery-Shoppings, also die Durchführung von Testbewerbungen, im Rekrutierungsbereich und auch in Umfragen klar auf, dass es einen Optimierungsbedarf im Bewerbungsmanagementprozess bei den Unternehmen gibt. Bereits im Herbst 2020 verwies u.a. eine von Stepstone veranlasste Studie auf erschreckende Resultate in Bezug auf das negative Verhalten von Unternehmen.
Bewerbende wünschen sich und erwarten Wertschätzung, Transparenz und Geschwindigkeit bei ihrer Candidate-Journey.
Woran scheitern also die Stellenbesetzungen in Deutschland – ganz unabhängig vom vieldiskutierten Fachkräftemangel?
58,3 Prozent der Testpersonen gaben an, dass sie Ghosting, also das Nichtmelden von Unternehmen auf Bewerbungen, erlebt haben. Besonders wichtig zu erwähnen ist dabei, dass es sich um ausgeschriebene Stellen und um keine Initiativbewerbungen handelte. In vielen Fällen zogen sich auch die Entscheidungsprozesse über einen mehrmonatigen Zeitraum hin, und eine Information über den aktuellen Bewerbungsstand erfolgte durchgehend nicht. Der Trend hält leider an.
Wenn sich Testbewerber vorab telefonisch zu den Stellen erkundigen wollten, wurden sie sehr schnell gebeten, ihre Unterlagen zu schicken. Die Telefonate hatten eine Dauer zwischen 30 Sekunden und 2 Minuten. Wertschätzung sieht und vor allem fühlt sich anders an. Die Testbewerber gaben alle an, sie hätten sich über Fragen zu ihren Wünschen und ihrer Person gefreut und waren entsprechend enttäuscht. Ihr Interesse, sich bei diesen Firmen zu bewerben, sank rapide ab.
Bei Nachfrage bei den verantwortlichen Personalentscheidern gab es dann ehrliches Feedback zu diesen Situationen. Zum einen herrschte die Meinung vor, dass „gute Fachkräfte nicht anrufen, sondern immer ihre Unterlagen schriftlich einreichen würden.“ Dementsprechend wertete man unbewusst telefonische Anfragen ab. Zum anderen signalisierten die Recruiter, dass sie sich in Bewerbungsgesprächen mit Unterlagen wohler fühlen und Anrufe im Tagesgeschäft stören würden.
Erschwerend zeigen diese Testläufe auch darauf hin, dass Fachabteilungen sich der Situation auf dem Arbeitnehmermarkt noch nicht bewusst sind und daher nicht bewerberzentriert denken und handeln.
Im festen Glauben an den „perfect match“ – oder wie jemand offen bekannte: „Seien wir doch mal ehrlich. Wir sitzen oft da und warten immer noch auf ein Wunder.“
Dabei wäre es meist so leicht, Bewerbenden ein gutes Gefühl zu vermitteln. Denn die meisten von ihnen – wie wir alle – wollen eigentlich einfach nur gesehen werden oder zumindest das Gefühl vermittelt bekommen.
Dabei spielt der erste Touchpoint mit Bewerbenden eine ganz außergewöhnliche Rolle und gerade dieser wird immer unterschätzt, denn der erste Eindruck zählt – und der letzte bleibt.
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Was das für das Tagesgeschäft eines Recruiters bedeutet, wie man das Wissen für sich nutzen kann und welche neurowissenschaftlichen Hintergründe sich dahinter verbergen, kannst Du bei meinen Vorträgen oder auch aus unseren brandneuen TPR®Touch Point Recruiting Ratgeber „Würdest Du Dich selbst einstellen?“ erfahren.