© Filadendron/Getty Images

Die Zukunft der Personalgewinnung

Es zeichnen sich ein paar „lange Linien“ ab, die PersonalerInnen in ihre Überlegungen einbeziehen sollten.

1️⃣ Das Internet wird sich „Scheibchen für Scheibchen“ weitere Elemente der Recruiting-Wertschöpfungskette einverleiben: Printstellenanzeigen wurden durch Online-Jobboards verdrängt, Papiertests durch Online-Assessments, Interviews sind heute vielfach Online-Interviews usw.

Diese Digitalisierung des Recruitings wird sich fortsetzen: KI wird gegenseitige Bewertungen vornehmen, und es ist durchaus wahrscheinlich, dass auch beobachtungsbasierte Auswahlverfahren – also z.B. Assessment Center – ins Internet umziehen werden: Stichwort „Metaversum“. 2️⃣ Weitere Machtverschiebung in Richtung Bewerberseite: Wir reden mittlerweile von einem allgemeinen Arbeitskräftemangel, quer über alle möglichen Branchen und Berufsbilder. Und wer rar ist, ist begehrter und kann mehr fordern… ➡ Folgen: 💡 Personalgewinnung beginnt beim Arbeitnehmer Nicht mehr die zu besetzende Stelle wird Ausgangspunkt der Personalgewinnung sein, sondern die Frage des individuellen Arbeitnehmers „Was will ich tun?“. Und diese Frage müssen Unternehmen möglichst klar und präzise beantworten. Startpunkt also: Selbstselektion. 💡 Die Personalgewinnung wird viel personalisierter: Individuellere Kommunikation („jedem seine eigene Karriere-Website“) – man könnte dies „Spotification“ nennen. Aber auch viel stärkere Ausrichtung der Arbeitsangebote an sich (also Arbeitszeiten, -orte, -inhalte usw.) an Wünschen und Fähigkeiten der jeweiligen Person. 3️⃣ Weniger qualifikatorische Passung, mehr Potenzialbetrachtung und Cultural Fit: Berufsbilder und Anforderungen ändern sich immer schneller = Abnahme der Bedeutung vergangenheitsorientierter Bewerbermerkmale – also fachlicher Skills. Weniger: was kann jemand schon. Mehr: was kann jemand können. Also Potenzial. Daneben wird die Bedeutung der Wertepassung zunehmen (Stichwort Cultural Fit/Add). Dieser wird auch zunehmend von der Arbeitnehmerseite eingefordert und – Machtverschiebung, s.o. – „durchgesetzt“. 4️⃣ Schließlich – zunehmende Bedeutung des Matchings. All die genannten Punkte (Selbstselektion, Personalisierung, Potenzial, Passung usw.) machen es noch viel wichtiger als bisher, dass die dafür erforderlichen Informationen und Datenpunkte vorliegen, richtig interpretiert werden und zu richtigen Vorschlägen und Entscheidungen führen. Trotz aller methodischen, ethischen und juristischen Probleme wird Personalgewinnung zukünftig noch viel stärker von Algorithmischen Entscheidungssystemen (im Volksmund oft „KI“ genannt) geprägt sein. 🌈 Wenn dies gut gelingt, dann könnte dadurch sogar wieder Zeit frei werden, die man in den direkten „Mensch zu Mensch“-Kontakt zwischen Bewerber und Unternehmen stecken könnte: Mehr Menschlichkeit durch mehr Tech, das wäre was …

___________________

Diese Themen wollen wir u.a. bei der #HREdge24 am 07. März 24 in Hamburg diskutieren. Infos und Tickets hier!

P.S. Dank an @Gero Hesse, auf den die oben verwendete Grafik zurückgeht!

Joachim Diercks schreibt über Recruiting, Online-Assessment, Personalmktg.

Gründer und Geschäftsführer von CYQUEST. Entwickelt Instrumente für Personalauswahl ("Online-Assessment", "Matching"), Employer Branding und Personalmarketing. Gastdozent für Eignungsdiagnostik an der HS Fresenius. Buchautor, Referent und Keynote-Speaker. Herausgeber Recrutainment Blog.

Artikelsammlung ansehen