Diese Unternehmen zahlen Mitarbeitern aufgrund der Inflation bis zu 3000 Euro extra
Erste Firmen wollen ihren Beschäftigten wegen der Teuerung einen Inflationsausgleich zukommen lassen, viele prüfen das noch. Zwei Dax-Konzerne haben sich schon dagegen entschieden.
Stuttgart, München, Düsseldorf. Die Beschäftigten des Autovermieters Sixt können sich über Extrageld freuen. „Wir zahlen jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter weltweit 1700 Euro Sonderbonus als Inflationsausgleich bis zum Ende des Jahres zusätzlich“, sagte Co-CEO Alexander Sixt dem Handelsblatt. Weltweit beschäftigt das Familienunternehmen 7600 Menschen, 3200 davon in Deutschland.
Wie der Autovermieter wollen erste Unternehmen in Deutschland ihren Angestellten eine Inflationsprämie zahlen, immer mehr prüfen das. Über die Hälfte der 40 Dax-Konzerne sowie viele große Familienunternehmen wie Intralogistik-Spezialist Jungheinrich oder der Medienkonzern Bertelsmann überlegen derzeit, ob sie eine solche Sonderzahlung leisten.
Der Hausgerätehersteller Miele und der Motorsägenhersteller Stihl warten wie elf Dax-Konzerne die laufenden Tarifverhandlungen ab, wie eine Handelsblatt-Umfrage zeigt.
Wegen hoher Inflation: Erste Unternehmen zahlen Inflationsprämie
Die Inflationsrate in Deutschland liegt auf einem Rekordniveau. Im August verteuerten sich die Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahresmonat um 7,9 Prozent. Die aktuelle Gemeinschaftsdiagnose der vier führenden Wirtschaftsforschungsinstitute geht von einem weiteren Anstieg auf 8,4 Prozent in diesem und 8,8 Prozent im kommenden Jahr aus. Die Menschen ächzen unter hohen Preisen für Energie und Lebensmittel.
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Um die Bevölkerung zu entlasten, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Anfang September an, dass Unternehmen jedem Arbeitnehmer eine Prämie von einmalig bis zu 3000 Euro steuerfrei und sozialabgabenfrei auszahlen können. Diese Maßnahme gehört zum dritten Entlastungspaket.
Es sei geplant, dass das Kabinett die Maßnahme am Mittwoch beschließen wird, heißt es aus Regierungskreisen. Es soll Arbeitgebern bis Ende 2024 möglich sein, ihren Beschäftigten steuerfreie Einmalzahlungen zukommen zu lassen, heißt es in Entwürfen. Der genaue Gesetzestext wird dann erst kommen.
Allerdings warnte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger zuletzt, dass sich die Inflationsprämie für viele Beschäftigte als leere Hoffnung erweisen könne: „Viele Unternehmen würden ihren Mitarbeitern sicherlich eine Einmalzahlung, egal in welcher Höhe, ermöglichen, aber sie können es nicht, weil die massiv gestiegenen Energiekosten ihnen jede Luft zum Atmen nehmen.“
Gerade energieintensive Unternehmen in der Industrie leiden unter hohen Belastungen durch die gestiegenen Gaspreise. Diese Steigerungen geben sie an die Konsumgüterhersteller weiter, deren Rohwaren sich drastisch verteuern. Experten fürchten, dass in den kommenden Monaten die Zahl der Insolvenzanmeldungen kräftig steigen wird. Wer ums Überleben kämpft, kann seinen Mitarbeitern keine Prämie zahlen.
Zwei Dax-Unternehmen planen keinen Inflationsausgleich
Das gilt auch für Dax-Konzerne, wie die Handelsblatt-Umfrage zeigt. Der Autozulieferer Continental schließt eine Inflationsprämie aus und begründet das mit dem „anhaltend turbulenten Marktumfeld“. Die Telekom hat bereits im Rahmen ihres diesjährigen Tarifabschlusses Sonderzahlungen von jeweils 500 Euro für untere und mittlere Tarifgruppen vereinbart. „Darüber hinaus sind Stand heute keine weiteren Zahlungen geplant“, heißt es aus Bonn.
Viele Unternehmen zögern mit Aussagen zu einer Inflationsprämie, weil sie noch auf einen fertigen Gesetzestext warten. So teilt etwa die Allianz mit, dass man eine solche Maßnahme prüfe und bewerte, wenn die Rahmenbedingungen feststehen.
Klar ist aber: Viele Unternehmen beobachten das Entlastungsvorhaben mit Wohlwollen. So sieht RWE in der Sonderzahlung eine „sinnvolle und interessante Handlungsoption“. Der Energieriese hatte bereits Anfang September weltweit die Gehälter aller Beschäftigten um 2,5 Prozent erhöht. Der Wohnbaukonzern Vonovia „unterstützt den Ansatz der Bundesregierung“, für den Medienkonzern Bertelsmann ist die Sonderzahlung „ein geeignetes Mittel, um die Beschäftigten zu entlasten“.
Auch der Arbeitspsychologe Hannes Zacher sieht die Inflationsprämie grundsätzlich als sinnvolle Idee an. „Die Sonderzahlung signalisiert den Beschäftigten, dass sich das Unternehmen um sie kümmert“, so der Experte der Universität Leipzig. Die Prämie könne dazu beitragen, die Motivation der Mitarbeiter zu steigern und deren Bindung an den Betrieb zu festigen.
Zacher rät Firmen, die Überweisung kommunikativ zu begleiten. „Eine solche Prämie unterstützt die Mitarbeiter finanziell in einer schwierigen Zeit, sie ist vor allem aber ein symbolischer Akt.“ Dieser könne durch eine gute Erklärung eine deutlich größere Wirkung entfalten.
Rossmann und Meindl beraten noch über Höhe der Inflationsprämie
Eines der ersten Familienunternehmen, die eine solche Zahlung verkündeten, war Mitte September der Ventilatoren-Hersteller EBM Papst. Alle 6000 Beschäftigten in Deutschland erhalten eine freiwillige Einmalzahlung von 500 Euro. Man wolle die Kolleginnen und Kollegen in der aktuellen Zeit nicht allein lassen, so Sonja Fleischer, die bei dem Familienunternehmen für das Personal verantwortlich ist.
Der Drogerieunternehmer Raoul Roßmann hatte einen steuerfreien Inflationsausgleich bereits Anfang Juni gefordert. „Eine gezielte Kraftanstrengung ist angesichts der nie da gewesenen Zumutungen für Arbeitnehmer absolut notwendig“, hatte er damals gesagt. So verwundert es nicht, dass auch die Drogeriekette eine Inflationsprämie zahlen will. Zur Höhe will sich Rossmann allerdings erst äußern, wenn die Rahmenbedingungen feststehen.
Auch andere Handelsunternehmen unterstützen ihre Mitarbeiter. So zahlt Aldi Süd seinen Beschäftigten seit Juni einen monatlichen Einkaufsgutschein in Höhe von 50 Euro. Zudem biete das Unternehmen über ein Portal Rabatte für Produkte wie Kleidung, Technik, Möbel oder Autos an.
Ob Sixt, EBM Papst oder Handelsfirmen: Die Beispiele zeigen, dass vor allem Unternehmen eine Sonderzahlung leisten können, die vergleichsweise gut durch die Krise kommen. Sixt hatte jüngst seine Prognose angehoben, EBM Papst verbuchte zuletzt einen Rekordumsatz. Und dass gerade die Händler mit einer Prämie die allgemein gedämpfte Konsumstimmung anheizen wollen, ist nachvollziehbar.
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Coronabonus als Vorbild für Inflationsausgleich
Auch der Wanderschuhhersteller Meindl zeigt sich in der Krise robust – und will seinen Beschäftigten eine Inflationsprämie zukommen lassen. „Wir werden eine Zahlung leisten, um die Auswirkungen der Inflation für die Beschäftigten abzumildern“, sagte Firmenchef Lars Meindl. Über die konkrete Summe wird noch verhandelt.
Und auf die genaue Höhe kommt es tatsächlich an. Der Leipziger Arbeitspsychologe Zacher rät Unternehmen, die finanzielle Prämie nicht zu gering ausfallen zu lassen. Mitarbeiter könnten sich sonst geringgeschätzt fühlen. „Unternehmen müssen bei einem zu niedrigen Betrag aufpassen, dass die gut gemeinte Idee nicht am Ende belächelt wird.“
Vorbild für den Inflationsausgleich ist der Coronabonus. Unternehmen konnten ihren Beschäftigten zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. März 2022 eine solche Prämie bis zu einer Höhe von 1500 Euro zahlen. Von dieser Möglichkeit machten auch viele Unternehmen Gebrauch.
Arbeitspsychologe Zacher fürchtet deshalb, dass es bei einigen Beschäftigten schon zu einer Erwartungshaltung kommt. „Durch die vielen Krisen haben viele Beschäftigte eine gewisse Anspruchshaltung entwickelt, dass Unternehmen und Staat schon aushelfen.“
Keine Inflationsprämie kann zu „Gefühl von Ungerechtigkeit führen“
Wenn Unternehmen keine Inflationsprämie zahlen, könne das bei deren Beschäftigten zu einem „Gefühl von Ungerechtigkeit führen“, sagt Arbeitspsychologe Zacher. „Beschäftigte vergleichen sich auch mit Kollegen aus anderen Unternehmen und Branchen.“ Dieser Effekt sei nicht zu unterschätzen. Der Experte rät Unternehmen genau zu erklären, warum sie keine Unterstützung bieten können. „Wenn das authentisch und gut nachvollziehbar ist, sollte das auch keine negativen Auswirkungen haben.“
Firmen könnten auch kostengünstigere Formen der Anerkennung zahlen, um die Motivation der Beschäftigten zu steigern, so Zacher. Das können zusätzliche Urlaubstage oder das Ermöglichen von mehr Freiheiten sein. „Am Ende kommt es nicht nur auf das Geld an, sondern auf ein Entgegenkommen des Arbeitgebers.“
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