„Du siehst gar nicht aus wie eine Lesbe!“ Warum solche scheinbar harmlosen Sätze mehr anrichten als gedacht
Auf den ersten Blick erscheinen sie so dahingesagt oder sogar als Kompliment gemeint zu sein. Doch hier sind einige Gründe, warum Kommentare wie „Du siehst gar nicht aus wie eine Lesbe“ problematisch sind, egal welche Intention dahintersteckt.
Gut gemeint ist gleich gut getan? Auf keinen Fall. Im Kontext von Diskriminierung zählt nicht die Intention, sondern wie eine Handlung oder ein Kommentar beim Gegenüber ankommt. Um dies zu überprüfen, lohnt es sich, vemeintlich harmlose Kommentare genauer unter die Lupe zu nehmen, um zu verstehen, warum sie Verletzungspotenzial haben.
Warum Aussagen wie „Du siehst gar nicht aus wie eine Lesbe“ problematisch sind
1. Stereotypisierung und Schubladendenken
Solche Aussagen basieren auf stereotypen Vorstellungen davon, wie eine Lesbe angeblich auszusehen hat. Indem man jemanden darauf hinweist, dass er oder sie nicht diesem Stereotyp entspricht, wird gleichzeitig die Vorstellung verstärkt, dass Menschen innerhalb der LGBTQ+-Gemeinschaft einem bestimmten Erscheinungsbild entsprechen müssen. Dies trägt dazu bei, Schubladendenken zu fördern und die Vielfalt innerhalb der Gemeinschaft zu ignorieren.
2. Reduzierung auf die sexuelle Orientierung
Ein Kommentar wie „Du siehst gar nicht aus wie eine Lesbe“ reduziert die Person auf ihre sexuelle Orientierung und impliziert, dass diese Orientierung durch äußere Merkmale sichtbar sein sollte. Dies kann das Gefühl vermitteln, dass die eigene Identität auf ein einziges Merkmal beschränkt wird, was die Komplexität und Individualität der Person ignoriert.
3. Invalidierung der Identität
Solche Aussagen können das Gefühl erzeugen, dass die Identität der Person nicht anerkannt oder respektiert wird. Es kann den Eindruck erwecken, dass die Person sich an bestimmte Erwartungen anpassen muss, um als authentisch wahrgenommen zu werden. Dies kann besonders verletzend sein, da es die Selbstwahrnehmung und das Selbstbewusstsein der betroffenen Person untergräbt.
4. Förderung von Exklusion und Unsicherheit
Indem man festlegt, wie jemand „aussehen sollte“, um einer bestimmten Gruppe anzugehören, fördert man Exklusion und Unsicherheit. Menschen können das Gefühl bekommen, dass sie nicht vollständig akzeptiert oder anerkannt werden, wenn sie diesen Stereotypen nicht entsprechen. Dies kann dazu führen, dass sich Menschen unwohl und unsicher fühlen, ihre Identität offen zu zeigen.
Diskriminierung durch scheinbar harmlose Kommentare
Auch wenn der Kommentar vielleicht nicht böse gemeint ist, zeigt er dennoch, wie tief verwurzelte Vorurteile in unserer Gesellschaft sind. Solche Bemerkungen tragen zur Normalisierung von Diskriminierung bei, da sie subtil und oft unbewusst geäußert werden. Es ließen sich unendlich weitere Beispiele finden, die verschiedene Identitätsdimensionen betreffen, von Gender über Alter bis hin zur ethnischen Herkunft und zum Körperbild (beispielsweise „Ich finde es super, dass du dich mit deiner Figur traust, dass zu tragen“).
Mut zur Intervention erfordert eine Fehlerkultur
Diejenigen, die solche Sprüche abbekommen, haben es nicht leicht. Jemanden darauf hinzuweisen, dass er*sie einen mit einer Aussage verletzt oder gar diskriminiert hat, ist extrem unangenehm, insbesondere am Arbeitsplatz. Das gilt noch mal mehr, wenn mein Gegenüber offensichtlich eine gute Intention im Kopf hatte, wie etwa einen Witz zu reißen, und ich nun mit meiner Reaktion klarmache, dass dieser Witz bei mir nicht witzig ankommt.
Erschwerend kommt hinzu, dass Frauen und marginalisierte Personen dahingehend sozialisiert werden, unsere Bedürfnisse hintanzustellen. Wie oft habe ich in meiner Jugend Sätze wie „Stell dich nicht so an“ oder „Du bist aber auch empfindlich“ gehört, wenn ich bei meinen ersten Jobs über alltäglichen Sexismus berichtete.
Es ist daher viel verlangt, von Betroffenen zu erwarten, darauf hinzuweisen, dass eine Verletzung stattgefunden hat. Aber: Wenn wir ein Miteinander praktizieren, in der alle Gefühle ernst genommen werden, wird es einfacher. Damit das nicht dazu führt, dass der allgemeine Umgang zum Eiertanz wird, bedarf es einer gesunden Fehlerkultur, in der Menschen auch mal ein Fauxpas erlaubt ist – um dann daraus zu lernen.
Sensibilität und Empathie sind entscheidend
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass unsere Worte und Taten eine tiefgreifende Wirkung auf andere haben können, unabhängig von unserer Intention. Anstatt Kommentare zu äußern, die auf stereotypen Vorstellungen basieren, sollten wir sensibel und empathisch mit unseren Mitmenschen umgehen.
Dies bedeutet, die Vielfalt und Individualität jeder Person zu respektieren und keine Annahmen darüber zu treffen, wie jemand aufgrund seiner sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder anderer Merkmale aussehen oder sich verhalten sollte. Nur so können wir ein inklusives und respektvolles Miteinander fördern.
Durch welchen Spruch fühltest Du Dich im Job schon mal verletzt?