DWS-Chef erwartet, dass der Dollar an Bedeutung verliert
Internationale Anleger schichten langfristig Geld nach Europa um, sagt Stefan Hoops. Von einer Schwächung des US-Dollar als Leitwährung könnte der Euro profitieren.
Frankfurt. Stefan Hoops, Chef der Fondsgesellschaft DWS, rechnet damit, dass die Relevanz des US-Dollars im internationalen Handel zurückgeht. „Wenn wir auf den Handel in fünf, zehn, 15 oder 20 Jahren schauen, dann ist ziemlich sicher, dass der Dollar an Bedeutung verlieren wird“, sagte Hoops dem Handelsblatt. Der Euro könne dagegen wichtiger werden.
Deutschlands geplante Milliardenausgaben für Verteidigung und Infrastruktur hätten den Blick auf Europa verändert, sagte Hoops. Institutionelle Kunden investierten „unumkehrbar“ mehr in Europa und weniger in den USA. Nun werde auf die Umsetzung geschaut, sagte der DWS-Chef: „Investoren fordern sehr deutlich, dass sich auch wirklich etwas ändert.“
Hoops führt die Deutsche-Bank-Tochter mit einem verwalteten Vermögen von einer Billion Euro seit 2022 und hatte zuletzt mehrfach Ambitionen gezeigt, die DWS durch Fusionen und Übernahmen zu vergrößern. Im Interview erklärt der Manager, worauf es ihm dabei ankommt und warum die Fondsgesellschaft Ihre Nachhaltigkeitsstrategie überarbeitet hat.
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Herr Hoops, Sie haben kürzlich auf der Hauptversammlung angekündigt, die Nachhaltigkeitsstrategie der DWS zu überarbeiten. Knicken Sie damit nun auch vor Donald Trump ein?
Nein. Die Sache ist komplizierter. Richtig ist: Wir haben unsere Nachhaltigkeitsstrategie nachgeschärft. Damit reagieren wir sowohl auf ein verändertes Kundenverhalten als auch auf Unterschiede hinsichtlich regionaler regulatorischer Vorgaben.
Das heißt konkret?
Die Frage ist ja, auf welche Art und Weise man als Aktionär Einfluss auf Unternehmen nehmen kann, damit sie etwas tun oder es eben lassen. In den USA haben Firmen, in die wir investieren, mittlerweile deutlich weniger Möglichkeiten, sich selbst gewisse Regeln aufzuerlegen – sei es beim Klimaschutz oder bei Diversity. Das müssen wir in unseren Richtlinien natürlich reflektieren.
Sie wollen den Kunden die Entscheidung überlassen, nicht in grüne Fonds zu investieren. Was ändert sich damit genau?
Wir haben unseren Anspruch nicht verändert. Wir wollen auch weiterhin Anlageexpertise und -lösungen anbieten, die es unseren Kunden ermöglichen, die nachhaltige Transformation der Realwirtschaft zu bewältigen. Was wir aber klarer formuliert haben: Unsere Kunden entscheiden grundsätzlich selbst, in was sie investieren wollen.
Sie sind vor einigen Wochen durch den Nahen Osten gereist, haben dort Investoren getroffen und CEOs von Unternehmen vor Ort. Wie blickt man aus dieser dynamisch wachsenden Wirtschaftsregion auf Deutschland?
Es ist spannend zu sehen, wie sich der Blick auf Europa verändert hat, vor allem durch die Entscheidung in Deutschland, mehr in Verteidigung und Infrastruktur zu investieren. Im Gegensatz zum Beispiel zu Zöllen, die rasch wieder zurückgenommen werden können, ist diese Entscheidung irreversibel. Sie führt dazu, dass Deutschland in den nächsten Jahren mutmaßlich stärker wächst als bisher angenommen. Deshalb sind wir wieder auf der Landkarte von internationalen Investoren.
KfW-Chef Stefan Wintels hat neulich im Handelsblatt gesagt, er habe noch nie so einen rasanten Stimmungswechsel beim Blick der Welt auf Deutschland gesehen.
Das erlebe ich auch. Wir haben in Europa tolle Innovationen, wir haben großartige Universitäten und Unternehmen. Das alles ist nicht neu, aber bislang fehlte der sichtbare Wille, dieses Potenzial auch zu nutzen. Jetzt hat die Welt plötzlich das Gefühl, dass Europa aus dem Potenzial auch etwas machen will. Wobei das im Augenblick eher Vorschusslorbeeren sind.
Deutschland ist international eng vernetzt
Das heißt?
Unsere Kunden und Investoren fordern sehr deutlich, dass sich auch wirklich etwas ändert, dass Europa Bürokratie abbaut und tatsächlich in seine Zukunft investiert. Wenn das passiert, haben wir Europäer eine wahnsinnige Chance in den 2020er-Jahren.
Sie haben neulich nach der Reise nach Doha, Riad und Abu Dhabi auf LinkedIn geschrieben, Europa müsse seinen geopolitischen Muskel neu trainieren. Was meinen Sie damit?
Zum einen machen wir uns zu wenig strategisch darüber Gedanken, was wir als Land und als Kontinent brauchen und von wem wir es bekommen. Und zum anderen haben wir verlernt, uns in andere hineinzuversetzen und anzuerkennen, dass Menschen in anderen Regionen andere Präferenzen, Sichtweisen und Interpretationen haben.
Das heißt, man sollte im Nahen Osten das Thema Menschenrechte lieber aussparen?
Deutschland hat fast keine Rohstoffe und gleichzeitig produzieren wir die tollsten Sachen für die ganze Welt. Das heißt, dass Deutschland international so eng mit anderen Regionen verflochten ist wie kein anderes Land. Das müssen wir erkennen und entsprechend handeln. Es geht nicht darum, sich irgendwo anzubiedern oder irgendetwas auszusparen, aber wir sollten uns schon sehr genau überlegen, was wir brauchen und was der jeweilige Partner dafür erwartet.
Oder anders gefragt: Der moralische Blick auf Außenpolitik war ein Irrweg?
Mir geht es um gegenseitiges Verständnis und Respekt. Wir mischen uns ganz gerne bei anderen ein, aber wenn sich jemand bei uns einmischt, würden wir uns das ja auch verbitten. Oder wie, glauben Sie, würde die Bundesregierung reagieren, wenn ein ausländischer Staatschef die Obdachlosen und die offene Drogenszene am Frankfurter Hauptbahnhof thematisieren würde?
Europäische Privatinvestoren holen gerade viel Geld aus den USA nach Europa zurück.Stefan Hoops, DWS-Vorsitzender
Die DWS will sich als „Gateway to Europe“ positionieren, also als erste Anlaufstelle für Versicherer und Kapitalsammelstellen aus dem Ausland. Ein schöner Plan. Aber wie läuft es wirklich? Ist die Nachfrage schon gestiegen?
Bei institutionellen ausländischen Investoren, ja.
Das heißt, Sie sehen gerade Europas Momentum in Zahlen?
Europäische Privatinvestoren holen gerade tatsächlich viel Geld aus den USA nach Europa zurück. Amerikanische Privatinvestoren hingegen bleiben bei US-Aktien, die wollen vielfach auch in nichts anderes investieren. Bei institutionellen Kunden verläuft die Entwicklung langsamer. Internationale institutionelle Kunden investieren planvoll und nicht über Nacht, dann aber unumkehrbar mehr nach Europa und weniger in die USA.
Aus welchen Regionen kommen diese institutionellen Investoren?
Vor allem aus Nahost und Asien.
Der US-Dollar hat seit Jahresbeginn deutlich abgewertet. Sehen wir eine Bewegung weg vom Dollar als Weltreservewährung?
Es gibt Tendenzen. Hier geht es um zwei Dimensionen. Da ist einerseits die Frage, inwieweit Aktien oder US-Staatsanleihen in Dollar gekauft werden. Das wird zurückgehen. Investoren waren bisher massiv überinvestiert in amerikanischen Vermögenswerten und diversifizieren jetzt. Die andere Frage ist, ob nicht-westliche Länder weiter akzeptieren, dass der internationale Handel in Dollar abgerechnet wird. Sie haben alle gesehen, wie der Dollar zunehmend auch geopolitisch eingesetzt wird.
Bisher ist es allerdings nicht gelungen, eine Alternative zum Dollar aufzubauen.
Nein, aber das sind Entwicklungen, die sehr langsam voranschreiten.
Wo sehen Sie solche Entwicklungen?
In Asien zum Beispiel. China und Vietnam etwa handeln seit Jahrzehnten miteinander in Dollar. Wir haben gesehen, dass vor dem Ukrainekrieg dort knapp 90 Prozent der Rechnungen in Dollar gestellt wurden. Heute sind es nur noch rund 70 Prozent. Das ist immer noch ein hoher Wert. Aber Sie sehen den Trend. Solche Dinge passieren nicht über Nacht. Es lohnt sich deshalb, die langen Linien im Blick zu behalten.
Wird der Renminbi, die chinesische Währung, irgendwann diese Rolle einnehmen?
Vielleicht. Ich sehe aber nicht, dass europäische Investoren so intensiv Renminbi kaufen werden, wie sie den Dollar gekauft haben.
Welche Rolle wird der Euro in dieser Welt spielen?
Eine relevantere als heute. Warum muss der Handel deutscher Unternehmen mit Indien in Dollar stattfinden? Oder wenn wir Gas aus Nahost beziehen? Wir sagen sicherlich nicht: raus aus dem Dollar. Aber wenn wir auf den Handel in fünf, zehn, 15 oder 20 Jahren schauen, dann ist ziemlich sicher, dass der Dollar an Bedeutung verlieren wird.
Nicht nur die Märkte, auch ihre Industrie ist in einer Phase grundlegender Veränderungen. Die französische Bank BNP Paribas hat im vergangenen Sommer bekannt gegeben, das Vermögensverwaltungsgeschäft des Versicherers AXA übernehmen zu wollen. Es gab zwischenzeitlich Gespräche zwischen Amundi und Allianz Global Investors. Wenn man auf die gesamte Branche schaut, ist die DWS ein kleinerer Spieler. Haben Sie allein überhaupt dauerhaft eine Chance?
Ich würde Größe nicht nur über die Summe des verwalteten Vermögens definieren. Am Nachsteuergewinn gemessen sind wir bei den traditionellen Vermögensverwaltern in den Top 15. Nach verwalteten Vermögen eher Nummer 25.
Auch Top 15 ist eher im Mittelfeld.
Das ist richtig.
Sie könnten sich durch Zukäufe vergrößern.
Natürlich überlegen wir, was für uns sinnvoll sein könnte – aber es muss eben für unsere Aktionärinnen und Aktionäre auch Wert schaffen.
Sie haben auf der Hauptversammlung vor einigen Tagen selbst von attraktiven anorganischen Chancen gesprochen. Wo sehen Sie die?
Wir schauen, ob es Regionen gibt, in die wir nicht selbst und nur über Partner kommen würden.
Indien oder China?
Zum Beispiel. Wir haben die letzten Jahre gezeigt, dass wir organisch wachsen, Zuflüsse generieren, dass wir eine breite Produktpalette haben. Aber es gibt noch genügend Kundengruppen, denen man die zugänglich machen kann.
Was M&A angeht, konzentrieren wir uns auf China und Indien.Stefan Hoops, DWS-Vorsitzender
Könnte es dieses Jahr schon News geben?
Da müssen Sie sich überraschen lassen. Ich glaube, man sollte M&A machen und nicht darüber reden. Aber sagen wir es so: Wir haben in den vergangenen drei Jahren unsere Hausaufgaben gemacht und sind jetzt in der Lage zu sagen, wir schauen uns breit um.
Vor allem in China und Indien oder auch darüber hinaus?
Was M&A angeht, konzentrieren wir uns auf China und Indien.
Sie haben sich das Ziel gesetzt, zu den größten fünf ausländischen Asset-Managern in den fünf größten Volkswirtschaften zu gehören. Wie läuft es damit?
Solide. Mit Japan bin ich zufrieden mit dem, was ich im letzten Jahr gesehen habe. In China haben wir eine sehr gute Partnerschaft. Indien ist spannend, aber da brauchen wir noch eine klare Antwort, was wir machen wollen. In Deutschland bin ich zufrieden. Der US-Markt ist ziemlich gesättigt. Da hat bei einer Konsolidierung wahrscheinlich niemand auf uns gewartet und da haben wir zugegebenermaßen noch Wachstumspotenzial.
Im vergangenen Jahr haben Investoren in den USA knapp sechs Milliarden Euro aus DWS-Fonds abgezogen. Ist Amerika die größte Baustelle?
Die Eintrittsbarriere in den US-Markt ist relativ niedrig. Es gibt deshalb extrem viele Wettbewerber. Wenn man dann nicht klar zeigen kann, welchen Mehrwert man für Investoren in Iowa, Kansas oder Kalifornien hat, ist es in den USA als europäischer Anbieter schwieriger.
Wie wollen Sie das Problem lösen?
Wir müssen deutlich machen, in welchen Fällen wir differenziertes Wissen haben. Wir sind schon lange im US-Markt und können jetzt davon profitieren, dass das Interesse an Europa und Asien massiv steigt. Damit können wir uns von anderen absetzen.
Herr Hoops, vielen Dank für das Gespräch.
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