Flasche mit synthetischem Kraftstoff. E-Fuels werden mithilfe von Strom aus Wasser und Kohlendioxid (CO2) hergestellt. - dpa
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E-Fuels: Breiter Einsatz kostet laut Studie bis zu 310 Milliarden Euro

Um Autos schrittweise mit synthetischen Kraftstoffen zu betanken, sind laut einer Studie enorme Investitionen nötig. Der Nutzen von E-Fuels ist fraglich.

Wien, Düsseldorf. Der Verbrennungsmotor wird in Europa doch nicht gänzlich verschwinden. Die Technik soll auch über 2035 hinaus in Neuwagen genutzt werden können. Dafür wird die EU-Kommission auf Druck der deutschen Bundesregierung eine neue Fahrzeugklasse definieren. Autos dieses Segments sollen ausschließlich mit synthetisch erzeugten Kraftstoffen aus Ökostrom angetrieben werden. Am Dienstag dürften die 27 EU-Staaten diese Einigung beschließen.

Die sogenannten E-Fuels stehen wegen ihrer Klimabilanz und der hohen Kosten in der Kritik. In einem Bloomberg-Interview bezeichnete Iveco-Chef Gerrit Marx die synthetischen Kraftstoffe gar als „Champagner des Antriebs“. Wörtlich sagte er: „Wenn Sie einen Ferrari haben oder einmal am Wochenende mit Ihrem Porsche Turbo fahren, wird es Ihnen egal sein, ob ein Liter fünf Euro oder acht Euro kostet.“ Aber das sei „kein Kraftstoff für die Zukunft“. Doch wie sieht die Faktenlage bei den Kosten wirklich aus?

Eine Studie der Strategieberatung Oliver Wyman, die dem Handelsblatt vorliegt, zeigt, dass E-Fuels am ehesten im Fahrzeugbestand sinnvoll eingesetzt werden können. Dennoch sind die Kosten hoch. Für eine schrittweise Beimischung von synthetischen Kraftstoffen zu Benzin, Diesel und Kerosin sind laut der Oliver-Wyman-Analyse von 2030 bis 2040 Investitionen von 120 bis 310 Milliarden Euro erforderlich.

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E-Fuels: Milliarden Liter für Ersatz von Benzin und Diesel im Jahr nötig

„Der Aufwand, um E-Fuels in großen Mengen herzustellen, ist gigantisch. Das macht man nicht nebenbei“, sagt Fabian Brandt, Leiter des Bereichs Automobil- und Fertigungsindustrie bei Oliver Wyman. Der Branchenkenner geht zwar davon aus, dass in den kommenden Jahren ein globaler Markt für synthetische Kraftstoffe entstehen wird. „Es wird aber viel zu wenig E-Fuels geben, um Millionen von Fahrzeugen im deutschen Bestand damit betreiben zu können.“

E-Fuels werden mithilfe von Strom aus Wasser und Kohlendioxid (CO2) hergestellt. Sie können helfen, die CO2-Emissionen dieser Fahrzeuge sowie jene von Lkw, Schiffen und Flugzeugen zu senken. Laut den Berechnungen von Brandt und seinem Team würden schon bei einer Beimischungsquote von zehn Prozent E-Fuels jährlich etwa vier Milliarden Liter des Kraftstoffs benötigt. Um Diesel und Benzin perspektivisch vollständig zu ersetzen, wären sogar 20 Milliarden Liter erforderlich. Die weltweiten Kapazitäten der bis dato angekündigten Produktionsprojekte für E-Fuels summieren sich aber lediglich auf ein Volumen von maximal zwei Milliarden Litern pro Jahr.

„Die Voll-Substitution von Diesel und Benzin für den deutschen Pkw-Flottenbestand ist überhaupt nicht leistbar“, konstatiert Brandt. Am besten wäre es aus seiner Sicht, die begrenzten Mengen an E-Fuels in Flugzeugen und Schiffen einzusetzen, die nicht so leicht durch in Batterien gespeicherte Energie angetrieben werden können.

Zur Minimierung des Ausstoßes von klimaschädlichen Abgasen im Pkw-Bestand böten sich alternativ zu E-Fuels beispielsweise Kraftstoffe an, die aus Biomasse gewonnen werden, sagt Brandt. Auch wenn beim Einsatz von Bio-Fuels kleinere Umrüstungen bei Bestandsfahrzeugen vorgenommen werden müssten, böten diese noch Potenzial. „Zudem sollte man über Anreize wie Verschrottungsprämien nachdenken, um alte Verbrennerfahrzeuge aus dem Markt zu nehmen.“

E-Fuels für Sportwagen: „Bestenfalls als Nischenanwendung“

Bei Neuwagen würden sich E-Fuels „bestenfalls als Nischenanwendung“ für Sportwagen und andere High-Performance-Fahrzeuge eignen, erklärt der Experte. Es gehe um einige Zehntausend Fahrzeuge. Tatsächlich stehen Baureihen wie der Porsche 911 oder der Mercedes-Benz AMG GT hierzulande für weniger als ein Prozent der Neuzulassungen.

Die großen Segmente rüsten alle Fahrzeughersteller gerade im Eiltempo auf elektrische Antriebe um. Der Grund: Reine Batterieautos sind sehr effizient, sie wandeln etwa 70 Prozent der Energie in Vortrieb um. Mit E-Fuels betankte Fahrzeuge kommen dagegen nur auf einen Wirkungsgrad von 14 Prozent, Benziner auf einen Wirkungsgrad von 20 Prozent.

Gerade Porsche tut sich aber schwer damit, seinen ikonischen Neunelfer in die elektrische Welt zu überführen. Das Fabrikat lasse sich nicht vernünftig unter Strom setzen, verlautet es aus Konzernkreisen. Daher forcieren die Stuttgarter als einziger deutscher Fahrzeughersteller die Entwicklung von E-Fuels.

Porsche-Chef Oliver Blume, der parallel auch den VW-Konzern lenkt, hatte beim Mobilitätsgipfel im Kanzleramt Mitte Januar sogar ein Fläschchen des synthetischen Kraftstoffs dabei, um seinen Argumenten vor den anwesenden Politikern Tragkraft zu verleihen. Anscheinend mit Erfolg. Deutschland konnte sich mit seiner Position in Europa durchsetzen.

Porsche betreibt in Patagonien zusammen mit Siemens Energy und anderen Partnern eine erste Pilotanlage zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen. Die Betreibergesellschaft ist das chilenisch-amerikanische Unternehmen HIF Global. Porsche ist mit 75 Millionen US-Dollar (umgerechnet etwa 71 Millionen Euro) in HIF investiert, was einem Achtel der Anteile des Unternehmens entspricht.

Blumes Linie lautet: Die Zukunft ist elektrisch, aber für den Bestand an Verbrennerautos, die auch nach 2035 noch auf Europas Straßen unterwegs sein werden, sind E-Fuels aus seiner Sicht durchaus sinnvoll. Eine Möglichkeit wäre eine feste Beimischungsquote.

Die Technologie schafft es, den CO2-Ausstoß eines Verbrenners um über 90 Prozent zu senken“, sagte Blume dem Handelsblatt einmal. „Jedes Prozent, das ich beimische, hilft also.“ Davon könnte auch der Porsche-Bestand profitieren. Die Sportwagen aus Schwaben gelten als äußerst robust und wertstabil. Etwa 80 Prozent aller jemals gebauten Porsche-Fahrzeuge sollen heute noch fahrtüchtig sein. Mit E-Fuels könnten sie noch lange weiterfahren.

E-Fuels: Lindner will klimafreundliche Kraftstoffe geringer besteuern

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will Autos, die mit E-Fuels betankt werden, künftig geringer besteuern als Diesel oder Benziner. „Wenn der Kraftstoff klimafreundlich ist, dann muss die Besteuerung von der Kraftfahrzeugsteuer bis zur Energiesteuer angepasst werden.“ Das sei eine wichtige Planungsgröße für die Bürger.

Es ist allerdings fraglich, ob die geringere Steuer auf E-Fuels die von Lindner erhoffte Wirkung entfalten kann. Synthetische Kraftstoffe sind derzeit nicht wettbewerbsfähig, sie kosten zwischen fünf und zehn Euro pro Liter.

E-Fuels sind zudem nur dann klimaneutral, wenn der zur Herstellung benötigte Strom aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird und das notwendige CO2 aus der Atmosphäre, aus Biomasse oder aus Industrieabgasen stammt, also ohnehin schon vorhanden ist.

E-Fuels müssten importiert werden

Dieser Prozess ist sehr aufwendig. In Deutschland sind die Kosten dafür zu hoch. Zudem würde die Herstellung von E-Fuels bei dem aktuellen Strommix hierzulande laut Oliver Wyman um den Faktor 1,8 bis 2,6 mehr CO2-Emissionen verursachen als die Weiternutzung von konventionellen Treibstoffen.

E-Fuels müssen absehbar aus sonnenreichen und windstarken Ländern importiert werden, etwa aus Chile, Australien oder den USA. In diesen Staaten dürfte die Mehrzahl der Anlagen zur Elektrolyse von Wasserstoff sowie zur Synthese von E-Fuels errichtet werden.

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E-Fuels: Breiter Einsatz kostet laut Studie bis zu 310 Milliarden Euro

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