Ein Leben in Blau: Zur Farbbiografie von Ludwig II.
Ludwig II. hatte strahlend dunkelblaue Augen. Vielleicht wählten die Eltern für ihn deshalb als Lieblingsfarbe blau, während sie für seinen Bruder Otto Rot bestimmten. Entsprechend dieser Farbbestimmungen wurden auch die Einbände von Büchern, Mappen, Musiknoten-, Schreib- und Zeichenheften und von kleinen Schmuckgegenständen hergerichtet. Auch als König bevorzugte Ludwig später das ihm in der Kindheit zugeteilte Blau.
Blau war die adäquate Farbe für Romantiker, die nach der „Blauen Blume“ suchten, die sie zu verborgenen Schätzen führen konnte und ihnen wunderbare Geheimisse enthüllen sollte. Heute verkörpert diese Farbe die menschliche Sehnsucht schlechthin.
Die Decke seines Schlafzimmers erstrahlte blau und auch sein Krönungsmantel war in dieser Farbe gehalten, die ihn durch sein Leben begleiten sollte. Blau symbolisiert laut Farbpsychologie neben der Sehnsucht auch Treue und Freundschaft - beides für den König zentrale Begriffe. Einmal soll Ludwig bei der Besichtigung einer Baustelle einen bestimmten Arbeiter vermisst haben. Auf Nachfrage hieß es nur: „Der Mann macht blau.“ Da der König mit diesem Wort nicht die spontane Arbeitsunlust des Mannes verband, sondern glaubte, dieser arbeite gerade an der Farbe Blau für die blaue Grotte bei Schloss Linderhof, sagte er: „Der Mann hat recht. Er soll nur so weitermachen.“
Blau war dem König nie Blau genug und die Intensität der Farbe Blau stellte ihn nie zufrieden, sodass er schließlich bei der Badischen Anilin- und Sodafabrik (BASF) in Ludwigshafen anfragte, ob sie ihm die Farbe chemisch herstellen könne. Nach Ludwigs Tod ließ sich BASF das von Ludwig II. geforderte Indigo patentieren. Das Blau wurde später in Amerika zur Färbung von Segeltuchhosen verwendet. Ohne den Wunsch des bayerischen Königs nach einem wirklich „blauen Blau“ und seinem penetranten Bitten hätte es die Blue Jeans vielleicht nie gegeben.
Die Venusgrotte bei Linderhof erstrahlte nicht nur in den Farben Rot, Rosa, Grün, sondern auch in Blau, wenn sich der König auf dem See zur Musik Richard Wagners herumrudern ließ. Ludwig II. liebte die Nacht, die der Mond für ihn, den „Mondkönig“ in dunklem Blau erstrahlen ließ, wenn er in seiner Prunkkutsche gespenstisch durch die Nacht raste.
In späteren Jahren gewann über Ludwig II. immer mehr das Gefühl der Einsamkeit und Niedergeschlagenheit die Oberhand. Er bekam regelrecht den „Blues“, und blau begann sich für ihn in blaugrau, dann in graublau und schließlich in Grau zu verwandeln und das Grau der Realität verdrängte sein einstiges Schwarz-Weiß-Denken. An seinem Todestag hüllte unablässiger Regen den Starnberger See, in dem sein Leichnam gefunden wurde, in endlos tristes Grau.
Himmel und Augen: Warum Blau die Lieblingsfarbe der meisten Menschen ist
Schuld, Mitschuld und Verantwortung: Warum uns der Untergang Ludwigs II. noch heute angeht
Alfons Schweiggert: Der Ludwig-II.-Prozess. Die Schuldigen an der Königskatastrophe. Volk Verlag, München 2022.