„Lieber melde ich mich direkt, als täglich mit ungefragten Anrufen und E-Mails bombardiert zu werden.“ - Paccor-Recruitingchef Marcel Rütten (Foto: Unternehmen)
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Ein Recruitingchef erklärt: Aus diesen drei Gründen nerven mich Headhunter

Marcel Rütten stellt jährlich Hunderte Menschen neu ein – und wird immer wieder ungefragt von Personalberatern kontaktiert. Hier erklärt er, warum er jedes Mal eine Zusammenarbeit absagt.

Düsseldorf. Headhunter haben derzeit Hochkonjunktur: Etwa ein Drittel aller Angestellten in Deutschland wurde zuletzt von externen Personalberatern angesprochen – eine Verdoppelung im Vergleich zur Zeit vor der Coronapandemie. Das zeigt der aktuelle Gallup Engagement Index, eine der größten Arbeitnehmerbefragungen hierzulande.

Für Marcel Rütten hat sich die gestiegene Headhunter-Ansprache zur echten Plage entwickelt. Der Personalprofi beobachtet: Selbst mit einem freundlichen Nein lassen sich die Berater derzeit kaum noch abwimmeln. So endeten die meisten Gespräche mit dem unverlangten Versprechen, dass man sich in wenigen Wochen oder Monaten erneut melden werde.

„Das nervt“, fasst Rütten zusammen. Für seinen Arbeitgeber – das Verpackungsunternehmen Paccor – besetzt er jährlich europaweit mehrere Hundert Positionen neu und zählt dabei auf die Kraft seiner eigenen Leute.

Rütten nennt drei zentrale Gründe, warum er bei ungefragten Angeboten von Personalberatern grundsätzlich eine ablehnende Haltung einnimmt. Aus seinen Antworten können auch andere Entscheider lernen:

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1. Headhunter kennen das Unternehmen nicht

Der größte Nachteil von Personalberaterinnen oder Personalberatern ist der offensichtlichste: Headhunter sind per Definition Externe. „Sie können das Unternehmen daher nur bedingt repräsentieren und bleiben stets in der Vermittlerrolle“, sagt Rütten.

Firmenkultur, interne Prozesse der Personalabteilungen und Strategien: „Das ist den Headhuntern in der Regel nicht bekannt“, sagt Rütten. Dadurch seien die Berater kaum in der Lage, potenziellen Kandidaten das ganze Bild des Unternehmens zu präsentieren.

Rütten setzt dagegen fest auf internes Recruiting. Der Vorteil der eigenen Rekrutierungsmannschaft aus Sicht des Managers: „Sie kennen die handelnden Personen besser, wissen um interne Prozesse und Schnittstellen und sind Botschafter der eigenen Unternehmenskultur.“ Das wirke authentisch – vor allem auf Bewerber.

Headhunter hingegen müssten häufig mit verklausulierten Ansprachen arbeiten wie etwa: „Für unseren Mandanten, einen etablierten Mittelständler aus der Metropolregion XY, suchen wir aktuell im Raum Westdeutschland einen Mitarbeiter (m/w/d).“

Solche Ansprachen seien nicht nur unattraktiv für die konkrete Besetzung einer Stelle, meint Rütten. „Sie erweisen allen anderen Headhuntern auch einen Bärendienst, weil Kandidatinnen und Kandidaten mit jeder dieser Nachrichten weniger aufgeschlossen für ein Gespräch sind.“

2. Headhunter können die interne Zusammenarbeit vergiften

Es gibt Personalberatungen, die neben den HR-Abteilungen auch versuchen, die Entscheiderinnen und Entscheider spezieller Fachabteilungen anzusprechen. Die Hoffnung: direkten Zugang erhalten. „Meistens laufen diese Nachrichten jedoch ins Leere, wenn den Fachabteilungen interne Prozesse bekannt sind“, sagt Rütten.

Manchmal komme es allerdings dazu, dass genau diese E-Mail oder dieses Telefonat „Begehrlichkeiten bei Fachabteilungen“ wecke, so der Manager. Etwa dann, wenn die Personalberatungen einen langjährigen Schmerzpunkt der Abteilung ansprechen, für den die eigenen Personaler entweder nichts können oder noch keine Lösung finden konnten. Oder wenn Headhunter die Leistungsfähigkeit der eigenen Talentscouts in Zweifel ziehen – und damit auf offene Ohren treffen.

Das Problem: „Für interne Recruiter wird die eigene Arbeit damit auf Dauer immer schwieriger, wenn die Fachabteilungen nicht mitziehen und eine andere Strategie verfolgen“, sagt Rütten. So könnten Interne und Externe im Zweifel zu ähnlichen Einschätzungen kommen, was Marktgeschehen, Besetzungszeiten oder Gehaltserwartungen angeht. „Die Internen werden nach Ansprache von Headhuntern aber unter Umständen nicht mehr im selben Maße von der Fachabteilung wahrgenommen und akzeptiert wie vorher“, so Rütten.

3. Headhunter können teuer werden

Personalberatungen kosten – und das nicht zu knapp. In der Regel sind Provisionen und Honorare von Headhuntern erfolgsabhängig gestaffelt und betragen oft 20 bis 30 Prozent des Jahresgehalts der einzustellenden Person, sagt Rütten: „Da kann schnell ein fünfstelliger Betrag pro Besetzung zustande kommen.“

Klar: Auch eine interne Kraft fürs Recruiting kostet. Gleichzeitig sind HR-Experten derzeit sehr gefragt am Arbeitsmarkt und damit schwer zu kriegen. Rütten rechnet jedoch vor: „Wenn ich als Unternehmen jemanden für die Talentsuche einstelle – mit einem Jahresgehalt zwischen 60.000 und 80.000 Euro, wird deutlich, dass sich dieses Jahresgehalt schnell amortisieren kann, wenn dieser Jemand etwa fünf bis zehn Personen einstellt.“

Das Unternehmen hat für den Betrag zudem die Möglichkeit, das ganze Jahr auf einen Recruiter oder eine Recruiterin zurückzugreifen statt nur einmalig für eine spezielle Suche.

Dazu kommt: Headhunter freuen sich in der Regel, wenn Kandidaten am oberen Ende des Gehaltsbudgets landen, weil damit auch die eigene Bezahlung höher ausfällt. „Interne Recruiter haben hingegen ein deutlich stärkeres Interesse daran, dass Gehaltsstrukturen innerhalb von Teams und Organisationen vergleichbar und fair bleiben, um die bisherigen Mitarbeitenden nicht zu demotivieren“, sagt Rütten. Ein wichtiger Unterschied, den Personalverantwortliche in der Zusammenarbeit mit HR-Abteilungen und Personalberatern kennen sollten.

Wo Headhunter dennoch nutzen können

Rüttens Bedenken zeigen: Es kann sich für Unternehmen durchaus lohnen und rechnen, zuerst auf die eigene HR-Abteilung zu setzen. Was nicht heißt, dass Headhunter niemals als Hilfe für Unternehmen infrage kommen. So ist ein Einsatz der Personalberatungen und ihrer externen Recruitingkräfte immer dann sinnvoll, wenn die eigene HR-Abteilung überlastet ist, zu klein oder außergewöhnlich stark auf der Suche ist.

Auch bei Topbesetzungen kommen in der Regel etablierte Personalberater ins Spiel – die von ihrem Netzwerk und tiefen Branchenkenntnissen profitieren. Und auch Headhunter-Skeptiker Rütten arbeitet hin und wieder mit externen Recruitern zusammen, die er selbst gut kennt oder von Kollegen empfohlen bekommen hat. „Lieber melde ich mich direkt, als täglich mit ungefragten Anrufen und E-Mails bombardiert zu werden.“

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