„Ein Schlag ins Kontor“: Razzia schockt Mitarbeiter von Deutsche Bank-Tochter DWS
Die Zentralen des Instituts und seiner Fondstochter werden in Frankfurt von Staatsanwaltschaft, BKA und Bafin durchsucht. Hintergrund ist der Verdacht des Kapitalanlagebetrugs gegen die DWS.
Die Deutsche Bank hat erneut Ärger mit den Strafverfolgungsbehörden: Beamte der Staatsanwaltschaft starteten am Dienstagvormittag Razzien in den Zwillingstürmen der Deutschen Bank sowie im benachbarten Gebäude der Fondstochter DWS. Die Behörde ermittelt nach eigenen Angaben wegen des Anfangsverdachts des Kapitalanlagebetrugs.
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Konkret geht es um den Vorwurf des sogenannten Greenwashings gegen die DWS. Der börsennotierte Vermögensverwalter, an dem die Deutsche Bank die Mehrheit hält, steht im Verdacht, sein Engagement in Sachen Nachhaltigkeit und grüne Investments systematisch übertrieben dargestellt zu haben.
Die DWS sieht sich mit den Vorwürfen konfrontiert, seit ihre frühere Nachhaltigkeitsbeauftragte Desiree Fixler im August 2021 damit an die Öffentlichkeit ging. Fixler hatte sich zunächst an die US-Börsenaufsicht SEC und die amerikanische Bundespolizei FBI gewandt. Behördliche Untersuchungen in den USA und Deutschland waren die Folge.
Für die Razzia am Dienstag waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft Berichte in den internationalen und nationalen Medien verfahrensauslösend, wonach der Vermögensverwalter DWS bei der Vermarktung von sogenannten „grünen Finanzprodukten“ (ESG-Produkte - Environment, Social, Governance) diese Finanzprodukte „grüner“ beziehungsweise „nachhaltiger“ verkauft habe, als sie tatsächlich sind.
Die Staatsanwaltschaft bezog sich ebenfalls „unter anderem auf Aussagen einer ehemaligen Managerin der DWS“: „Nach Prüfung haben sich zureichende tatsächliche Anhaltspunkte ergeben, dass entgegen der Angaben in Verkaufsprospekten von DWS-Fonds ESG-Faktoren nur in einer Minderheit der Investments tatsächlich berücksichtigt worden sind, in einer Vielzahl von Beteiligungen jedoch keinerlei Beachtung gefunden haben („Prospektbetrug“)“, sagte die Sprecherin der Behörde, Nadja Niesen.
Etwa 50 Beamte der Staatsanwaltschaft, der Finanzaufsicht Bafin und des Bundeskriminalamts seien bei der Razzia im Einsatz, sagte Niesen dem Handelsblatt. „Die Ermittlungen laufen seit Anfang des Jahres und richten sich noch gegen unbekannt“, erläuterte sie.
Ein Sprecher der Fondstochter bestätigte die Durchsuchungen und sagte: „Die DWS kooperiert zu diesem Thema seit über sechs Monaten vollumfänglich mit Aufsichtsbehörden und Regulatoren. Unser Unternehmensstatement vom 26. August 2021 gilt unverändert.“ Darin hatte die DWS betont, dass sie weiterhin zu den Aussagen zum Thema Nachhaltigkeit in ihren Jahresberichten stehe und die Vorwürfe der ehemaligen Mitarbeiterin Fixler zurückweise.
Die Deutsche Bank wollte sich über das Statement der DWS hinaus nicht zu den Durchsuchungen äußern. Die Aktien von Deutscher Bank und DWS fielen nach der Meldung zunächst deutlich um mehr als vier Prozent, erholten sich bis zum Mittag aber zumindest teilweise wieder.
Rückschlag für DWS-Chef Asoka Wöhrmann
Innerhalb der DWS hatten die Durchsuchungen am Dienstag für helle Aufregung gesorgt. „Das ist ein Schlag ins Kontor“, sagte ein Mitarbeiter. Nachdem es um die Vorwürfe zuletzt ruhiger geworden war, habe man eher mit Neuigkeiten von den Untersuchungen aus den USA gerechnet, aber nicht mehr aus Deutschland.
Die Durchsuchungen sind ein Rückschlag für DWS-Chef Asoka Wöhrmann, der sich am 9. Juni einer Hauptversammlung stellen muss. Der Manager steht nicht nur wegen der Greenwashing-Vorwürfe unter Druck.
Die Bank untersucht auch seit Monaten, ob und in welchem Umfang Wöhrmann private E-Mail-Konten für geschäftliche Nachrichten genutzt hat, was gegen die internen Regeln des Geldhauses verstoßen würde. Nach Informationen aus Finanzkreisen sind diese Untersuchungen nach wie vor nicht abgeschlossen.
In der Finanzbranche rechnet man damit, dass die fortwährenden Probleme nun bald zu personellen Konsequenzen führen wird. Es werde wohl darauf hinauslaufen, dass entweder DWS-Chef Wöhrmann oder DWS-Aufsichtsratschef Karl von Rohr, der im Deutsche-Bank-Vorstand das Privatkundengeschäft verantwortet, den Hut nehmen muss, sagte ein institutioneller Investor.
Die Greenwashing-Vorwürfe gegen die DWS sind auch für die Deutsche Bank eine Belastung. Innerhalb des Instituts gibt es Stimmen, die befürchten, dass die Negativschlagzeilen der DWS auf die Glaubwürdigkeit der Deutschen Bank in diesem Bereich abfärben könnten.
Denn das Geldhaus sieht große Geschäftschancen im Nachhaltigkeitsbereich und will sich in der Öffentlichkeit als Vorreiter in diesem Feld positionieren. Vor kurzem kündigte die Bank zum Beispiel an, ab Juli von ihren Lieferanten bei größeren Aufträgen eine Nachhaltigkeits-Bewertung einer externen Ratingagentur zu verlangen. Von 2023 an müssen die Lieferanten dabei auch noch eine Mindestbewertung erreichen. Das soll für jeden neuen oder verlängerten Vertrag von über 500.000 Euro pro Jahr gelten.
Die Razzia zeigt darüber hinaus, dass sich die Bank bei regulatorischen Fragen noch weiter verbessern muss. Zuletzt hatte die Deutsche Bank Ende April Ärger mit den Strafverfolgungsbehörden. Damals durchsuchten Fahnder der Staatsanwaltschaft, des Bundeskriminalamts und Beamte der Bafin das Geldhaus wegen des Verdachts auf Mängel bei der Geldwäschebekämpfung.
Hintergrund der Aktion: Geschäfte des ehemaligen syrischen Vizepräsidenten Rifaat al-Assad. Der war zwar Finanzkreisen zufolge kein Kunde der Deutschen Bank. Aber im Rahmen seines Korrespondenzbankengeschäfts soll das Geldhaus doch an Zahlungen des Assad-Clans beteiligt gewesen sein.