Ein Stacheldraht für dein Team? Oder lieber ein paar Brücken?
Was gibt es Schöneres, als in einem Projekt zu arbeiten – außerhalb der Linie, mit neuen Menschen, mit anderen Themen als den sonst üblichen?
Was gibt es Schrecklicheres, als in zwölf Projekten zu arbeiten – mit zwölf unterschiedlichen Chefs, zwölf unterschiedlichen Terminkalendern, zwölf unterschiedlichen Meeting-, Verbindlichkeits- und Teamkulturen?
In vielen Organisationen greift die Projektitis um sich. Eine Studie von Heike Bruch und anderen (2015) in einem Automobilkonzern fand heraus:
Die Multiprojektkontexte wurden dort immer häufiger (z.B. Mitarbeiter aus R&D zusammen mit jenen von Design, Controlling, Produktion, Marketing …).
1200 MA arbeiteten in 7000 solchen abteilungsübergreifenden Projekten (also durchschnittlich 5/MA mit 30 Projekten als Spitzenwert!).
Als Folgen entstanden ein Mangel an Wir-Gefühl, die Gefahr der Überforderung, Schwierigkeiten der Priorisierung
und erhöhte Kündigungsabsichten, reduziertes Engagement, verringerte Identifikation mit dem Unternehmen sowie reduziertes Vertrauen zu den KollegInnen als Konsequenzen.
Ein Ansatz, der hier helfen kann: Team Boundary Management (TBM). Das heißt genau was?
... activities that establish, maintain, and regulate linkages with the surrounding environment … (Leicht-Deobald et al. 2023)
Wenn Teams aktiv an ihren Grenzen arbeiten, kann das führen zu
höherer Team-Performance
größerer Zufriedenheit der Team-Mitglieder
geringerem Stresserleben
höherer Innovation im Team
... (s.o.)
3 Strategien der Arbeit mit/an Teamgrenzen
Die TBM-Literatur unterscheidet zwischen drei unterschiedlichen Ansätzen, um die Grenzen des Teams konstruktiv zu bearbeiten:
1. Brücken bauen zur Team-Umwelt
2. Team abschirmen von der Umwelt
3. Team nach innen stärken
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Dein Team konstruktiv führen – ein wichtiges Thema in meinem nächsten Positive-Leadership-Workshop nahe München Ende November. Infos und Anmeldung unter
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Aber welche Strategien und Tools können konkret helfen, um die Teamgrenzen konstruktiv zu bearbeiten – aus Mitarbeitendensicht, als LeaderIn, als Personalkraft? Hier ein paar Vorschläge für Mitarbeitende, Führungskräfte und Personalverantwortliche in jeder Dimension:
1. Spanning (Verbindungen nach außen stärken)
Um den Austausch von Informationen, Ressourcen etc. mit anderen Teams, Abteilungen oder externen Stakeholdern zu fördern, können…
Mitarbeitende
„Schnupperpraktika“ in anderen relevanten Umwelten machen
an Teamübergreifenden Sportereignissen, Hilfsaktionen, Umweltprojekten o.ä. teilnehmen
in Communities of Practice, Working out Loud-Gruppen oder ähnlichem dabeisein
Führungskräfte
Job Rotation fördern
Cross-Team-Meetings zwischen Führungskräften und/oder Mitarbeitenden veranschlagen
zu Gastvorträgen aus anderen Organisationseinheiten einladen
Personalverantwortliche
Onboardingprozesse mit Blick über den Tellerrand einführen
Apps, das Intranet oder andere Kommunikationsplattformen vorantreiben
Angebote für teamübergreifendes Lernen machen
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2. Buffering/Protecting (Teamgrenzen schützen)
Um Teams von zu vielen Anforderungen, Informationen etc. von außen zu schützen, können…
Mitarbeitende
Anfragen priorisieren
Teamziele und -aufgaben verteidigen
Klarheit bei Kommunikationszeiten und -kanälen mitgestalten und einfordern
Führungskräfte
regelmäßig Frühjahrsputz halten und alte Zöpfe abschneiden
Abgrenzendendes Verhalten nach außen von Teammitgliedern fördern, belobigen, fordern
AKV-Pläne (Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten), RACI-Charts (responsibility, accountabilities, to be consulted, to be informed) etc. erarbeiten und aktualisieren lassen
Personalverantwortliche
„Wer macht hier was“-Wikis fördern
nachhaltige Programme für den Umgang mit Stress und Belastungen anbieten
Arbeitszeitmodelle und -tools anbieten, die Fokus ermöglichen
3. Reinforcing (Team nach innen stärken)
Für mehr interne Kohäsion von und in Teams können…
Mitarbeitende
Vorschläge für Team-Rituale (z. B. Kaffeerunde, Wochenabschluss) machen
Erfolge im Team feiern und anerkennen
Pünktlichkeit und andere Formen von Verbindlichkeit diskutieren, einfordern, vorleben
Führungskräfte
Unterschiedliche Perspektiven im Team bewusst nutzen
gemeinsame Teamwerte definieren und leben
unterschiedliche Stärken stärker erkennen, benennen und durch entsprechende Delegation etc. anerkennen
Personalverantwortliche
Teambuilding-Maßnahmen anregen und budgetieren
Unterstützung für Team-Coachings und (Konflikt-)Moderationen anbieten
Standards für eine wertschätzende Zusammenarbeit entwickeln
Studien etwa aus dem Gesundheitsbereich legen nahe, dass das Führungsverhalten – du ahnst es wahrscheinlich schon – besonders großen Einfluss auf die Teamgrenzen hat (Chreim et al 2013).
❓Wie erlebst Du den Umgang mit Team-Grenzen bei Dir/Euch?
Schönen Start in eine gute, möglichst nicht entgrenzte Woche!
PS: Du machst, ihr macht, Sie machen das gut!
PPS: Das Thema behandeln wir auch in den "Positive Teams"-Modulen der Deutsche Gesellschaft für Positive Psychologie, vielleicht ja spannend für dich? Nächste Ausgabe Ende Mai 2025!
LITERATUR
Bruch, H., Leicht-Deobald, U. & Mainert, J. (2015). Team Boundary Management: Wie man Teams vor Überforderung schützt. Zeitschrift für Führung und Organisation. 5/2015. 314-318.
Chreim, S., Langley, A., Comeau-Vallée, M., Huq, J. L., & Reay, T. (2013). Leadership as boundary work in healthcare teams. Leadership, 9(2), 201-228.
Leicht-Deobald, U., Backmann, J., de Vries, T. A., Weiss, M., Hohmann, S., Walter, F., van der Vegt, G. S., & Hoegl, M. (2023). A Contingency Framework for the Performance Consequences of Team Boundary Management: A Meta-Analysis of 30 Years of Research. Journal of Management, 0(0).