Ein Start-up will jetzt einzelne Ladesäulen an Anleger verkaufen
In Deutschland fehlen noch Hunderttausende Ladepunkte für Elektroautos. Wirelane versucht das mit einem neuen Ansatz zu ändern. Doch Anlegerschützer sind skeptisch.
München. Der Aufbau des Elektro-Ladesäulennetzes in Deutschland kommt nur langsam voran – für eine Mobilitätswende womöglich zu langsam. Die Bundesregierung will zwar, dass bis zum Jahr 2030 etwa eine Million öffentliche Ladepunkte vorhanden sind. Doch, warnt Constantin Schwaab, Chef und Gründer des Ladesäulen-Betreibers Wirelane, im Gespräch mit dem Handelsblatt: „Wenn wir das erreichen wollen, müssen wir kreative Wege in der Finanzierung finden.“
Das Start-up, das gut 3000 Ladepunkte in Deutschland selbst betreibt, und weitere Tausende zum Beispiel für Stadtwerke abrechnet, setzt auf einen ganz neuen Ansatz: Wirelane will künftig einzelne Ladesäulen an Privatanleger verkaufen.
Die Idee ist ein wenig vergleichbar mit Bürgerwindparks, bei denen private Anleger sich an Betreibergesellschaften beteiligen und so von den Erträgen profitieren können.
Allerdings müssen derlei Beteiligungen nicht von der Finanzmarktaufsicht kontrolliert werden. Wirelane will also den grauen Kapitalmarkt anzapfen. Denn die Banken sind bei der Finanzierung des Aufbaus der Infrastruktur zurückhaltend.
Etwa 17.000 Euro soll eine Ladesäule mit zwei Ladepunkten für die Anleger kosten. Jede Säule hat eine Seriennummer. „Die Kunden wissen von Tag 1, was ihnen gehört“, sagt Schwaab.
So viel soll die Anlage bringen
7,5 Prozent Rendite (Internal Rate of Return/IRR) soll es über acht Jahre geben. Sofern der Gesamtpool von Ladesäulen höhere Gewinne erzielt, können es auch mehr sein. „Wir sind seit acht Jahren am Markt und wissen, dass man Ladesäulen profitabel betreiben kann“, meint Schwaab. Der Standort einer Säule spiele für die Rendite keine Rolle, da alle Einnahmen in einen Topf gehen.
Doch wird bei dem Modell das unternehmerische Risiko an die Anleger weitergegeben. Wirelane verkauft die Säulen an den Finanzdienstleister Paribus, der sie dann weitervertreibt.
Experten raten, solche Modelle gut zu prüfen. Vergleichbare Modelle gebe es bereits zum Beispiel mit Schiffscontainern, Leuchten und sogar Bäumen, sagt Daniel Bauer, Vorstandsvorsitzender der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Und: „Anleger sind mit Investitionen in Sachwerte oft schlecht gefahren.“
Sie sollten unter anderem darauf achten, wie ihnen rechtlich Eigentum an einer bestimmten Ladesäule verschafft werde. Auch müsse geklärt werden, was etwa im Falle einer Insolvenz passiere. Konkret könne man das Modell aber erst beurteilen, wenn die rechtliche Konstruktion bekannt sei.
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Wirelanes Fehde mit Elon Musk
Derzeit kommen die Betreiber von Ladesäulen aus sehr unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen: Von den Stromversorgern über den Autobauer Tesla bis hin zu Start-ups wie Wirelane. Eine klare Struktur hat sich noch nicht herausgebildet.
Experten rechnen mit einer Marktbereinigung. „Aller Voraussicht nach wird sich der Markt nach 2025 konsolidieren“, heißt es in einer Studie von der Unternehmensberatung Roland Berger. Es würden sich „diejenigen Unternehmen durchsetzen, die in den nächsten zwei bis drei Jahren die richtigen Entscheidungen treffen und die notwendigen Investitionen tätigen“.
Laut Bundesnetzagentur gab es zuletzt in Deutschland mehr als 93.000 Normal- und rund 22.000 Schnellladepunkte. Die Differenz zu einem flächendeckenden Netz mit einer Million Säulen ist also groß. Deutschland hinke den Plänen hinterher, sagte Paribus-Geschäftsführer Thomas Böcher: „Das ist eine große Herausforderung, aber auch eine Chance, privates Kapital zu attraktiven Konditionen zu investieren.“
Die Branche drängt auf einen rascheren Ausbau. „Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist eine der drängendsten Infrastrukturaufgaben für Deutschland, wurde aber lange viel zu sehr vernachlässigt“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Nach Berechnungen des Verbands der Automobilindustrie fehlte bei der letzten Erhebung noch in jeder zweiten Gemeinde in Deutschland ein Ladepunkt.
Eine ganze Reihe von Anbietern ist angetreten, das zu ändern. Wirelane gehört zu den Pionieren. Stark vertreten ist das Start-up vor allem in Parkhäusern und in Hotels, die ihren Gästen die Möglichkeit bieten wollen, während des Aufenthalts ihr Elektroauto auf dem Parkplatz oder in der Tiefgarage zu laden. Das Unternehmen lieferte sich eine Auseinandersetzung mit Tesla.
Zunächst hatte Elon Musks Firma dem deutschen Start-up in einer Abmahnung Rufschädigung vorgeworfen. Dann warf Wirelane dem Konkurrenten vor, in Deutschland ungeeichte Ladestationen zu betreiben.
Dann kam noch mehr Ärger: Die Staatsanwaltschaft München ermittelte wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug. Wirelane hatte im Namen von Kunden Anträge auf staatliche Zuschüsse in Höhe von bis zu 80 Prozent gestellt. Die Justiz prüfte nun, ob Fördermittel teilweise zu Unrecht beantragt worden sein könnten. Wirelane betonte, dass man sich stets korrekt verhalten und die notwendigen Informationen bei den Kunden abgefragt habe. Das Unternehmen bekam auch recht: Das Verfahren wurde inzwischen eingestellt.
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