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Eine Branche im Abschwung – Paketdienste verfehlen Erwartungen

Die Ertragsschwäche der Unternehmen hält an. Selbst etablierte Zusteller sind zuletzt in die Verlustzone geraten. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Düsseldorf. Auf den ersten Blick dürfte die am Mittwoch veröffentlichte Jahresbilanz der Paket-, Express- und Kurierbranche in Deutschland Anlass zur Zufriedenheit geben. Um 2,8 Prozent ging es bei der Sendungsmenge im Vorjahr nach oben, beim Umsatz erzielten die Zusteller sogar ein Plus von 4,1 Prozent.

Tatsächlich aber befindet sich die Branche, die 266.300 Mitarbeiter zählt, weiter im Abschwung. Selbst etablierte Paketdienste gerieten zuletzt in die Verlustzone. „Mehr Umsatz bedeutet eben nicht mehr Gewinn“, sagte Marten Bosselmann, Vorsitzender des Branchenverbands BPEX. Am Mittwoch legte die Standesvertretung der deutschen Paket-, Express- und Kurierdienste ihre Jahreszahlen vor.

Einer der Gründe für die anhaltende Ertragsschwäche der Branche: „Der Mindestlohn hat sich seit 2020 um 35 Prozent erhöht“, sagt Bosselmann. Auch das übrige Tarifniveau in der Branche, in der die Personalkosten traditionell hoch sind, sei dadurch deutlich gestiegen, berichtet der Verbandschef.

Zudem gelang es der Branche nicht, ihre Preise im gleichen Maß wie die Inflation anzupassen. „Der Durchschnittserlös pro Sendung von 6,44 Euro lag 2024 rund 47 Cent über dem Wert aus 2014“, berichtet Klaus Esser, Marktforscher bei KE-Consult. Zum Inflationsausgleich hätten es 55 Cent sein müssen.

Was noch schwerer wiegt: Die Hoffnungen zahlreicher Paketdienste, die im Zuge der Coronapandemie massiv auf ein Wachstum im E-Commerce gesetzt hatten, haben sich nicht erfüllt. Schon nach dem Ende der Lockdowns im zweiten Quartal 2022 waren die Umsätze um rund neun Prozent eingebrochen. Im darauffolgenden Weihnachtsgeschäft wurde sogar ein Rückgang von 17 Prozent verzeichnet.

Erst seit Mitte 2024 stabilisieren sich die Online-Einkäufe wieder ein wenig – allerdings auf niedrigem Niveau. Erstmals seit 2021 stiegen dort die Erlöse im vergangenen Jahr, wobei das Plus von 1,1 Prozent die doppelt so hohe Inflation nicht ausgleichen konnte.

Die Auswirkungen auf den Paketmarkt sind unübersehbar. Laut KE-Consult-Marktforscher Esser liege man gegenüber den im Jahr 2019 veröffentlichten Sendungsprognosen rund anderthalb Jahre zurück.

Wachstum von 2,5 Prozent erwartet

Eine durchgreifende Besserung ist kaum in Sicht. Für das laufende Jahr erwarten der Bundesverband E-Commerce und
Versandhandel (BEVH) und das EHI Retail Institute, dass der E-Commerce mit Waren gerade einmal um 2,5 Prozent zulegen wird. Mit einem ähnlichen Wachstum rechnet auch der Paketmarkt.

Hinzu kommt: Als wesentlicher Wachstumstreiber erwies sich 2024 im E-Commerce die Lebensmittelzustellung, wo 5,5 Prozent mehr geordert wurde als im Jahr zuvor. Da Anbieter wie Picnic oder Flink die Ware jedoch selbst zustellen, läuft das Geschäft an den klassischen Paketdiensten vorbei.

*Paket-, Express- und Kuriersendungen, HANDELSBLATT; Quelle(n): BPEX/KE Consult

Die schwache Marktentwicklung spiegelt sich längst in den Geschäftsberichten der großen Paketdienste wider. Vor allem Anbieter, die sich auf die Belieferung privater Haushalte (B2C) konzentrieren, verlieren zunehmend an Ertragskraft. Als Ursache nennen Experten wie Ex-GLS-Chef Rico Back die hohen Zusatzkosten, die fällig werden, sobald der Paketbote beim ersten Zustellversuch scheitert.

Zu den besonders von Verlusten betroffenen Privatzustellern zählt Hermes Germany – der Paketdienst wurde einst vom Hamburger Versandhändler Otto gegründet, um sich aus der Abhängigkeit von der Deutschen Post zu lösen.

Hermes-Paketbote: Der Zusteller verzeichnet steigende Verluste. Foto: imago images / Schšning

Der Turnaround des Zustellers lässt seit Langem auf sich warten. Im Geschäftsjahr 2023/2024 verzeichnete Hermes Germany einen Nettoverlust von knapp 58 Millionen Euro, im jüngsten Konzernabschluss spricht Otto – ohne konkrete Zahlen zu nennen – von einem noch „höheren Verlustbeitrag der Hermes Germany GmbH“. Der Verlust im gesamten Logistikgeschäft, das die Hamburger in der Sparte „Services“ bündeln, verdoppelte sich auf 153 Millionen Euro.

Kaum besser ergeht es offenbar dem Paketdienst DPD Deutschland. Die Zahlen für 2024 hält die Tochter der französischen La Poste zwar noch unter Verschluss. 2023 aber häuften sich bei dem Deutschlandableger, der sein ursprüngliches Firmenkundengeschäft in den vergangenen Jahren massiv um E-Commerce-Zustellungen erweiterte, die Verluste. Nach einem Minus von 94 Millionen Euro im Vorjahr wies DPD Deutschland zum Jahresende 2023 einen Nettoverlust von 141 Millionen Euro aus.

In den schwarzen Zahlen konnte sich hingegen der deutsche Ableger des britischen GLS-Konzerns halten, der kurz vor der Übernahme durch den tschechischen Investor Daniel Kretinsky steht. Das Schwesterunternehmen der Royal Mail, das vorzugsweise Gewerbeunternehmen beliefert, verdiente im Geschäftsjahr in Deutschland – inklusive der Töchter in Österreich und Ungarn – 82 Millionen Euro.

Gemeinsamer Paketshop von GLS und DPD: Kostenträchtiges Endkundengeschäft. Foto: DPD

Allerdings erodierte der Gewinn um 13 Millionen Euro, während sich der Rückgang der Transportmengen allein durch Preiserhöhungen ausgleichen ließ. Zudem reichte der operative Cashflow gerade einmal aus, um zwei Drittel der Nettoinvestitionen zu decken. Der restliche Finanzierungsbedarf wurde durch Fremdmittel gedeckt.

Grund hierfür dürfte sein, dass die Zustellung an Gewerbebetriebe, also das B2B-Geschäft, noch deutlich rückläufiger ist als der E-Commerce. 2024 gingen dort die Zustellungen, die in der Gesamtbranche nur noch 40 Prozent ausmachen, um 1,6 Prozent zurück. „Wegen der aktuellen Unsicherheiten in der internationalen Zollpolitik erwarten wir auch in diesem Jahr keine Zuwächse“, sagt BPEX-Chef Bosselmann. Selbst Marktführer DHL, der in Deutschland etwa 40 Prozent aller Pakete zustellt, befindet sich aktuell in der Sanierung. 8000 Jobs sollen gestrichen werden, verkündete der Vorstand vor Kurzem.

Zwar wuchs bei DHL die Paketmenge 2024 um fast fünf und der Umsatz sogar um acht Prozent. Unterm Strich aber schrumpfte in der Sparte, die auch die Briefzustellung umfasst, das Betriebsergebnis. Als Ursache nannte der Vorstand die gestiegenen Personalkosten. So stiegen allein laut Tarifvereinbarung die Gehälter um 11,5 Prozent.

Amazon-Bote: Gedämpfte Nachfrage. Foto: picture alliance/dpa

Selbst das Internetkaufhaus Amazon, das in Deutschland schätzungsweise 15 bis 25 Prozent aller Pakete mit eigenen Zustellern ausliefert, spürt im Zustellgeschäft offenbar eine nachlassende Dynamik. Zwar weisen die zahlreichen Logistik-Einzelgesellschaften in ihren vor wenigen Tagen veröffentlichten Geschäftsberichten oft einen kleinen Gewinn aus, zustande kommt er den Angaben zufolge jedoch allein durch die Verrechnung mit der Konzernmutter.

Hinzu kommt, dass sich in gleich mehreren Jahresabschlüssen fast wortgleich ein wenig ermutigender Satz findet: „Auf Ebene der Gesellschaft ist die Nachfrage nach Logistikdienstleistungen im Geschäftsjahr zurückgegangen.“

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