Eine Personal-Expertin erklärt, was für Quereinsteiger wichtig ist
Über Susanne Wißfelds Tisch gehen jährlich Tausende Bewerbungen. Die Vita eines Kandidaten ist der Randstad-Managerin dabei oft egal. Worauf es bei Quereinsteigern wirklich ankommt.
Düsseldorf. Vom Paketzusteller zum Fachinformatiker – geht das? Heute besser denn je, sagt Susanne Wißfeld. Wer eine Stelle sucht, ist nicht mehr auf den nächstbesten Job angewiesen, so die Geschäftsführerin für den Bereich Innovationen beim Personaldienstleister Randstad. „Wir leben in einem Bewerbermarkt – Punkt“, sagt sie. Das werde eine ganze Weile so bleiben.
Laut Statistischem Bundesamt scheiden in den kommenden 15 Jahren knapp 13 Millionen Arbeitskräfte altersbedingt aus dem Arbeitsmarkt aus. Diejenigen, die nachkommen, reichen nicht aus, um die Fachkräftelücke zu füllen. Kandidaten haben bei Jobangeboten immer häufiger die Wahl.
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Angesichts dieser Machtverschiebung fordert Wißfeld von Unternehmen, radikal auf Kandidaten einzugehen: „Personaler müssen aufhören, starr auf Lebensläufe zu gucken, und stattdessen intensiv mit den Menschen sprechen.“ Danach könnten sie besser entscheiden, wo im Unternehmen jemand am besten eingesetzt sei. Nicht immer sei das der Bereich, in dem jemand bisher gearbeitet habe.
Bewerbung als Quereinsteiger: Wegen Persönlichkeit einstellen, nicht wegen Vergangenheit
Wißfelds Arbeitgeber Randstad hat pro Jahr mit etwa 180.000 Bewerberinnen und Bewerbern in Deutschland Kontakt. Die Managerin kann tatsächlich von einer Vermittlung von einem Paketzusteller berichten, der nach einer Umschulung heute als Fachinformatiker tätig ist. Oder von einem Kandidaten um die 60, der noch mal als Servicetechniker bei einem Windkraftunternehmen neu angefangen hat. Alles Quereinstiege, die so nicht möglich gewesen wären, wenn Arbeitgeber nicht bereit seien, außerhalb des bisher Geleisteten auf einen Kandidaten zu schauen.
„Lebensläufe sind stets in die Vergangenheit gerichtet“, sagt Wißfeld. Die Unterlagen blendeten jedoch völlig aus, was jemand in Zukunft Neues erlernen könnte. Gerade wer Qualifikationen mitbringe, die früher einmal gefragt gewesen seien, heute aber weniger Relevanz hätten, falle so durchs Raster und kassiere regelmäßig Absagen.
Ein Automatismus, den sich Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels eigentlich nicht leisten können, argumentiert Wißfeld. Sie findet: „Wir sollten Menschen aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihrer Fähigkeiten auswählen, nicht weil sie einen bestimmten Berufsweg eingeschlagen haben.“
Deutschlands Personalabteilungen sind lebenslaufversessen. So ergab eine Umfrage der Jobplattform Indeed unter 400 HR-Verantwortlichen vom April, dass etwa 87 Prozent den Lebenslauf als wichtig oder sehr wichtig bezeichnen würden – knapp gefolgt von persönlichen Angaben und Arbeitszeugnissen. Nur das Anschreiben, das viele Unternehmen immer noch fordern, scheint für Personaler heute nicht mehr ganz so wichtig zu sein.
Dieselbe Umfrage zeigte, dass für 57 Prozent der HR-Verantwortlichen die fachliche Eignung sehr wichtig für eine Einstellungsentscheidung ist. Erst mit etwas Abstand folgen Kommunikationsfähigkeiten, Persönlichkeit und Berufserfahrung.
Bewerbung von Quereinsteigern: Unternehmen sollten Bewerber wirklich kennenlernen
Der Personalvermittlerin ist klar, dass manche Jobs einfach erfüllt werden müssen „und es genau den einen Kandidaten für eine spezielle Aufgabe gibt“. Dennoch zeigten die vielen Quereinsteiger-Geschichten, die sie in ihren 15 Jahren bei Randstad erlebt hat, dass Unternehmen bei allen Besetzungen interessiert sein sollen, einen Kandidaten wirklich kennenzulernen und ihn dort einzusetzen, wo er seine Stärken hat – beziehungsweise, wo er sich hinentwickeln will.
Und gerade für traditionsreiche Unternehmen hat Wißfeld eine Warnung: „Wer es als Unternehmen nicht schafft, die Menschen im Bewerbungsgespräch von sich als Arbeitgeber zu begeistern, der kann sich auf Dauer auch nicht auf seinem Namen ausruhen.“ Schließlich gebe es für jedes Talent am heutigen Arbeitsmarkt einen Plan B – egal ob mit oder ohne Lebenslauf.
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