Eine traurige Wahrheit: Der lange Weg zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern
Als Marie von Ebner-Eschenbach 1879 eine Uhrmacherlehre absolvierte, benötigte eine verheiratete Frau noch die Zustimmung des Ehemannes, um „so etwas“ tun zu dürfen. Sie war Gründungsmitglied des Vereins der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien und Mitglied des Deutschen Frauenvereins Reform, wo sie sich für gleiche Bildungschancen für Frauen einsetzte. Und sie ermutigte ihre jüngeren Schriftstellerkolleginnen im Kampf um die Gleichstellung der Frauen.
Der Gescheitere gibt nach! Eine traurige Wahrheit; sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.Marie von Ebner-Eschenbach
Die berühmte Schriftstellerin, die mit 80 Jahren einen Preis für Autorinnen stiftete, ging zwar nicht auf die Barrikaden, ist aber dennoch eine Feministin der ersten Stunde, die sich auch der Macht der Sprache stets bewusst war. So lautet ihr wohl berühmtester Aphorismus: „Eine gescheite Frau hat Millionen geborener Feinde – alle dummen Männer.“ Von ihr lässt sich lernen, dass es nicht reicht, sich immer nur zu beschweren. Wer Veränderungen will, muss sich auch aktiv engagieren.
Dem sind lange Jahre Beharrlichkeit und Kampf gegen die Unmündigkeit der Frau vorausgegangen. 2018/2019 wirkte Dr. Ana Kugli, Jahrgang 1975, als Texterin und Kuratorin an mehreren Jubiläumsausstellungen rund um das Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht“ mit. Daraus entstand die Idee zum Buch „Frauenwahlrecht“, in dem sie Meilensteine auf dem langen Weg der Gleichberechtigung von Frauen und Männern skizziert, die zur Durchsetzung dieses Rechts nötig waren. Ergänzt werden die wichtigsten Stationen durch verschiedene Porträts von prägenden (Wahlrechts)Kämpferinnen, die sich mit ihrem Wirken und ihrer Arbeit maßgeblich für das politische Selbstbestimmungsrecht der Frauen eingesetzt haben und damit zum Fortschritt der modernen Gesellschaft leisteten: von den frühen Wegbereiterinnen wie Louise Otto-Peters, Clara Zetkin und Rosa Luxemburg bis zu Marie Juchacz, der ersten Frau, die im Parlament als Abgeordnete eine Rede hielt.
Statt eines Vorworts zitiert Ana Kugli im Buch „Frauenwahlrecht“ aus ihrer Rede in der Nationalversammlung am 19. Februar 1919: „Es wird hier angestrengtester und zielbewußter Arbeit bedürfen, um den Frauen im staatsrechtlichen und wirtschaftlichen Leben zu der Stellung zu verhelfen, die ihnen zukommt.“ Erinnert wird auch an Anita Augsprung (1857-1943), die ihre individuelle Daseinsart selbst bestimmen wollte: Nach ersten Versuchen als Schauspielerin führte sie mit ihrer Lebenspartnerin ein erfolgreiches Fotoatelier. Und sie tat vieles, was sich für Frauen ihrer Zeit nicht schickte: Sie trug kurze Haare und Hosen, fuhr Fahrrad und ritt im „Herrensitz“ auf Pferden. Auch Hedwig Dohm (1831-1919), die Großmutter von Katia Mann, die sich für die bedingungslose Gleichstellung von Mann und Frau auf allen Gebieten einsetzte, wird hier porträtiert.
„Untätigkeit ist der Schlaftrunk, den man dir, alte Frau, reicht. Trink ihn nicht! Sei etwas. Schaffen ist Freude. Und Freude ist fast Jugend.“
Mit dieser polemischen, kritischen und Vorurteile bekämpfenden Tätigkeit ist ihr geistiges Wirken allerdings nicht erschöpft. Sie zeigte, dass Mutterschaft und Hausfrauentum auch mit Berufstätigkeit vereinbar sind. Und heute? Männer, die vollständig in ihrer Arbeit aufgehen, sind gesellschaftlich nach wie vor akzeptiert. Wenn sie neben ihrer Arbeit die Familie nicht vernachlässigen möchten, wird gern von „Rollenflexibilität“ gesprochen. Doch Frauen, die zugunsten der Arbeit auf Familie verzichten, werden schnell als „Egomanin“ verschrien. Die Vereinbarkeit von Arbeit und Mutter-Sein gilt bei ihnen als „schwieriger Spagat“.
Die Grünen-Politikerin Renate Künast sagte einmal: „Gleichstellung ist erst an dem Tag erreicht, an dem die erste Frau nach einer Saufrunde mit ihren Freundinnen am Zaun des Kanzleramtes rüttelt und aus vollem Herzen brüllt: ‚Ich will da rein!‘ - und es ein paar Jahre später auch schafft.“ Nach wie vor ist auch der Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten weiterhin verschwindend gering. Dass mehr davon wünschenswert sind, ist zwar weitgehender Konsens, doch über den Weg dorthin gibt es unterschiedliche Auffassungen.
Die Berliner Unternehmerin Monika Schulz-Strelow, Vorsitzende des Vereins „Frauen in die Aufsichtsräte“ (FidAR), hat die Erfahrung gemacht, dass es ohne Druck nicht geht und sich die männliche Führungskultur allein mit freiwilligen Maßnahmen nicht aufbrechen lässt. Sie ist sich allerdings auch bewusst, dass Frauenquoten auch bei den Frauen selbst umstritten sind. Zu hoffen bleibt, dass sich stärker die Erkenntnis durchsetzt, wie sehr Unternehmen von weiblichen Führungskräften und Diversity Management profitieren können und immer mehr Frauen bereit sind, Macht und Verantwortung zu übernehmen.
Weiterführende Informationen:
Ana Kugli: Frauenwahlrecht. J. S. Klotz Verlagshaus. Neulingen 2020.
Barbara Bierach: Warum es kaum Frauen im Management gibt. Über das dämliche Geschlecht. Piper Verlag. München 2007.
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.