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Elon Musk nimmt am 29. Oktober 2024 virtuell an der Future Investment Initiative in Riad teil. - Foto: REUTERS
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Elon Musk und x.AI: Wie der Milliardär aus dem Nichts ChatGPT angreift

Elon Musk attackiert mit x.AI und seinem Chatbot Grok Konkurrent ChatGPT. Dabei kommt er besser voran, als es viele für möglich hielten.

Zwei Jahre ist es nun her, dass ein Chatbot die Tech-Welt veränderte. Nachdem das Unternehmen OpenAI am 30. November 2022 die neueste Version seines Chatbots ChatGPT veröffentlicht hat, brach innerhalb von Wochen ein ungekannter Hype los, binnen kürzester Zeit nutzten mehr als 100 Millionen Menschen die Technik. Der Chatbot entfesselte eine beispiellose KI-Investmentflut, machte OpenAIs Ausrüster Nvidia zum wertvollsten Unternehmen der Welt. Der kommerzielle Arm von OpenAI, in einer engen Allianz mit Microsoft verknüpft, ist mit 157 Milliarden Dollar das derzeit am höchsten bewertete Start-up der Welt.

Einer der Gründer von OpenAI mochte sich über den Erfolg jedoch gar nicht freuen. Elon Musk, der OpenAI mit einer Gruppe von KI-Forschern im Dezember 2015 aus der Taufe hob, ist es immer noch unbegreiflich, dass eine Organisation, die als Gegengewicht zu KI von Big Tech aufgesetzt war, nun quasi ein Tochterunternehmen von Microsoft ist.
 „OpenAI wurde als Open-Source-Non-Profit-Unternehmen gegründet, aber jetzt ist es eine geschlossene, gewinnorientierte Organisation, die faktisch eine Tochtergesellschaft von Microsoft ist“, so Musk.

Doppelte Attacke

Im März reichte er deswegen Klage wegen Betrugs gegen OpenAI und deren Chef Sam Altman ein. Die zog er zwar drei Monate später zurück. Aber nur, um sie im August erneut zu aktivieren. Kürzlich erweiterte Musk die Klage, indem er Microsoft und den OpenAI-Investor Reid Hoffman als Mitangeklagte hinzufügte und ihnen vorwarf, mit OpenAI zusammenzuarbeiten, um den Wettbewerb im KI-Sektor zu unterdrücken.

Zugleich begann Musk auch, OpenAI technologisch zu attackieren, schuf im vergangenen Jahr das KI-Unternehmen x.AI, das schon nach wenigen Monaten seinen ersten Chatbot Grok aufsetzte. So verhältnismäßig spät wie Musk damit dran war, so wenig ernst genommen wurde die Technologie zunächst. Doch seither tat Musk, was keiner wie Musk kann: Mit immensem Druck, viel Kreativität und höchstem Risiko schuf er einen Konkurrenten, der in der KI-Welt schon bald eine große Rolle spielen dürfte.

Das „Wall Street Journal“ will erfahren haben, dass x.AI seinen Chatbot schon bald direkt gegen ChatGPT antreten lassen wird, wahrscheinlich sogar noch dieses Jahr.
 Zwar gibt es Grok schon seit Dezember vergangenen Jahres. Aber bislang steht der Bot nur Premium-Nutzern von X, ehemals Twitter, zu Verfügung. Das schränkt sein Publikum arg ein. Die Zahl der X-Abonnenten wird auf zwischen 1,5 bis 2 Millionen geschätzt. Zugriff auf Grok gibt es nur für die Premium-Versionen des X-Abos, ab sieben Dollar im Monat. Und das dürften nur einige Hunderttausend sein. ChatGPT hat hingegen bereits rund 200 Millionen Nutzer, davon etwa zehn Millionen Abonnenten, die 20 Dollar im Monat bezahlen.

Teuer erkaufte Dominanz

Das hat den Vorteil, dass ChatGPT schon allein wegen dieser Präsenz Vorteile und Einblicke hat, welche Fragen besonders populär sind und wie Nutzer den Bot gebrauchen. Und damit parallel die Chance, mit dem Chatbot eine ähnliche Dominanz wie Google mit seiner Suchmaschine zu erreichen. Die Schattenseite: All das verschlingt astronomische Summen. OpenAI erwartet für dieses Jahr einen Verlust von fünf Milliarden Dollar, bei einem Umsatz von vier Milliarden Dollar.

Wettbewerber Anthropic hat sich wegen der horrenden Kosten für Betrieb und Entwickler in eine Allianz mit Amazon und Google geflüchtet. Und mit Googles Gemini und Metas Llama hat ChatGPT Wettbewerber, die ihre KI-Initiativen aus anderen Geschäften querfinanzieren können.

Direkt gegen ChatGPT anzutreten, ist also kostspielig. Aufzuhalten aber scheint das Musk nicht, im Gegenteil. Für die erste Version von Grok brauchte X.AI gerade mal sechzig Tage. ChatGPT beschäftigt derzeit 1700 Mitarbeiter, das Team von X.AI wird auf etwa 100 geschätzt. Unter ihnen aber finden sich einige der begehrtesten KI-Entwickler Kaliforniens, etwa etliche Deepmind-Entwickler wie beispielsweise Igor Babuschkin und Christian Szegedy, die beide einst in Deutschland an der TU Dortmund beziehungsweise der Uni Bonn ausgebildet wurden.

Ein echter Koloss

In der Rekordzeit von vier Monaten hat Musk im Sommer zudem in Memphis, Tennessee, ein eigenes KI-Rechenzentrum aus dem Boden stampfen lassen und in Betrieb genommen. Collossus heißt es. Und der Koloss macht seinem Namen alle Ehre: 100.000 Grafikprozessoren von Nvidia sind dort verbaut, die Zahl soll im nächsten Jahr verdoppelt werden. Die Installation der Rechner und des Modells soll laut Musk nur 19 Tage gedauert haben. „Das ist übermenschlich“, staunte angesichts dessen selbst Nvidia-Chef Jensen Huang.

Um dieses Tempo umsetzen zu können, geht Musk voll ins Risiko. Für das Rechenzentrum in Memphis lagen ähnlich wie einst beim Tesla-Werk in Grünheide bei Baubeginn nicht alle Genehmigungen vor.

Und dann ist da der Einfluss von Musk in der Tech-Branche. Der größte Engpass der KI-Entwickler ist derzeit der Zugriff auf die KI-Beschleuniger von Nvidia. Hier nutzte Musk seine Macht beim Autohersteller Tesla, leitete eigentlich für den Konzern bestimmte Hardware zu x.AI um. „Das Rechenzentrum von Tesla war noch nicht fertig, die Nvidia-Hardware hätte sonst ohnehin nur gelagert werden müssen“, begründete Musk den Schritt vor Aktionären auf seiner Jahreshauptversammlung.

Es gelang ihm auch, Nvidia-Chef Huang zu bewegen, zusätzliche Hardware für x.AI loszueisen. Auch mit dem Argument, dass er sich so weniger abhängig von seinen beiden Großkunden OpenAI und Microsoft mache.

Parallel umgarnt Musk Kapitalgeber. Tatsächlich hat x.AI in gerade mal anderthalb Jahren seit Gründung bereits mindestens 11 Milliarden Dollar Wagniskapital eingeworben, fünf davon in einer gerade laufenden Runde. Unter den Investoren finden sich neben den bekannten Größen aus dem Silicon Valley auch Geldgeber wie Staatsfonds aus Katar und Saudi-Arabien.

Spärliche Datenlage zu Grok

Die Investoren glauben offenbar fest an den Erfolg von x.AI, die Bewertung liegt inzwischen bei 50 Milliarden Dollar. Doch die Gretchen-Frage ist: Kann Grok ChatGPT auch technologisch das Wasser reichen?


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Die Datenlage dazu ist spärlich. Für die Behauptung dass Grok-2, die aktuelle Version, angeblich in einer Liga mit den neuesten Modellen von ChatGPT und Anthropic spiele, gibt es bislang nur eine Quelle: Musk selbst, der dafür bekannt ist, dass er gern übertreibt, um seine Leute anzuspornen und Investoren zu beeindrucken.

Aus den wenigen bekannten Parametern lassen sich derweil nur schwer Rückschlüsse ziehen. So soll ChatGPTs neueste Version mit rund einer Billion Parametern arbeiten, Grok-2 mit 300 Milliarden. Doch das allein sagt wenig aus: Ein schlecht trainiertes Modell mit vielen Parametern kann schwächere Leistungen bringen als ein effizient optimiertes Modell mit weniger Parametern.

Chatbot im Kulturkrieg

Ein Argument für x.AI, ist, dass es exklusiven Zugriff auf den Datenstrom von X hat. Doch auch das lässt sich infrage stellen. Denn während OpenAI auf mittlerweile etablierte Quellen wie Wikipedia oder aber auf Kooperationen mit Medienunternehmen zugreift, werden über Twitter auch viele falsche oder zumindest fragwürdige Informationen verteilt. Der deutsche KI-Pionier Richard Socher, der mit seinem Silicon-Valley-KI-Unternehmen You.com im Markt mitmischt, moniert, dass Grok keine Quellenangaben habe, was entscheidend sei, um falsche Angaben von KI-Assistenten zu identifizieren.

Hinzu kommt, dass Musk nicht nur die beste generative KI im Markt bauen will, sondern sie zugleich im „woken Kulturkrieg“ einsetzen will. Grok ist so konzipiert, dass es bei Wettbewerbern wie ChatGPT oder Google Gemini eingebaute Sicherungen in punkto Diskriminierung und Vorurteilen laxer auslegt. So wie etliche ehemalige Twitter-Anzeigekunden wegen kontroverser Inhalte einen Bogen um X machen oder ihre Präsenz reduzierten, könnte dies auch Grok blühen.

Andererseits: Wieviel Vertrauen Musk bei seinen Fans genießt, zeigte sich, als er sie aufforderte, ihre persönlichen Röntgenbilder, CT-Scans und MRTs von Erkrankungen auf Grok zu laden, um die KI zu trainieren. Trotz Warnungen von Datenschützern kamen dem viele nach.

„Generell ist zu überlegen, ob sowohl ChatGPT und Grok in punkto Informationssicherheit genutzt werden sollten“, gibt Cybersecurity-Experte Mirko Ross, CEO des Stuttgarter Unternehmens asvin, zu bedenken. „Denn beide Systeme sammeln und analysieren Daten in den USA und Anwender geben damit unter Umständen vertrauliche Informationen preis.“

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