Emotionen souverän handhaben als Führungskraft – 7 Strategien
„Sei doch nicht so emotional!“
„Jetzt lassen wir doch mal die Fakten sprechen – und nicht schon wieder die Emotionen!“
„Ich möchte gern weniger emotional agieren und entscheiden!“
So oder so ähnlich erlebe ich viele Führungskräfte im Umgang mit Emotionen: Sie sehen es als etwas, das man irgendwie weghaben, vermeiden, klein halten will, da sie uns vermeintlich an unserem ach so rationalen Denken hindern. Bäh-motionen, eigentlich. Dabei – das hat etwa der gerade verstorbene Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman so eindrucksvoll belegt – prägen Emotionen unser Denken und Handeln sowieso mehr, als uns oft lieb ist. Und sooo zuverlässig ist unser Geist eh nicht, angesichts all der Verzerrungen und Einschränkungen menschlichen Denkens.
Die moderne Emotionsforschung zeigt: Unser Fokus, unser Gedächtnis, unsere Entscheidungen, unsere sozialen Beziehungen, unsere mentale Gesundheit, unsere Aufmerksamkeit und vieles mehr – all das ist stark von Emotionen beeinflusst.
„Egal wie viele Doktortitel Du hast oder Vorstandsposten Du schon hattest – im Umgang mit unseren Emotionen sind die meisten von uns genau so gut ausgebildet wie ein Fünfjähriger“, hat mir Emma Seppälä in der aktuellen Folge meines Podcasts „Positiv Führen“ (hier oder auf den diversen Plattformen) gesagt. Denn als Führungskraft stehst Du mitten in der Flut der zahllosen Informationen, Daten und Meinungen, die permanent auf Dich einströmen. Souverän führen heißt daher auch, und das argumentiert Emma in der Episode und in ihrem spannenden neuen Buch „Sovereign: Reclaim Your Freedom, Energy, and Power in a Time of Distraction, Uncertainty, and Chaos“: Souverän die eigenen Emotionen zu managen.
Das heißt nicht, sie zu bekämpfen – geschweige denn zu ignorieren. Emotionen sind keine Probleme, die man lösen muss – sondern sie sind Signale, Datenträger. Es bedeutet, sich ihrer gewahr zu werden, sie zu verstehen, lesen zu können – und im Idealfall auch gut einsetzen zu können.
Und damit sind wir auch schon bei der ersten von sechs forschungsvalidierten Strategien, die Emma vorschlägt für einen souveräneren Umgang mit Emotionen:
1. Gewahr werden
Wenn Emotionen in den Keller geschickt werden, gehen sie dort an die Hantelbank und trainieren ihre Muskeln, hat mir mal ein Ausbilder gesagt. Ein guter Spruch, finde ich. Denn Ärger, Schuld, Scham und andere unangenehme Emotionen handhaben wir meist – gar nicht. Wir versuchen sie loszuwerden. Was in der Regel zu mehr negativen Emotionen, schlechteren sozialen Verbindungen, niedrigerer Lebenszufriedenheit, höherem Blutdruck, reduzierter Gedächtnisleistung und vielem mehr führt.
„Feel it to heal it“ oder „Name it to tame it“: Also die Emotionen besser benennen und anerkennen zu können – das ist schon mal der erste Schritt zu mehr emotionaler Souveränität.
2. Abstand bekommen
Gefühle sind etwas, das wir haben – nicht etwas, das wir sind. Mach Dir also klar, dass Du mehr und größer und anderes bist als (nur) Deine Emotionen. Manchmal sind die Emotionen auch gar nicht nur Deine eigenen – und Du hast Dich anstecken lassen von der Angst, Gereiztheit, dem Neid anderer. Vielleicht kannst Du die Emotion ja mit aufmerksamem Interesse betrachten und anschauen – und damit einen Spalt Aufmerksamkeit zwischen Dich und das Gefühl bringen.
3. Kognitiv umstrukturieren
Scham kann uns auf die Normen hinweisen, die in einem bestimmten Kontext gelten. Ekel kann uns vor einer giftigen Speise schützen. Trauer verweist auf eine wichtige menschliche Verbindung, die uns fehlt: Emotion liefert Information! Emma Seppälä hat unter anderem in China gelebt, dort bedeutet das geflügelte Wort „Chi Ku Shi Fu”: „Bitterkeit essen bringt Glück“. Wer herausfordernde Situationen als Wachstumsgelegenheiten umdeuten kann, tut damit etwas gutes für das eigene Beziehungs- und sogar das Immunsystem – darauf deutet aktuelle Forschung hin.
The greatest weapon against stress is our ability to choose one thought over another.William James
4. Atmen
Kognitives Umstrukturieren kommt an Grenzen, wenn wir Emotionen als sehr mächtig erleben. Dann kann der Körper helfen – den wir ja praktischerweise in der Regel mit uns führen (wenn auch nicht immer bewusst) … Ist unser rationales Denken im präfrontalen Kortex gerade blockiert, kann eines häufig helfen: bewusstes Atmen.
„How we breathe impacts our heart rate, blood pressure, emotions, and memory. Our breathing patterns influence the function of many critical areas of the brain. Breathing influences how we perceive the world, think, pay attention, remember, and feel“, sagt Emma.
Es gibt unzählige Apps, Youtube-Videos, Kurse, Bücher zu Atemtechniken. Eine, die ich gern nutze, weil sie so einfach, kurz und diskret durchzuführen ist: das Kastanienblatt (https://positiv-fuehren.com/achtsamkeit/fokus-uebung-kastanienblatt/). Und diese Übung steht gleich in Verbindung mit der nächsten Strategie:
5. Mich annehmen
Achtsamkeit heißt ja nicht, alles schönzudenken. Achtsamkeit heißt vor allem: Ich. Jetzt. Hier. Wer sich also darin übt, im Hier und jetzt anzukommen, mit Fokus- oder Meditationsübungen, wer sich in „radikaler Ehrlichkeit“ (so nennt Emma das) auf die Situation einlässt, stärkt ebenfalls die emotionale Souveränität.
6. Kreativer Ausdruck
Ich bin wirklich kein guter Klavierspieler. Aber spätestens seit den Teenie-Jahren ist das Klavier für mich ein extrem wichtiges Ausdrucksmittel. Gerade wenn’s hoch hergeht.
Etwas zeichnen oder malen, auf Papier oder auf dem Tablet; Basteln; Schnitzen; Tanzen; Kreatives Schreiben oder was auch immer für Dich funktionieren mag: „Creative expression can be a place of true transformation for self and other, a way to absorb and process emotions. The energy of the emotion, painful as it is, can be transmuted into healing for yourself and solace for another“, schreibt Emma.
7. Bewegen/ Grounden
Sitzen ist das neue Rauchen. Sich zu bewegen bringt meist etwas in Bewegung – egal ob mit einem Walk and Talk, einer Runde Sport, Sonnengrüßen oder auch nur mit einer kalten Dusche, all dies kann dem Körper einen hilfreichen Stimulus zufügen. Dass Grün-Blau-Weiß-Grau, also Bäume, Meer, Schnee oder Fels, besonders hilfreich sind, um einen anderen Kontakt zur Welt und zu uns (wieder) zu finden, muss ich nicht erwähnen, oder?
❓Was hilft Dir für einen souveränen Umgang mit Emotionen? Welche der oben genannten Strategien funktionieren für Dich – welche eher nicht? Welche könntest Du mal ausprobieren? Welche anderen kennst Du? Ich freue mich auf Rückmeldung!
Ich wünsche eine gute und gelingende Woche!
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PPPS: Du machst, Ihr macht, Sie machen das gut!