© Manfred Richter/Pixabay

Energieversorgung: Viele Wege führen zum Strom

Das Thema Energieversorgung ist nicht neu, aber ähnlich, wie die Digitalisierung erst durch die Pandemie richtig ins Rollen kam, brauchte es auch hier eine Extremsituation, um unsere Handlungsbereitschaft zu wecken.

Dass diese Extremsituation ein Angriffskrieg in Europa sein würde, war weder wünschenswert noch absehbar, und die humanitären Folgen erschüttern uns noch immer zutiefst. Dennoch sehe ich die aktuelle Notlage als Chance für Deutschland, das Thema Energieversorgung neu zu denken und die unterschiedlichen technologischen Ansätze zur Energiegewinnung und Speicherung als vollumfänglichen Lösungsweg zu begreifen.

Im ersten Schritt ist es wichtig, zu verstehen, dass es nicht die eine richtige Lösung gibt. Der Grund, warum wir noch immer von umweltschädlicher Energiegewinnung und begrenzten Ressourcen wie Kohle und Gas abhängig sind, ist, dass wir uns lange Zeit nicht auf eine Alternative einigen konnten. Und obwohl erneuerbare Energien in der Theorie schon lange die sinnvollste Option darstellen, wurden die dringend notwendigen Investitionen in die nötigen Speichertechnologien über lange Zeit versäumt. Bis 2020 wurden Energiespeicher sogar noch doppelt besteuert und somit in ihrer Wirtschaftlichkeit zusätzlich behindert.

Wir haben mit Freigeist 2018 in den Energiespeicher Kraftblock investiert, um einen Beitrag zum fehlenden Baustein für die Energiewende zu leisten. Kraftblock bietet eine skalierbare, modulare Lösung, große Mengen an Energie effizient, kostengünstig und langlebig zu speichern. Speicher werden dringend benötigt, um die Volatilität erneuerbarer Energien auszugleichen und das Stromnetz zu entlasten. In diesem Artikel könnt ihr euch tiefer in das Thema Energiespeicher und Kraftblock als mögliche Lösung einlesen.

Wenn die nötigen Technologien vorhanden und die Lösungswege klar sind, wieso ist dann so lange nichts geschehen?

https://kraftblock.com/de/
https://kraftblock.com/de/

Weil große Veränderungen immer schmerzhaft sind und hohe Investitionen, Unsicherheiten bezüglich zahlreicher Arbeitsplätze und eine gewisse Einsicht gegenüber begangenen Fehlern voraussetzen. Wir sehen dies aktuell bei der Autoindustrie und der Elektromobilität. Die Marktführer waren lange nicht bereit, von ihrem Kerngeschäft abzuweichen und produzierten weiter Verbrenner, anstatt in die Zukunftstechnologie E-Motor zu investieren und sich einzugestehen, dass die Industrie, in der Deutschland lange führend war, ein Ablaufdatum hat. Der Unterschied bei der Stromversorgung: Sie liegt in den Händen der Politik und kann nicht durch einen US-amerikanischen Player wie Tesla allein umgelenkt werden.

Deshalb ist es umso wichtiger, die aktuelle Lage als Druck auf unsere Regierung und als Chance zu begreifen. Wenn wir uns eine agile Politik wünschen, die auf sich verändernde Umstände und Extremsituationen wie diese bedacht und konsequent reagiert, dann müssen wir auch in der Politik eine gewisse Fehlerkultur etablieren. Es führt zu nichts, Robert Habeck jetzt vorzuhalten, dass seine Partei für den Atomkraft-Ausstieg war. Wir müssen jetzt möglichst viele AKWs für die kritische Stromversorgung unseres Landes weiterlaufen lassen.

Anstatt unsere Energie darauf zu verschwenden, Schuldige für die aktuelle Abhängigkeit von Gas und Kohle zu suchen, sollten wir wissenschaftlich fundierte und auf Zahlen und Fakten basierte Lösungswege für die Herausforderung der Stromversorgung finden, die uns noch lange über den russischen Angriffskrieg hinaus begleiten wird. In Anbetracht der aktuellen Lage muss hier zwischen kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Lösungen unterschieden werden.

Die kurzfristige Lösung

Fakt ist, dass wir bei der Stromversorgung diesen Winter in so noch nicht dagewesene Engpässe laufen werden. Aber was hat der Gas-Engpass eigentlich mit der Stromversorgung zu tun? Die Antwort ist simpel: Spitzenlasten werden hauptsächlich von Gaskraftwerken abgefangen. Deshalb sollten wir kurzfristig alle Mittel nutzen, um die Grundlastfähigkeit zu gewährleisten und die Abhängigkeit von Gaskraftwerken so gering wie möglich zu halten.

Hinzu kommt, dass die steigenden Gaspreise unter anderem auch dazu führen könnten, dass mehr Menschen auf elektrische Heizlüfter zurückgreifen, was das Stromproblem in noch unbekanntem Ausmaß verschärfen könnte. Bereits jetzt verstromen wir deutlich mehr Gas als wir müssten, wenn die am 01.01.2022 ausgeschalteten Atomkraftwerke noch laufen würden. Bei einer Laufzeitverlängerung der AKWs würde der Strompreis laut dem ifo-Institut 2023 immerhin um 4 Prozent sinken.

Wie sicher und verlässlich ist Atomkraft wirklich?

Es stimmt, dass auch Atomkraft in ihrer Verlässlichkeit von äußeren Faktoren beeinflusst werden kann. Wir sehen es gerade in Frankreich: Die Hälfte der AKWs dort sind aktuell nicht im Betrieb, da sie entweder gewartet werden müssen oder aufgrund der Dürre nicht hinreichend gekühlt werden können. Diese Risikofaktoren sind jedoch langfristiger Natur und haben somit keine direkten Auswirkungen auf die Atomkraft als kurzfristige Lösung für die uns bevorstehenden Engpässe im Winter.

Auch was die Bedenken bezüglich der Sicherheit von AKWs angeht, wünsche ich mir eine faktenbasierte und keine emotionale und angstgetriebene Debatte. Statistisch gesehen hat Atomenergie mit die geringsten Todeszahlen im Vergleich zu anderen Energieträgern wie Gas oder Kohle. Das Unglück in Tschernobyl war tragisch, doch das dortige AKW entsprach nicht dem heutigen Stand der Technik. Das Risiko für ein weiteres Unglück in diesem Ausmaß in der Zeitspanne, in der die bestehenden Atomkraftwerke als kurzfristige Zwischenlösung genutzt werden sollen, ist also sehr, sehr gering.

Inzwischen gibt es auch neue Ansätze, die sogar noch deutlich sicherer sind. In meinem Podcast habe ich dazu mit dem Gründer von Transmutex gesprochen, die sogenannte Transmutationsreaktoren entwickeln. Bei diesem Reaktortyp sind Atomunfälle wie in Tschernobyl oder Fukushima unmöglich, weil die Reaktoren subkritisch betrieben sind, d.h. es muss konstant von außen Energie hinzugefügt werden, um die Kernreaktion am Laufen zu halten. Fällt die Energie weg, beispielsweise durch einen Stromausfall oder ein Erdbeben, stoppt die Kernreaktion sofort und eine Kernschmelze ist ausgeschlossen. Allerdings müssten diese Atomkraftwerke erst noch gebaut werden und dienen somit nicht als kurzfristige Lösung.

Die mittelfristige Lösung

Mittelfristig sind erneuerbare Energien und die dazugehörigen Speicherlösungen die beste und einzige Lösung für unsere Stromversorgung. Auch wenn das Thema in Anbetracht der aktuellen Lage in den Hintergrund gerückt ist, sollten wir die Bereitschaft zum Umdenken und Handeln nutzen, um einen mittelfristigen Plan für die Energiewende aufzustellen. Hierfür braucht es seitens der Politik die nötigen Anreize für Unternehmen und die Gesellschaft, auf erneuerbare Energien umzustellen, um die benötigten Investitionen anzustoßen. Die ursprünglich geplante CO2-Bepreisung, die zwischenzeitlich aufgrund der aktuellen Situation wieder außer Kraft getreten ist, war hier in meinen Augen bereits ein Schritt in die richtige Richtung. Es muss sich für Unternehmen in absehbarer Zeit lohnen, in nachhaltige Alternativen zu investieren.

Außerdem halte ich Investitionen seitens des Staates in effizientere Speichertechnologien für sinnvoll, da diese aktuell den fehlenden Baustein für die Energiewende darstellen. Bereits jetzt werden 50 bis 60 Prozent der Stromversorgung aus erneuerbaren Energien gewonnen. Die Technologien sind größtenteils in einem fortgeschrittenen Stadium und einsatzbereit. Die Speicherung zum Ausgleich der Volatilität dieser erneuerbaren Energien und zur Entlastung des Stromnetzes hingegen ist bislang noch eine Herausforderung.

Technologien wie der von Kraftblock entwickelte Energiespeicher bieten vielversprechende Lösungsansätze, sind aber bislang noch kaum im Einsatz. In Anbetracht der Summen, die bereits in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert wurden und der Notwendigkeit, die Abhängigkeit von Gas und Kohle möglichst zeitnah zu reduzieren, wünsche ich mir an dieser Stelle ein konsequenteres Handeln seitens der Politik. Dies wird sicherlich gesellschaftliche Auswirkungen haben und in einigen „alten” Industrien auch Arbeitsplätze kosten. Gleichzeitig wird unsere Wirtschaft so aber auf die Zukunft vorbereitet und es werden langfristig sichere Arbeitsplätze in „neuen” Industrien geschaffen.

© frank.io
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Die langfristige Lösung?

Auch wenn es in Anbetracht der aktuellen Notlage nach Zukunftsmusik klingt, könnte das globale Problem der nachhaltigen Stromversorgung bereits in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts durch eine neuartige Energieversorgung langfristig behoben werden: die Kernfusion. Gelingt uns, woran die Menschheit bereits seit 60 Jahren forscht und was sicherlich noch mindestens weitere 30 Jahre an Forschung benötigen wird, hätten wir auf der Erde eine unendliche, sich selbst erhaltende und umweltschonende Energiequelle, ähnlich der Sonne.

Anders als bei bestehenden Kernkraftwerken wird bei der Kernfusion nicht durch die Spaltung, sondern durch die Verschmelzung von Atomen Energie gewonnen. Im Innern der Sonne ist dies aufgrund des enormen Gravitationsdrucks bei Temperaturen von etwa 15 Millionen Grad Celsius möglich. Durch den vielfach niedrigeren Gravitationsdruck auf der Erde benötigt man hier jedoch zur Erzeugung einer Kernfusion Temperaturen von bis zu über 100 Millionen Grad Celsius. Dies stellt die Forschung aktuell noch vor einige Herausforderungen, doch erste Lösungsansätze tragen bereits Früchte.

Da es keine Materialien gibt, die dem direkten Kontakt mit solcher Hitze standhalten können, haben Wissenschaftler eine Lösung entwickelt, bei der ein überhitztes Gas oder Plasma mithilfe von starken Magnetfeldern in einem donutförmigen Behälter, dem Tokamak, gehalten wird, ohne dessen Wände zu berühren. Mit dieser Technologie gelang es 1991 zum ersten Mal, Energie durch Kernfusion freizusetzen. Allerdings ist es eine Herausforderung, das heiße Plasma durch Magnetfelder kontrolliert einzuschließen und in der Schwebe zu halten. Instabilitäten im Plasma haben bisher verhindert, dass die Fusion lange genug aufrechterhalten werden konnte, um mehr Energie zu gewinnen, als zum Auslösen der Fusion verbraucht wird.

KI-Technologie könnte hier langfristig die Lösung liefern.

Obgleich die Kernfusion uns kurz- und mittelfristig bei der Stromversorgung nicht weiterhelfen kann, sollten wir in Anbetracht der unbeständigen äußeren Umstände, ausgelöst durch den Klimawandel, somit auch diese Option nicht außen vor lassen und weiter konsequent in die Forschung in diesem Bereich investieren. Denn eine von äußeren Umwelteinflüssen unabhängige, unbegrenzte Energiequelle auf der Erde bedeutet eine Herausforderung weniger für die folgenden Generationen, die dank unserer Trägheit und fehlenden Agilität bereits mit genug Problemen konfrontiert sein werden.

Frank Thelen schreibt über Startups, Tech, Innovation, Venture Capital

Ich baue seit knapp 30 Jahren Technologie- und Design-getriebene Unternehmen auf. Mit Freigeist Capital investiere ich in frühphasige Deeptech-Unternehmen wie Lilium Aviation. Seit 2021 bin ich CEO von 10xDNA Capital Partners. 10xDNA bietet Investoren Fonds mit Technologie-konzentrierten Portfolios

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