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Erfolg: Die Neidkultur in Deutschland ist unerträglich

Erfolg definiert sich in unserer Gesellschaft noch immer oft durch materielle Dinge oder den eigenen Status: durch das dicke Auto vor der Haustür, den Doktor-Titel vor dem Namen oder die steile Karriere nach oben direkt in die Vorstandsetage hinein. Ich selbst sitze seit 15 Jahren im Chef-Sessel und viele halten mich schon allein deshalb für erfolgreich, weil ich ein Unternehmen leite. Dabei definiert sich Erfolg in meinen Augen nicht durch die Position, die man im Unternehmen besetzt, oder das Auto, das man fährt – ich selbst zum Beispiel habe gar keins. Viel wichtiger ist mir: funktionieren meine Ideen und sind meine Visionen erfolgreich?

Sicherlich haben teure Sportwagen, Luxus-Immobilien oder Designer-Klamotten ihren Reiz und vor allem gönne ich sie allen, die sich damit für ihre harte Arbeit belohnen. Erfolg kommt ja nie über Nacht, nur leider ragt eben oft nur die Spitze des Eisbergs sichtbar aus dem Wasser, sprich das Auto oder die Uhr. Wie groß der Berg unter Wasser aber wirklich ist und wie lange es gedauert hat, bis er so groß und mächtig wurde, wie er heute ist, vergessen die meisten. Und dann heißt es wieder: „Ach, der hat doch gar nichts dafür getan“, oder: „Das ist doch alles nur Glück“.

Aber nein, das ist es nicht. Sicherlich spielt das Quäntchen Glück eine Rolle, aber Erfolg ist zu 95 Prozent harte Arbeit und Entbehrung, auch in meinem Fall. Sicherlich hatte ich es leichter, weil ich die Unternehmensleitung in der Nachfolge meines Vaters angetreten bin, aber das ganze Geschäft für die Zukunft zu wappnen, es zu digitalisieren und dafür zu sorgen, dass es auch heute, 15 Jahre später, noch erfolgreich ist, das muss man erstmal schaffen. Und das hat nun mal seinen Preis im Leben.

Für Erfolg braucht man keine Karriereleiter hochklettern

Ich zum Beispiel habe bis heute keine Kinder. Sicherlich wäre es machbar gewesen, es gibt ja genügend erfolgreiche Frauen, die beides unter einen Hut bekommen, aber „früher“ war das eben nicht so einfach. Ich bin 1998 ins Geschäft eingestiegen, da steckte das Internet noch in den Kinderschuhen und Home Office war undenkbar. Die nachfolgenden Jahre waren immer gut gefüllt mit Aufträgen und mir war früh klar, dass wir uns als Mittelständler selbst kannibalisieren müssen, um auch künftig noch zu existieren. Es gab also immer viel zu tun, da blieb einfach nicht viel Zeit für Familie.

Und trotzdem habe ich sie, die sogenannten Kairos-Momente. Wirklich wertvolle Erlebnisse und Zeiten, die viele wahrscheinlich unter dem Begriff Quality Time kennen, weil sie einem so viel mehr geben als der reine Alltag. Und nach solchen Dingen strebe ich im Leben wie auch im Beruf. Weil ich fest daran glaube, dass sich beruflicher Erfolg fast automatisch einstellt, sofern man mit sich und seiner Lebensweise im Reinen ist. Und wer mit Spaß bei der Sache ist, ist letzten Endes auch mit dem Herzen dabei.

Und genau deshalb ist Erfolg am Ende auch nicht nur eine Sache der Privilegierten – derjenigen, die in eine Unternehmerfamilie geboren wurden oder an einer Elite-Uni studiert haben – sondern fast ausschließlich Produkt der eigenen Initiative. Ein Unternehmersohn, der lieber jeden Tag auf dem Golfplatz steht oder herumreist statt zu arbeiten, wird ja schließlich auch nie erfolgreich an der Spitze einer Firma stehen.

Erfolg heißt dabei nicht unbedingt, es auf der Karriereleiter bis nach ganz oben geschafft zu haben. Erfolgreich ist auch der, der vielleicht „nur“ im Büro arbeitet, aber in seinem Job voll und ganz aufgeht, weil er sein Team liebt und seine Arbeit und allein dadurch schon viel bessere Ergebnisse erzielt als sein unmotivierter Kollege, der keine Lust mehr auf seinen Job hat – aber daran auch nichts ändert.

Erfolg allein macht nie glücklich. Aber wer glücklich ist, hat auch oft Erfolg

Es ist kein Zufall, dass einige Menschen immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein scheinen. Dass einigen die Jobs nur so zufliegen und die tollen Aufträge, während andere absolut kein Glück zu haben scheinen. Denn mit Glück allein hat das nur wenig zu tun, viel mehr mit der Tatsache, dass erfolgreiche Menschen sich diese Erfolge indirekt verschaffen, indem sie sich zum Beispiel oft auf Netzwerkveranstaltungen herumtreiben. Wenn sie dann auf einen neuen, zahlungskräftigen Kunden treffen, waren sie natürlich zu richtigen Zeit am richtigen Ort. Aber eben nicht aus purem Zufall, sondern durch eigenes Kalkül. Auch, wenn es nach außen hin anders aussieht.

Wer also den nächsten Karrieresprung plant, mehr Kunden an Land ziehen möchte, oder wie wir letztens einen vermeintlich kleinen Auftrag in einen Millionendeal verwandeln will, der hat es letztlich selbst in der Hand. Vernetzt euch, bringt euch ins Gespräch, vor allem bei eurem Chef, und seht in jeder Gelegenheit Potential für etwas ganz Großes. Ob es dann wirklich so kommt, sei mal dahingestellt, aber auch die kleinen Aufträge und Aufgaben können glücklich machen. Erfolg allein jedoch nie. Deshalb strebt danach, glücklich zu sein. Dann kommt der Erfolg auch von ganz allein.

Vanessa Weber schreibt über Unternehmertum, Marketing, Nachfolge, Führung

Vanessa Weber ist Geschäftsführerin und Unternehmerin aus Leidenschaft. Heute ist sie neben ihrer Tätigkeit für ihre Firma als Vortragsrednerin tätig und vermittelt ihr Fachwissen sowie ihren Erfahrungsschatz an andere Unternehmer. Sie ist eine Frau aus der Praxis für die Praxis.

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