Erich Sixt mit dem E-Auto Zoe des Herstellers Renault - Bild: imago images
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Erich Sixts Söhne und die „absolute E-Auto-Katastrophe“

Mietwagen-Unternehmer Erich Sixt hat das E-Auto stets als Irrweg gegeißelt. Aber warum hat er dann seine Söhne nicht davon abgehalten, voll auf E-Autos zu setzen und damit eine Bauchlandung hinzulegen?

Der Autovermieter Sixt hat vorerst genug vom Elektroauto. In mehreren deutschen Städten hat Sixt elektrisch angetriebene Kleinwagen angeboten. Das Resultat? Eine „absolute Katastrophe“, befindet Erich Sixt, Chef des Pullacher Autovermieters. Die Kunden seien mit den Reichweiten der Autos unzufrieden und für einen Vermieter sei das Geschäft mit den Batterieautos ohnehin unattraktiv: „Das können wir nicht kommerziell betreiben.“

Das war 2011, klingt aber erstaunlich aktuell. Der Autovermieter hat heute zwar viel mehr E-Autos in seiner Flotte als vor 13 Jahren – etliche Tausend – und es führt auch nicht mehr Erich Sixt die Geschäfte, sondern seine beiden Söhne Alexander und Konstantin.

Doch die E-Autos sind noch immer die Schwachstelle in der rund 220.000 Fahrzeuge umfassenden Sixt-Flotte. Die Kunden verschmähen die Elektrofahrzeuge häufig und dem Anbieter bescheren sie höhere Kosten als Verbrenner, weshalb Sixt nun die Reißleine zieht: Ein Großteil der E-Autos wird ausgemustert. Weil Sixt einen Teil seiner E-Autos zu einem geringeren Preis als angenommen weiterverkaufen muss, leiden die Gewinne des börsennotierten Autovermieters.

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Elektro wird wieder Nische

Für die Unternehmensleitung um Alexander und Konstantin Sixt ist das eine herbe Niederlage. Schließlich hatten beide voll auf Elektro gesetzt. Kaum waren sie 2021 ans Ruder gekommen, vereinbarten sie mit dem chinesischen E-Auto-Hersteller BYD die Lieferung von 100.000 E-Autos bis 2028 und gaben das Ziel aus, dass die Fahrzeugflotte am Ende der Dekade zu 70 bis 90 Prozent aus E-Autos bestehen solle. Sixt wurde beim Thema E-Autos vom Skeptiker zu einem der ambitioniertesten Unternehmen, investierte Millionen in neue Ladestationen an den Mietstandorten und in günstige E-Auto-Angebote.

Und nun? Wird Elektro wieder Nische. Der Anteil von Batteriefahrzeugen am weltweiten Fahrzeugbestand wird in diesem Jahr, so berichten Insider, auf wenige Prozent eingedampft.

Hätten es die Pullacher nicht besser wissen müssen? Schließlich war es ausgerechnet Erich Sixt, der in seiner Zeit als Vorstandschef zu den größten E-Auto-Kritikern des Landes zählte. Er wurde nicht müde, das Elektroauto als fatalen Irrweg zu geißeln. „Ich glaube nicht an E-Autos, das ist politisch ein schwerer Fehler“, sagte er noch 2018. Kleine Reichweiten, hohe Kosten, zu wenige Lademöglichkeiten, knappe chinesische Rohstoffe, hoher Energieverbrauch bei der Herstellung – der Firmenpatriarch ließ kein gutes Haar an der neuen Antriebstechnik.

Elektrifizierung mit Augenmaß

Warum also hat Erich Sixt, der seit der Übergabe der Geschäfte an seine Söhne vor drei Jahren Aufsichtsratschef ist, das kostspielige Elektro-Abenteuer nicht verhindert? Öffentlich hat sich Sixt, der im Juni seinen 80. Geburtstag feiert, dazu nicht geäußert. Insider wollen aber die Gründe kennen: Weil erstens das Experiment nicht so riskant sei, wie es auf den ersten Blick erscheint. Und weil zweitens sich die Sicht von Erich Sixt auf E-Autos geändert habe. Angesichts der technischen Verbesserungen von E-Autos und des Ausbaus der Ladeinfrastruktur soll auch er den Batterieautos heute einen größeren Marktanteil zutrauen als noch vor einigen Jahren.

Es ist aber wohl dem Einfluss des Patriarchen geschuldet, dass seine Söhne trotz aller hochtrabenden Elektro-Pläne das Kostenrisiko im Blick behielten – anders als der Konkurrent Hertz. Der US-Konkurrent bestellte vor zweieinhalb Jahren 100.000 Tesla-Fahrzeuge im Wert von rund vier Milliarden Euro. Weil Tesla seither mehrfach die Preise senkte, gerieten auch Gebrauchtwagenpreise ins Rutschen, weshalb Hertz den Wert seiner Teslas zuletzt um 245 Millionen Dollar nach unten korrigieren musste. Das Debakel kostete Hertz-Chef Stephen Scherr den Job.

Sixt dagegen kaufte nur wenige tausend Teslas. Im vergangenen Jahr belasteten die geringeren Wiederverkaufspreise zwar die Bilanz und auch im ersten Quartal dürfte die Teslas noch die Zahlen trüben, danach aber dürfte das Thema keine größere Rolle mehr spielen. „Die Probleme durch geringere Restwerte der E-Autos hat Sixt schon fast ausgestanden“, sagt der Analyst und Sixt-Experte Christian Obst von der Baader Bank. Das laufende Jahr werde wohl „insgesamt ein erfolgreiches und ertragreiches für Sixt.“

Das liegt auch an den Details des Deals mit BYD. Während Tesla darauf bestand, dass die Vermieter das Risiko geringerer Wiederverkaufspreise selbst tragen (solche Autos nennen Autovermieter „Risk-Fahrzeuge“), sieht die Vereinbarung mit BYD nach Informationen der WirtschaftsWoche vor, dass Sixt die Autos abnehmen kann, aber nicht muss und dass BYD sie am Ende der Vermietung zu einem zuvor vereinbarten Preis zurücknimmt, also das Restwert-Risiko selbst trägt („Non-Risk-Fahrzeuge“).

Sixt will weiter seine E-Auto-Flotte ausbauen

Deshalb könnte Sixt fast vollständig aus der Elektrifizierung aussteigen – will es aber nicht. Denn anders als es die derzeitigen Negativ-Schlagzeilen über E-Autos und die frühere Skepsis von Erich Sixt nahelegen, glaubt man bei Sixt weiterhin an das E-Auto. Das Interesse der Kunden an E-Autos ist derzeit zwar viel geringer, als von Sixt vor ein, zwei Jahren angenommen, dennoch lässt Sixt die Arbeiten an der Elektrifizierung weiterlaufen. So würde etwa das Sixt-Ladenetz mit Ladepunkten an den Mietstationen weiter ausgebaut, sagt Analyst Obst. Auch die E-Auto-Funktionen der Sixt-App (Laden, Bezahlen) werden kontinuierlich erweitert.

Das Ziel, 2030 zwischen 70 und 90 Prozent Elektroautos in der Flotte zu erreichen, habe Bestand, sagt ein Sixt-Sprecher: „Wir wünschen uns weiterhin, diese Dimension in unserer europäischen Flotte bis 2030 zu erreichen.“ Auch Analyst Obst geht davon aus, dass „auf lange Sicht große Teile der Mietwagenflotten elektrisch sein werden und dass Sixt hier ganz vorne mitspielen wird.“

Das würde dann irgendwie doch auch zu den Ansichten des einstigen E-Auto-Skeptiker Erich Sixt, passen, der 2018 konstatierte: „Wenn ich mich täusche, kaufen wir so viele Elektroautos, wie der Kunde will.“

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