Das Unternehmen will Versicherer, Makler und Kunden zusammenbringen. - (Foto: imago images/Cord)
Premium

Fintech: Versicherungs-Start-up Wefox sammelt weitere Millionen Dollar ein

Dass die Bewertung des jungen Unternehmens durch das Investorengeld stabil bleibt, werten Experten als Erfolg. Doch der Druck auf das Fintech steigt.

Düsseldorf, Frankfurt. Sieben Monate nach Abschluss einer 400 Millionen Dollar schweren Finanzierungsrunde hat das Versicherungs-Start-up Wefox Finanzkreisen zufolge von Investoren weitere 55 Millionen Dollar eingesammelt. Die Unternehmensbewertung sei dabei mit 4,5 Milliarden Dollar stabil geblieben, wie mit der Angelegenheit vertraute Personen dem Handelsblatt sagten.

Formal gelte die Kapitalaufnahme als Erweiterung der Finanzierungsrunde aus dem Sommer 2022, im Fachjargon auch „Second Closing“ genannt. Das Geld kommt von angestammten Fonds, aber auch von neuen, hieß es. Wefox wollte sich dazu nicht äußern.

Dass das Berliner Insurtech mit Schweizer Wurzeln bei der erweiterten Finanzierungsrunde die Bewertung halten konnte, ist aus Sicht von Branchenexperten als Erfolg zu werten. Andere Fintechs hatten zuletzt deutliche Einbußen bei der Bewertung hinnehmen müssen – allen voran der schwedische Zahlungsdienstleister Klarna, dessen Bewertung bei einer Finanzierungsrunde im Sommer um 85 Prozent einbrach.

Wefox befindet sich derzeit in einer Umbauphase. Nachdem Mitgründer und Firmenchef Julian Teicke jahrelang über seine großen Wachstumsambitionen gesprochen hatte, kündigte er zum Jahreswechsel im Handelsblatt-Interview einen Strategieschwenk an. Statt Wachstum um jeden Preis liegt der Fokus nun auf Profitabilität. Die Gewinnzone soll schon in diesem Jahr erreicht werden. Investitionen, die sich erst in ein paar Jahren auszahlen, werden eingestampft.

Jetzt Handelsblatt Premium zum Vorteilspreis sichern - Zum Angebot

Dass Teicke umschwenkt, hängt nicht nur mit dem allgemein schwierigen Umfeld für Fintechs zusammen. Mehr als 1,3 Milliarden Dollar sammelte Wefox bereits vor der jüngsten Erweiterung ein. Nach diesen umfangreichen Finanzierungsrunden lastet auf Wefox also besonders starker Druck, die Erwartungen der Investoren zu erfüllen. Branchenbeobachter sagen, dass eine Bewertung von 4,5 Milliarden Dollar nur gerechtfertigt sei, wenn es das Unternehmen schafft, das angekündigte Plattformmodell erfolgreich aufzubauen.

Wefox plant digitalen Marktplatz

Ähnlich wie große Onlineportale aus anderen Branchen – beispielsweise der Onlinehändler Amazon oder Ferienwohnungsvermittler Airbnb – will Wefox unter Federführung von Ex-Generali-Manager David Stachon einen Marktplatz schaffen, der Versicherer, Makler und Kunden zusammenbringt.

„Wefox ist weder nur ein Versicherer noch nur ein Vertriebsunternehmen“, betonte Stachon zuletzt beim „Handelsblatt Insurance Summit“. Das ist ihm auch deshalb so wichtig, weil Investoren reine Versicherer oder Vertriebsfirmen längst nicht so hoch bewerten wie eine erfolgreiche Onlineplattform.

Bei der Umsetzung der Plattformidee hat Wefox aber noch eine weite Wegstrecke vor sich. Nennenswerte Umsätze aus dieser Plattform kann Wefox nach eigener Einschätzung erst in den nächsten Jahren erwarten. Die bisherigen Aktivitäten haben Wefox nach Meinung von Kritikern zwar bekannt gemacht, nun muss das Unternehmen die Markenbekanntheit aber auch dazu nutzen, um erste Anlaufstelle für Versicherungskunden im Netz zu werden und daraus Profit zu ziehen.

Bisher basiert das Wefox-Geschäft im Wesentlichen auf den klassischen, bedingt innovativen Vermitteln von Versicherungen. Wefox vertreibt Versicherungen vor allem über eigene Makler und hat bereits größere Makler-Bestände an Versicherungskunden übernommen. Der Großteil des Umsatzes, den Teicke für 2022 auf 600 Millionen Euro beziffert und der in diesem Jahr auf 900 Millionen Euro steigen soll, stammt aus Provisionen für den Verkauf von Policen.

Daneben generiert Wefox Beitragseinnahmen über einen eigenen, in Liechtenstein registrierten Digitalversicherer. Das Prämienvolumen hat sich Teicke zufolge im Jahr 2022 vervierfacht auf 180 Millionen Euro. Der offizielle Solvenzbericht des Versicherers mit Details zu diesem Geschäft liegt noch nicht vor.

In der Vergangenheit machten immer wieder Meldungen über fragwürdige Vertriebsmethoden die Runde. So verschenkte Wefox Policen. Manchmal schlossen Kunden sogar Verträge ab, ohne das überhaupt zu realisieren. Zuletzt hatten „Finance Forward“ und „Capital“ darüber berichtetet.

Das Unternehmen weist die Kritik zurück. Es sei üblich, dass Versicherungen zusammen mit anderen Produkten verkauft werden. Im Fachjargon heißt dies „Embedded Insurance“. Die Kunden wüssten hier zwar manchmal nicht, wer der Anbieter der Versicherung ist, sie wüssten aber wohl, dass sie diese abgeschlossen haben, erklärte ein Wefox-Sprecher.

Wefox habe die Grauzonen des noch Erlaubten ausgereizt, sagte hingegen ein Versicherungsexperte dem Handelsblatt. Zugleich betonte er, dass sich viele Start-ups gewisser Tricks bedienten, um schneller zu wachsen. „Fake it till you make it“ – also: täusche so lange, bis du es schaffst – sei nicht umsonst ein gängiger Spruch in der Szene. Der Aufbau der Plattform sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem funktionierenden Geschäftsmodell.

Der von Teicke verkündete Strategieschwenk hat aber auch seinen Preis. Einige Mitarbeiter mussten das Unternehmen zuletzt verlassen, weil kostenträchtige Zukunftsprojekte eingestampft werden. Deutlich weniger als zehn Prozent der Belegschaft seien betroffen, betonte der Wefox-Sprecher. Zudem stelle Wefox auch weiterhin neue Leute ein.

Langfristig bleibt für Wefox Finanzkreisen zufolge der Börsengang im Fokus. Momentan ist dafür das Kapitalmarktumfeld ungünstig.

Vergangene Woche hatte sich mit Ionos erstmals seit Monaten eine Firma an die Börse getraut, die Aktie notiert aber weiterhin unter dem Ausgabekurs. Für Technologie-Titel ist es nach Einschätzung von Investmentbankern derzeit besonders schwer, Investoren für eine Neuemission zu finden, da Wachstumstitel seit der Kehrtwende in der Zinspolitik um im Schnitt ein Viertel eingebrochen sind. Ein Börsengang von Wefox gilt für dieses Jahr daher als unwahrscheinlich.

Jetzt Handelsblatt Premium zum Vorteilspreis sichern - Zum Angebot

Jetzt Handelsblatt Premium zum Vorteilspreis sichern - Zum Angebot

Fintech: Versicherungs-Start-up Wefox sammelt weitere Millionen Dollar ein

Premium

Diese Inhalte sind für Premium-Mitglieder inklusive

Der Zugang zu diesem Artikel und zu vielen weiteren exklusiven Reportagen, ausführlichen Hintergrundberichten und E-Learning-Angeboten von ausgewählten Herausgebern ist Teil der Premium-Mitgliedschaft.

Premium freischalten

Handelsblatt schreibt über Substanz entscheidet

Das Handelsblatt ist das führende Wirtschaftsmedium in Deutschland. Rund 200 Redakteure und Korrespondenten sorgen rund um den Globus für eine aktuelle, umfassende und fundierte Berichterstattung. Über Print, Online und Digital kommunizieren wir täglich mit rund einer Million Leserinnen und Lesern. NEU: Diese Seite bietet Premium-Mitgliedern eine Auswahl der besten Artikel vom Handelsblatt direkt hier.

Artikelsammlung ansehen