Investor Frank Thelen will den Wirtschaftsstandort Deutschland retten. - Bild: dpa Picture-Alliance
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Frank Thelen über den Standort Deutschland: „Wollen wir uns weiter überrollen lassen?“

Frank Thelen meldet sich zurück. Bei seinem viel kritisierten Fonds lief es zuletzt etwas besser. Nun will er – wieder einmal – Deutschland retten.

WirtschaftsWoche: Herr Thelen, die deutsche Wirtschaft strauchelt. Sie legen den Finger in die Wunde, sagen, was falsch läuft. Was bezwecken Sie eigentlich damit?

Frank Thelen: Ich will helfen, Europa zu retten! Hier spielt Deutschland eine wichtige Rolle. Die USA und China haben einen Plan – und setzen den konsequent um. Was tun wir? Wir begnügen uns mit einer Regulierung für KI. In China greift die Regierung durch. Für die Wirtschaft zumindest bringt das Vorteile. Die USA haben viele Superstars – Elon Musk, Bill Gates, Mark Zuckerberg, Jeff Bezos. Die spielen kreativ mit ihren Milliarden, produzieren ständig neue Imperien, wie das Datenanalyse-Unternehmen Palantir. Das schaffte es gerade in den Index der 500 wertvollsten US-Unternehmen, ist bei uns aber verhasst, weil man mit dieser Technologie Kriege gewinnen kann.

Wir haben keinen Bill Gates, aber wir haben einen Frank Thelen...

Das ist das Problem. In Deutschland gibt es, mit Verlaub, nur einen Frank Thelen, der alleine aber nicht viel bewegen kann. Der hat keine hundert Milliarden. Wir haben Szeneköpfe wie Verena Pausder – und das ist gut so. Aber der deutschen Wirtschaft fehlen leider echte Superstars. In den Dax-Konzernen ist Tim Höttges bei der Deutschen Telekom der einzige Lichtblick. Er ist ein charismatischer Typ, gibt Interviews, geht auf die Bühne, äußert sich zu politischen Themen. Und die Telekom hat starke Ergebnisse. Von solchen Persönlichkeiten, die hunderte Milliarden mit Mut und Sachverstand verwalten, brauchen wir mehr. Ich sehe das leider nicht beim VW-Chef, beim BMW-Chef oder beim Allianz-Chef. Am besten wäre eine junge Frau mit echter Führungskraft. Jemand, der begeistert und die Dinge mutig und konsequent macht.

Sie haben mit Ihrem Fonds über lange Zeit Geld verloren. Es braucht schon eine gewisse Verve, wenn man sich dann hinstellt und allen sagt, wie es laufen muss.

Ich verstehe die Kritik, und keinen ärgert die Performance zum Start mehr als mich. Im Vergleich zum S&P-500, der von Microsoft, Apple und Nvidia geprägt ist, hat unser Fonds seit dem Tech-Sell-Off nicht gut abgeschnitten. Aber da investieren wir ganz bewusst nicht, weil wir einen konzentrierten Tech-Baustein als Ergänzung zu den breiten ETFs anbieten wollen. Die vergleichbare Assetklasse und unsere Mitbewerber sind teils noch stärker abgeschmiert als wir. Wir haben 120 Millionen eingesammelt – und jetzt sind wir bei 80 Millionen. Die geringen Abflüsse zeigen das Vertrauen unserer Anleger. Im letzten Quartal konnten wir dann auch die Indizes schlagen – da haben wir einiges wieder aufgeholt.

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2020 war ein miserabler Zeitpunkt, einen Fonds für unprofitable und unbekannte Techaktien aufzumachen. Das hätten Sie als Fondsmanager im Blick haben müssen.

Mein Ansatz für den Fonds ist, dass wir besonders gute Einblicke haben bei kleineren und mittleren Technologieaktien. Aus dem Venture Capital heraus wissen wir, wie solche Unternehmen ticken. Sie werden im Markt ineffizient gehandelt, weil das Research für solche kleinen Titel in den großen Häusern stark abgebaut wurde. Da liegt unsere Chance. Bei Microsoft oder Nvidia kann ich als Fondsmanager keinen Mehrwert bieten. Deshalb konnte ich nicht in Big Tech wechseln, als sich die Zinskurve geändert hat. Jede Strategie hat starke und schwache Marktphasen. Und fairerweise muss ich sagen, dass unsere Strategie richtig schlecht funktioniert, wenn die Zinsen so stark steigen wie zuletzt vor 20 Jahren. Es ist total blöd, dass diese Unternehmen wie ein Flummi an der Zinsentwicklung hängen. Unsere Unternehmen haben aber starke Ergebnisse geliefert, nur das wurde vom Markt bisher noch nicht honoriert. Der breite Non-Profitable-Tech-Index von Goldman ist bei minus 70 Prozent – und wir nur bei minus 30 Prozent. Für unser Investment in Palantir wurden wir ausgelacht. Sie notierte bei sechs Dollar und es sah so aus, als hätten wir keine Ahnung. Und wo steht die Aktie jetzt? Bei fast 38 Dollar.

Sie sind beim Flugzeugbauer Lilium engagiert. Warum gerieten die Dinge dort so ins Stocken?

Wir bauen das erste echte elektrische Flugzeug der Welt und planen eine schnelle Skalierung und weitere Modelle. Da wird eine Menge Kapital benötigt – Geld, das ich nicht habe. Bisher sind 1,8 Milliarden Euro investiert – das ist eine Region, wo ich nicht mehr helfen kann. Ich bräuchte dringend eine Milliarde, um Startups wie Lilium effektiv zu helfen. Aber ich habe nur etwas über 100 Millionen und mit den paar Millionen, die ich liquide habe, kann ich nur Impulse setzen. Was passiert dann? Die Chinesen kommen, die haben das Kapital. Im Fall von Lilium ein guter und fairer Partner, Tencent. In den nächsten Monaten werden wir erleben, dass BYD und Li Autowerke von Audi und VW kaufen.

Es fehlt hier also an Investoren. Hätten Sie nicht die Kontakte, um das zu ändern?

Ich reise durch die Lande und treffe die Mieles und die Sennheisers und die Viessmanns. Die haben echtes Geld. Aber bisher ist keiner von denen aufgestanden und hat gesagt, ich investiere jetzt progressiv in Deutschland. Gerade nach dem ein oder anderen Verkauf deutscher Familien hätte ich mir hier mehr erhofft.

Was macht die jüngste Generation der Industrieerben denn mit ihrem Geld? Bundesanleihen kaufen? Immobilien? Wälder?

Die investieren oft in amerikanische Venture-Capital-Fonds. Die lassen auch viel Geld von Goldman Sachs oder J.P.Morgan verwalten. Dass die ein Lilium oder Isar Aerospace unterstützen, sehe ich nicht. Auch was Eigenes wäre toll. Die könnten locker sagen: Die effizienteste Wärmepumpe der Welt – die baue ich jetzt hier selbst und hole dafür die besten Forscher aus der TUM zu mir. In drei Jahren wäre das machbar. Inklusive deutscher Fertigung. Wir haben das Know-how, um internationale Champions zu bauen. Aber uns fehlt aktuell der Pioniergeist. Das ärgert mich sehr.

Sie machen aber auch die Politik verantwortlich.

Wir leiden unter einer schwachen Politik. Macron war ein Lichtblick, doch der hat an Statur eingebüßt. Wir stolpern wegen des rechtspolitischen Einflusses. Ich bin für eine starke CDU. Wir brauchen wieder eine echte demokratische Partei der Mitte, vielleicht flankiert von der FDP. In den USA ist es nicht so einfach – Kamala Harris traue ich keine Wirtschaftskompetenz zu. Und wo das hinführt, wenn ein Politiker keine Erfahrung in der Wirtschaft hat, sehen wir bei unserem Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Ist es Habecks Schuld, dass die Autoindustrie in der Krise ist?

Wir erleben ein gegenseitiges Beinstellen. Die große Vision der EU stolpert – auch wegen des wachsenden Einflusses rechtskonservativer Parteien. Die Autoindustrie kommt noch obendrauf. Die Zukunft des Autos ist elektrisch – doch wir rudern gerade wieder zurück. Der große Kostenblock beim E-Auto ist die Batterie. Die Chinesen kontrollieren den Markt über den Batteriehersteller CATL. Tesla baut die Batterien selbst. Und in Deutschland? Haben wir nichts. Auch in fünf Jahren sehe ich hier keine Batterieproduktion. Ich bin übrigens gegen das Verbrenner-Verbot, aber das E-Auto wird sehr schnell günstiger und besser sein.

VW hatte eigentlich die richtigen Impulse - sowohl mit dem E-Auto, als auch mit dem Fokus auf eigener Software und eigener Batterieproduktion. Mangelte es an der Exekution?

Herbert Diess war der erste VW-Manager mit den richtigen Konzepten. Ob er wirklich gut war, kann ich nicht einschätzen. Die Softwareabteilung Cariad ist in sich zusammengebrochen, die Leute sind entlassen. Intern wurde das Projekt zerrissen, Audi und Porsche sind abgesprungen. Deshalb nutzt man in einem deutschen Auto heute Google und Apple als Interface, sie bestimmen Navigation und Musik. Auf der Steuerungsseite ist es mit einem Bosch-System zusammengestöpselt. Das merkt man, weil man immer dreimal auf Okay klicken muss. Auf selbstfahrende Autos haben wir in Deutschland erst recht keine Antwort.

Was kann die Politik tun?

Wir brauchen eine neue Regierung, die Wirtschaft versteht und Industriepolitik priorisiert. Wir brauchen andere Köpfe und andere Impulse, die auf ein starkes Deutschland und Europa ausgerichtet sind. Die Hoffnung liegt bei Friedrich Merz. Der versteht die Thematik. Sein Problem ist, dass er weibliche Wähler emotional nicht gut abholt. Die Leute müssen wieder Bock bekommen – stattdessen aber hauen viele einfach ab. Es ist verrückt, wie viele von meinen Freunden einfach wegziehen. Und wie viel Kapital die mitnehmen.

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Was also soll die Politik nun konkret anpacken?

Wir brauchen eine Initiative wie den amerikanischen Inflation Reduction Act. Der sorgt dafür, dass Investitionen in den USA wieder attraktiv sind. Ein Pendant dazu in Europa könnte dafür sorgen, dass die Unternehmen von allein ihre neuesten Chips, Batterien, Roboter und so weiter hier produzieren wollen. Wir brauchen auch kein Verbot von chinesischen Kommunikations-Chips, sondern ein Ziel: Deutschland entwickelt den besten 6G-Chip. Bei IRA wird je Kilowatt gesparte Energie gefördert. Analog müsste man hier sagen, wenn Dein Telekommunikationschip on par mit den Chinesen ist, dann kriegst Du 20 Prozent Förderung von uns. Wir haben genug kluge Köpfe, wir haben das Kapital. Uns fehlt leider die Exekution, dass unsere klugen Köpfe großartige Unternehmen aufbauen.

Über Joint Ventures lernte China wichtige Technologien, um jetzt mit Dumpingpreisen hiesige Technologieführer zu verdrängen. Muss man das dulden?

Die freie Marktwirtschaft ist einfach das beste Modell. Einfuhrzölle finde ich nur fair, wenn auf der anderen Seite manipuliert wird. Ich habe beim Solaranbieter Meyer Burger investiert und für das Solarunternehmen gekämpft. Hätte man die fördern müssen? Das ist schwierig. Aber das Ergebnis ist echt bescheuert: Eine Solarproduktion in Europa mit einer besseren Technologie – 20 Prozent mehr Ertrag, 25 Prozent mehr Lebensdauer – hat eigentlich einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber China. Und dennoch sind sie in Schieflage.

Halten wir uns in Europa zu streng an die Spielregeln?

Natürlich muss die Antwort auf Trumps America First heißen: Deutschland First! In einem fairen Umfeld. Deutschland kann uns doch nicht egal sein. Wollen wir uns weiter von den Amerikanern fertigmachen und von den Chinesen überrollen lassen? Manchmal muss man in dieser Welt ein bisschen Ellenbogen zeigen. Ich würde lieber in einem starken Deutschland leben.

Sie waren immer ein Tesla-Fan. Haben Sie nach dem Absturz der Aktie und den politischen Kapriolen von Elon Musk Ihre Meinung geändert?

Am 10. Oktober wird das selbstfahrende Auto von denen vorgestellt – zufällig an meinem Geburtstag. Das ist fertig. Und im Februar soll das auch in Deutschland kommen. Dann erhält der Großteil der Teslas auf unseren Straßen über Nacht ein Update und wird selbstfahrend. Ich trenne zwischen Elon Musk und Tesla. Musk ist ein großartiger Mensch, der leider ohne jegliche emotionale Intelligenz in die Politik reingrätscht. Ich glaube, Tesla wird das wertvollste Unternehmen der Welt. Deren Schachbrett ist erschreckend brillant aufgestellt. Tesla ist eines der ganz wenigen Unternehmen, das proprietäre Daten hat. Es eröffnete das beste AI-Cluster der Welt, führt in Rechenkapazität und designt einen eigenen Chip, die es mit der nächsten Generation von Nvidia aufnehmen kann. Tesla erinnert mich an GE unter Jack Welsh – ein Konglomerat, das ganze Industrien beherrscht. Tesla wird ein Konglomerat von Robotics und KI. Aber Wall Street schaut gerade nur drauf, ob die 100.000 Autos oder 101.000 Auto verkaufen. Das wird sich bald ändern.

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