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Frauen als Führungskräfte und Vorbilder: Im Gespräch mit Britta Mues-Walter (Teil 2)

Britta Mues-Walter ist Gründerin von Mues-Walter Executive Search und Mitbegründerin von &ahead, wo sie Frauen hilft, nach längeren Unterbrechungen zurück in das Berufsleben zu kommen und ihre Karrieren fortzuführen.

Ich habe ein spannendes Gespräch mit ihr geführt über unsere Lebenswege, über Frauen in Führungspositionen und über die Herausforderung von Frauen, nach einer Schwangerschaft oder Erziehungspause, wieder in die Karriere zurückzufinden.

Dieser zweite Teil handelt von Frauen in Führungs- und Vorbildfunktionen. Was ist hier in Deutschland das Problem, was machen wir schon richtig und wo hakt es noch?

Der erste Teil kam in der letzten Woche, in dem wir über unsere Lebenswege und persönlichen Entscheidungen, mit kleinen Kindern wieder durchzustarten, gesprochen haben. In der kommenden Woche erscheint der dritte und letzte Teil!

Anabel: Wir haben aktuell viele prominente Frauen, die sich für eine Quote auch in Vorständen einsetzen oder für Initiativen, bei denen Vorständinnen eine Babypause machen können. Nun sind die Frauen, die sich einsetzen, nicht unbedingt die Frauen, die betroffen sind. Und betroffen von Benachteiligung am Arbeitsplatz bezüglich Karriereoptionen sind viele Frauen. Was sind die Gründe und wie lässt sich die Situation optimieren?

**Britta:**Der Benachteiligung entsteht meines Ermessens dadurch, dass Frauen mit Kinderwunsch von Vorgesetzen oft nicht mehr für Führungspositionen vorgesehen werden, weil sie befürchten, dass sie ausfallen könnten. In Deutschland dominiert noch immer ein sehr traditionelles Rollenverständnis, jedoch sehe ich hier auch viel positive Bewegung, durch FidAR, Netzwerke wie die Fondsfrauen et cetera. Aber es dauert leider alles so lange. Traditionen sind so schwer zu ändern und deshalb bin ich, wie bei der Quote für die Aufsichtsräte, auch für die Quote in den Vorständen, damit es hier schneller vorangeht. Wir brauchen mehr Frauen in den Führungsgremien und die Diversität dringend. Erfreulicherweise höre ich auch mehr und mehr von männlichen Führungskräften, die sagen, dass Frauen mit Kindern oft viel effizienter als ihre kinderlosen Kollegen sind, da sie eben keine Zeit für Kaffeepläuschchen haben, sehr fokussiert arbeiten und abends auch nochmal Zeit dranhängen. Das widerlegt ja die immer noch verbreitete Meinung, dass Frauen, sobald sie Kinder haben, nicht mehr so zielgerichtet ihre Karriere verfolgen oder ambitioniert sind. Wenn die Zeit zwischen berufstätigen Müttern und Vätern im Hinblick auf die Kinderbetreuung und -erziehung und auch Hausarbeit besser aufgeteilt würde, gäbe es dieses Vorurteil schon lange nicht mehr so – das sehen wir in anderen Ländern.

Anabel: In Frankreich und Schweden sind Frauen viel mehr in Führungspositionen etabliert – was ist dort anders als in Deutschland?

**Britta:**Das liegt zum einen an dem eben beschriebenen und in Deutschland noch fehlenden Selbstverständnis, dass Väter und Mütter sich ausgeglichener um die Kinder und den Haushalt kümmern. Zum anderen aber auch entscheidend an der Betreuungsrate für Kleinkinder unter drei Jahren. Diese ist mit 48 Prozent am höchsten in Schweden, gefolgt von Frankreich (29 Prozent) und Finnland (22 Prozent). Deutschland kommt hingegen mit einer nur zehnprozentigen Quote eine Schlusslichtfunktion zu. Die Unterschiede in der Versorgungsquote lassen sich teilweise aus der unterschiedlichen rechtlichen Situation in diesen Ländern erklären. Es gibt zwar in allen vier Ländern Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz. Allerdings unterscheiden sich die Regelungen in den Ländern hinsichtlich des zeitlichen Umfanges der Betreuung und der Altergruppen.

Britta: Wir haben ja gerade schon festgestellt, dass die aktuellen Maßnahmen nicht ausreichend greifen. Was ist mit der Quote, greift das überhaupt und wenn nein, warum nicht?

**Anabel:**Seit rund 4 Jahren gibt es die Quote in Deutschland und wohingehen andere Länder weitaus eher Frauen in Top-Positionen haben, gibt es sie zumindest in den DAX-Unternehmen kaum. Dafür positive Beispiele in der Politik. Es braucht einfach Zeit für Veränderung. Frauen fehlt häufig die Lobby oder das Netzwerk, das es zum Aufstieg in den Vorstand genauso braucht wie Qualifikation oder Führungskompetenz. Zudem haben Frauen hierzulande immer noch oft das Gefühl, zwischen Kind und Karriere entscheiden zu müssen. Zumindest, wenn es um die absoluten Top-Jobs der deutschen Wirtschaft geht, werden nach wie vor bedingungsloses Engagement und uneingeschränkte Verfügbarkeit vorausgesetzt. Das ist für viele Frauen schwer vereinbar. Da sind andere Länder deutlich weiter und die Frauen profitieren sehr davon, dazu gehören z. B. Frankfreich oder Schweden.

**Britta:**Wie sollen sich Frauen oder auch Männer aktivieren, um die Situation zu verbessern?

**Anabel:**An erster Stelle ist die Wahrnehmung der Situation wichtig. Vielen ist die Situation gar nicht so klar, vor allem Männern nicht. Viele Frauen trauen sich auch bestimmte Positionen gar nicht zu. Oder sie sind von ihrer Erziehung her so in ihrer Rolle, dass sie sich in der Pflicht sehen, zurückzustehen und eine große Karriere gar nicht erst anzustreben. Wichtig finde ich insbesondere auch, dass sich bei der Frage der Quote Frauen und Männer zusammentun. Es geht ja nicht darum, durch die Quote fähige Männer gegen unfähige Frauen auszutauschen. Die Quote soll nur die Vielfalt in Organisationen stärken, die Verteilung von Männern und Frauen paritätischer gestalten und so auch das Mitspracherecht von Frauen stärken. Ihre oftmals andere Art, Dinge zu sehen, zu führen und zu bewegen ist in Vorständen, Aufsichtsräten und anderen Gremien eine wichtige Balance zu männergeprägten Konzepten und Entscheidungen. Frauen können hier nur eine Änderung bewirken, wenn sie sich als gleichberechtigt, auf Augenhöhe und nicht als Opfer darstellen.

Anabel: Serien und Spielfilme stellen in ihren Formaten häufig immer noch Stereotype dar – da sind die Ehefrau und der erfolgreiche Unternehmergatte oder die Arzthelferin und der Chefarzt. Ist das aus Deiner Sicht maßgeblich für die fehlende Resonanz und bleibende Stereotype?

**Britta:**Teilweise sicherlich, aber an der Stelle passiert ja auch viel hinblicklich der Forderung nach mehr Inklusivität und Diversität. Bei Anzeigen, in der Werbung et cetera fällt das schon auf. Und was für mich das Entscheidende ist, und Du hast das ja auch bereits angesprochen: wir benötigen Vorbilder. Und tolle weibliche Vorbilder gibt es immer mehr: in den Führungsetagen, immer mehr Frauen als Gründerinnen, die zeigen, dass es möglich ist, Beruf und Familie erfolgreich zu meistern. Trotzdem sind es noch viel zu wenige. Und wir brauchen die Männer, die ihre Partnerinnen bei ihrer Karriere genauso unterstützen. Es wird wohl noch dauern, bis es normal wird und wir über Führungskräfte nicht mehr in Hinsicht auf das Geschlecht, sondern nur über die Eignung diskutieren müssen.

**Anabel:**Was für ein Bild zeigt sich, wenn wir in die Hochschulen und die Situation von Berufseinsteigern schauen?

**Britta:**Schwer zu sagen, die (Weiter-)Bildung macht ja vieles richtig, wir haben zum Teil mehr Absolventinnen als Absolventen – und auch bei den Berufseinsteigern zeigt sich es ein recht ausgeglichenes Bild. Die Lücke ensteht erst nach einigen Jahren und da kommt häufig die Familienplanung und die biologische Uhr ins Spiel. Die Digitalisierung, Globalisierung und auch die demographische Entwicklung wir in Zukunft aber viel verändern. Wir werden alle viel älter und die zukünftigen Generation werden lebenslang lernen müssen.

Britta: Bildung kann hier eine große Rolle spielen – du bist in vielen Bildungs- und Weiterbildungseinrichtungen unterwegs und beschäftigst Dich als Vorstand von NFTE, Jurymitglied von RocketBiz, Mentorin von StartupTeens und CEO von GetYourWings ja auch damit, wie Bildung hier Gleichberechtigung fördern und Mädchen stärken kann, dass sie sich zutrauen, Karriere zu machen und von Jungen auch so wahrgenommen werden. Wie ist Bildung daran beteiligt, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen und was muss dort passieren?

Anabel: In Schulbüchern und im Unterricht sollten viel mehr Frauen in Führungspositionen als Role Models vorgestellt werden. Ich finde deshalb auch die Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, FRAUEN unternehmen, richtig klasse und freue mich sehr, dass ich dort eine der Vorbild-Unternehmerinnen bin. Wir gehen in Schulen und erzählen dort von unserem Lebensweg, um gerade Mädchen zu ermutigen, eine ähnlichen Weg zu gehen, sich etwas zu trauen und zuzutrauen. Auch die Initiative der IHK Berlin, IMMS, das steht für Ich mach mich selbständig, finde ich klasse. Ich bin eine der UnternehmerInnnen, die auch an Schulen geht und dort über die eigene Gründungserfahrung berichtet, um Kinder und Jugendliche zu ermutigen, auch selbst etwas zu gründen. Über diese Termine vor Ort habe ich schon mit vielen Mädchen gesprochen, die im Gespräch mit mir anfingen, sich Gedanken darüber zu machen, ob nicht doch eine Führungsrolle für sie in Fragen kommen könnte, also ein Beruf, in dem sie Verantwortung übernehmen und auch vorn stehen. Es braucht immer wieder dieses Vorleben, das Mädchen zu Hause oft nicht haben.

Britta: Du engagierst Dich für Potentialentfaltung von Berufseinsteigern – wie seid Ihr dazu gekommen und warum ist der Bedarf hier so hoch?

Anabel: Wir leben in einer Zeit der Informationsflut und des Informationsgaps zugleich. Das klingt komisch, ist aber so. Das heißt wir haben zur gleichen Zeit das Gefühl, dass unglaublich viele Informationen greifbar sind, aber wissen gar nicht, was wir denn lesen, anschauen, hören sollen, was für uns relevant ist, was wahr ist und was wir auslassen können. Das führt zu einer ständigen Überforderung und zu Stress. Hinzu kommt: während es früher – vor Bologna – wenige bekannte Studiengänge und weit weniger Hochschulen gab, können Absolventinnen heute aus einer Flut an Angeboten auswählen. Wir wissen aus der Psychologie: zu viel ist zu viel. Drei Entscheidungen pro Tag reichen schon. Mehr frustriert nur. Vor allem wenn die Kriterien nicht klar sind, an denen man sich orientieren sollte, welche Hochschule die Richtige und welcher Studiengang, dann kann die Wahl zur Qual werden. In der Schule selbst und im Elternhaus wird oft zu wenig über Berufswahl und Stärken gesprochen. Das macht dann die Wahl eines Studienganges und die Überlegung, welchen Job man ergreifen will, umso schwieriger.

Prof. Dr. Anabel Ternès schreibt über Leadership & Zukunftskompetenz, Digitalisierung & Arbeit 4.0, Nachhaltigkeit, Gesundheitsmanagement

Zukunftsfähige Unternehmen brauchen Nachhaltigkeit, gesunde Digitalisierung und Zukunftskompetenzen. Eine zukunftsfähige Welt braucht ein gesamtsystemisches Zusammenwirken aller Kräfte. Als eine der führenden Köpfe für Digitalisierung stehe ich für Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Handeln.

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