Freiwillige 2.0: Wer sie sind und was sie tun
Interview mit der Volkskundlerin Dr. Constanze N. Pomp
Frau Dr. Pomp, welche Themen präferieren heute die Freiwilligen 2.0, und was ist ihre Hauptmotivation?
Zunächst einmal zur Definition der Freiwilligen 2.0: Die Online-Engagementplattform Vostel versteht darunter Personen, deren Alter zwischen 18 und 34 Jahren liegt, und die zu 70 Prozent in Großstädten leben. Sie sind zu 75 Prozent weiblich, zu 23 Prozent männlich und zu 2 Prozent divers. Laut einer von April bis Juli 2020 vorgenommen Vostel-Umfrage rückt das Thema Natur-, Umwelt- und Tierschutz für zukünftige potentiell Engagierte stark in den Fokus. Dazu konkrete Zahlen: In Zukunft beabsichtigen laut der Umfrage, sich 34,1 Prozent in diesem Bereich zu engagieren, wohingegen sich 15,1 Prozent bereits bisher in diesem Feld einbrachten. Die starke Zunahme resultiert vermutlich aus der Dringlichkeit des Themas und der großen medialen Präsenz zu Fragen des Klimawandels.
Wenn wir uns im Vergleich dazu ergänzend die Shell-Jugendstudie 2019 betrachten, die unter der Generation der 12- bis 25-Jährigen durchgeführt wurde, zeigt sich, dass für vier von fünf Jugendlichen das Gesundheitsbewusstsein ein wichtiger Wert ist. Für 71 Prozent der Jugendlichen ist Umweltschutz von Bedeutung. Nur 60 Prozent gaben 2002 an, dass er ihnen wichtig sei. Aufgrund der Tatsache, dass junge Engagierte stark Themen wie Klimawandel, Nachhaltigkeit und bürgerschaftliches Engagement im Fokus haben, bedeutet es für Organisationen global zu denken und lokal zu handeln.
Wie Vostel in ihrer Studie für ein freiwilliges Engagement eruierte, spielen danach primär altruistische Motive einer aktiven Mitgestaltung der Gesellschaft sowie der eigene Beitrag zur Lösung eines Problems mit 61,5 Prozent eine dominante Rolle. Mit 42,8 Prozent folgt auf Rang zwei der Wunsch der Freiwilligen 2.0 nach einer persönlichen Weiterentwicklung. Weitere 31,9 Prozent möchten zu einer positiven Entwicklung ihres direkten Umfeldes, z. B. der Nachbarschaft, beitragen. Lediglich 18,6 Prozent führten an, neue Menschen im Rahmen der Tätigkeit kennenlernen zu wollen.
Was sind die Hauptgründe, weshalb ein Ehrenamt unterbrochen oder aufgegeben wird?
Das Institut für Demoskopie Allensbach hat sich mit dieser Frage beschäftigt und ermittelte, dass zu den häufigsten Gründen ein zu hoher Zeitaufwand, eine zu große Verpflichtung, sowie Zeitmangel aufgrund beruflicher oder privater Veränderungen zählen. Aus meiner täglichen Arbeit kann ich dies nur bestätigen, häufig wird bei uns eine Engagementtätigkeit infolge einer veränderten Lebenssituation oder aus Altersgründen unterbrochen bzw. aufgegeben.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, weiterhin mit den jeweiligen Personen Kontakt zu halten, da sie sich möglicherweise zu einer erneuten Aufnahme des Engagements entschließen könnten. Wurde das Engagement aus Altersgründen aufgegeben, so erachte ich es ebenfalls als notwendig, den Kontakt aus Verbundenheit nicht abreißen zu lassen.
Seit 2007 gibt es eine hauptamtliche Stelle für die ehrenamtlichen Kräfte im TECHNOSEUM. Was war der Grund dafür, und welche Motivation haben Menschen, sich hier ehrenamtlich zu engagieren?
Damit soll in starkem Maße die Wertschätzung, die der ehrenamtlichen Tätigkeit im TECHNOSEUM gezollt wird, zum Ausdruck gebracht werden. Außerdem steigen mit einer gewissen Anzahl an Ehrenamtlichen automatisch die organisatorischen Anforderungen. Gerne gehe ich auf einzelne Aspekte, die unsere ehrenamtlichen Kräfte motivieren, sich am TECHNOSEUM zu engagieren, im Zusammenhang mit aktuellen Umfrageergebnissen zur Zufriedenheit unserer Ehrenamtlichen ein.
Welche ehrenamtlichen Engagementbereiche sind bei Ihnen vertreten?
Für die Aufnahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit bieten sich im TECHNOSEUM vielerlei Engagementbereiche. Spezialkenntnisse sind dazu nicht notwendig. Lassen Sie mich einen kurzen Überblick über die Haupttätigkeitsfelder geben:
Zwei Bereiche sind hierbei besonders hervorzuheben, die ohne ehrenamtliche Unterstützung nicht realisierbar wären. Dabei handelt es sich einerseits um die saisonalen Feldbahnfahrten durch den Museumspark, andererseits um den ganzjährigen Vorführbetrieb an der Münzprägestation. Das TECHNOSEUM erhält darüber hinaus noch weitere Unterstützung in der Abteilung Museumspädagogik, beispielsweise bei der Vorbereitung von Workshops oder als helfende Hand zur Entlastung von Gruppenbetreuer*innen an besucherstarken Tagen. Auch in der Druckwerkstatt ist die Mithilfe groß, sei es beim Postkartendruck an Aktionstagen oder bei Vorführungen von einzelnen Maschinen. In den Restaurierungswerkstätten sind ebenfalls ehrenamtliche Kollegen aktiv, das können z. B. Reinigungs- und technische Wartungsarbeiten sein, ebenso wie das Assistieren bei Objekttransporten zwischen den Außendepots und dem TECHNOSEUM.
Möglichkeiten zur Mitarbeit existieren auch im Blick auf die Durchführung von Veranstaltungen, dies kann die Betreuung eines Infostandes sein, aber auch das gemeinsame Anfertigen von Aktionsbuttons mit Museumsgästen. Alle Betätigungsbereiche hier aufzuführen, würde den Rahmen sprengen. Ich kann aber sagen, dass sich immer wieder neue Engagementbereiche ergeben. So übernehmen unsere Ehrenamtlichen ab Januar 2021 die Pflege des historischen Schrebergartens, der einen Teil der Dauerausstellung bildet.
Wie viele ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich am TECHNOSEUM?
Aktuell wird das Museum von 165 Ehrenamtlichen unterstützt, davon sind 43 Frauen und 122 Männer. Da es sich beim TECHNOSEUM um ein Technikmuseum handelt, liegt der Anteil von männlichen Engagierten deutlich höher, als der von Frauen.
Können Sie etwas zur Altersstruktur der Ehrenamtlichen sagen?
Die Altersstruktur verläuft bei uns von 15 bis 89 Jahren. Konkret sieht sie folgendermaßen aus: In der Altersgruppe von 65 bis 74 Jahre ist die Beteiligung der Ehrenamtlichen mit 36 Prozent (n = 59) überdurchschnittlich hoch. Die 55- bis 64-Jährigen bilden mit 20 Prozent die zweitstärkste Gruppe (n = 34). Mit jeweils 6 Prozent (n = 10) folgen die 45- bis 54-Jährigen, sowie die 75- bis 79-Jährigen und diejenigen, die 80 Jahre und älter sind. Die Altersstruktur verteilt sich bei den jüngeren Engagierten zu jeweils 2 Prozent (n = 3) auf die 14- bis 24-Jährigen und die 25- bis 34-Jährigen, sowie zu 5 Prozent (n = 8) auf die 35- bis 44-Jährigen. Von 17 Prozent der Ehrenamtlichen sind keine Altersangaben (n = 28), aber ich kann Ihnen sagen, dass diese auch im Alter von 65+ liegen.
Wie erfolgt die Akquise neuer Ehrenamtlicher im TECHNOSEUM?
Grundsätzlich finden wir unsere Ehrenamtlichen über verschiedene Kommunikationskanäle. Häufig erhalten potenzielle Engagierte einen Impuls aus ihrem direkten Umfeld, d. h. von Personen aus dem Familien-, Verwandten- oder Bekanntenkreis. Diese Personen engagieren sich bereits bei uns und empfehlen die ehrenamtliche Tätigkeit direkt weiter. Darüber hinaus weisen wir über unsere Homepage und Social-Media-Kanäle sowie über einen eigenen Flyer auf die Möglichkeiten zur ehrenamtlichen Beteiligung hin. Auch über Pressemitteilungen informieren wir Interessenten. Schließlich sind wir auf Online-Plattformen, wie der Freiwilligenbörse der Stadt Mannheim oder Aktion Mensch vertreten oder bringen uns an Aktionstagen, wie dem Freiwilligentag der Metropolregion Rhein-Neckar ein.
Können Sie den Prozess zur Entwicklung von Engagementangeboten beschreiben?
Zur Erstellung eines Engagementangebotes sollte man sich als Organisation zunächst fragen: Welche besondere Attraktivität zeichnet uns aus, so dass sich Menschen entschließen könnten, sich bei uns zu engagieren? Wo liegt unser Schwerpunkt und unsere Expertise? Was sind unsere Ziele. Darauf aufbauend ist zu überlegen, welche Zielgruppe soll für die ehrenamtliche Mitarbeit angesprochen werden, bzw. welche Motive sind dieser Zielgruppe wichtig. Nun gilt es, den passenden Informationskanal zu wählen. Im Gegenzug können potenzielle Engagierte abgleichen, ob die Ziele passgenau mit den eigenen übereinstimmen, ob sie sich angesprochen fühlen und das Gefühl haben: „Hier wäre ich richtig!“
Für die Aufgabenbeschreibung ist es ratsam, so konkret wie möglich zu sein, um potenziell Engagierten eine genaue Vorstellung zu geben, was von ihnen erwartet wird: Für welche Aufgaben werden Ehrenamtliche gesucht, was soll getan werden? Was soll nicht getan werden? Wie viel Zeit ist für die Tätigkeit einzubringen? Sind besondere Fähigkeiten hierfür unerlässlich? Es gilt aber natürlich auch Aspekte zu benennen, was Ehrenamtlichen im Gegenzug geboten wird, wie z. B. Fortbildungen, Einarbeitung, Versicherungsschutz, oder der Hinweis auf eine besonders gute Teamstimmung usw. Aus allen diesen einzelnen Bausteinen an Informationen wird ein Engagementangebot erstellt und mit einem attraktiven Titel abgerundet, denn wie mein Doktorvater einmal sagte: Ein Titel muss sexy sein.
Wie werden Ehrenamtliche geführt und angeleitet?
Mit einer ehrenamtlichen Aktivität verbindet sich in starkem Maße das Bedürfnis nach Eigenverantwortung und Selbstbestimmung. Aus diesem Grund ist es wichtig, Autonomie und Mitbestimmung zu unterstützen.
In der Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen sollte flexibel je nach Situation und Persönlichkeit des Engagierten eingegangen werden. Jeder Ehrenamtliche verfügt über unterschiedliche Erfahrungen, kann sein spezifisches Können und Wissen einbringen, dementsprechend ist mehr oder weniger Unterstützung notwendig.
Wie begingen Sie am 5. Dezember 2020 den Internationaler Tag des Ehrenamts?
Aufgrund des bundesweiten Teil-Lockdowns und zusätzlichen Beschränkungen innerhalb der Stadt Mannheim konnten wir uns leider nicht aktiv am Internationalen Tag des Ehrenamts beteiligen, aber natürlich machten wir auf die großartige Unterstützung unserer Ehrenamtlichen aufmerksam. Es ist wichtig, dass überall dort, wo Menschen sich engagieren auf diese Mitarbeit hingewiesen wird. Ich möchte hier gerne die amerikanische Ethnologin Margaret Mead zitieren, die sagte: „Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt verändern kann - tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise, in der die Welt jemals verändert wurde.“ Deutlich machte dies auch der 5. Deutsche EngagementTag unter dem Titel „Grenzenlos engagiert - Zivilgesellschaftliches Engagement in Zeiten von Umbrüchen und Aufbrüchen“, der am 3. und 4. Dezember 2020 vom das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) digital veranstaltet wurde.
Der Internationale Tag des Ehrenamts sollte als offizieller Anlass im Jahr genommen werden, um den vielen Helferinnen und Helfern danke zu sagen, d. h. aber auch, der Dank sollte nicht nur einmal im Jahr an diesem speziellen Tag erfolgen, sondern das gesamte Jahr über ausgesprochen werden.
Wie sieht die Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen konkret aus?
Ich bin für die überfachliche Betreuung zuständig, die fachliche Betreuung erfolgt in der Regel durch den jeweiligen Ansprechpartner im entsprechenden Tätigkeitsbereich. Hier ist meinerseits eine enge Kommunikation und Abstimmung mit hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen gefragt. Das bedeutet, ich nehme eine Sandwichposition ein und bin die Mittlerin zwischen meinen ehren- und hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen. Sollte es einmal zu einem Konfliktfall oder einem Missverständnis gekommen sein, gehört es hier zu meinen Aufgaben, zu vermitteln und für Klärung zu sorgen. Bei uns im TECHNOSEUM klappt die Zusammenarbeit beiderseits sehr gut, dies bestätigten auch unsere Ehrenamtlichen in einer Evaluation des Jahres 2020.
Sie sprachen in Ihrem Online-Vortrag am 16. November 2020 beim Museumsverband Thüringen von einer Anerkennungs- und Wertschätzungskultur am TECHNOSEUM. Wie sieht diese konkret aus?
Anerkennungskultur wird bei uns nicht nur großgeschrieben, sondern auch gelebt. Sie ist sehr vielfältig ausgestaltet und beinhaltet u. a. eine kostenlose Familienmitgliedschaft im Freundeskreis TECHNOSEUM sowie die Teilnahme an dessen Veranstaltungen. Unsere Ehrenamtlichen erhalten selbstverständlich freien Eintritt ins Haus, werden zu Reviews anlässlich von Sonderausstellungen inklusive Kuratorenführung eingeladen. Monatlich findet in unserer sogenannten Arbeiterkneipe ein Stammtisch statt, der intensive Möglichkeiten zum gegenseitigen Kennenlernen und zum Austausch bietet. Wir ermöglichen Weiterbildungsangebote zum Beispiel bezüglich des Umgangs mit Besuchern.
Ich erstelle ein jährlich wechselndes exklusives Jahresprogramm für unsere Ehrenamtlichen als besonderes Zeichen der Wertschätzung durch das TECHNOSEUM. Neben Expertenvorträgen setzt sich dieses aus Führungen mit Einblicken hinter die Kulissen des Museums, aber auch z. B. aus Werksbesichtigungen zusammen. Highlights des Jahres sind das Ehrenamtsfest und eine gemeinsame Exkursionsfahrt. Beim Ehrenamtsfest würdigt unser Museumsdirektor, Prof. Dr. Hartwig Lüdtke, die gute Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen, verleiht Ehrenurkunden für langjährige Engagements, zusätzlich gibt es eine kulturelle Darbietung sowie innerhalb dieses Rahmens ein gemeinsames Menü. Unsere praktizierte Anerkennungskultur ist sehr umfangreich gestaltet, so dass wir auf vielfältige Art und Weise unseren Dank für ehrenamtliche Mitarbeit zeigen und aussprechen.
Welche Tipps zur Anerkennung von Ehrenamtlichen können Sie anderen geben?
Wie ich bereits im Zusammenhang mit dem Internationalen Ehrenamtstag sagte, ist es essentiell, Anerkennung nicht nur einmal zu vermitteln. Der Dank für das ehrenamtliche Engagement muss immer wieder zum Ausdruck gebracht und vermittelt werden. Dabei ist es wichtig, dass dieser Dank ehrlich, d. h. authentisch ist, und sich individuell an den Empfänger des Dankes richtet. Ebenso sollte der Dank unbedingt zeitnah erfolgen, z. B. unmittelbar nach einer bestimmten Aktion, nicht erst Wochen später. Um es nochmals deutlich zu sagen: Es gibt keine stillschweigende Wertschätzung! Sie muss immer gezeigt, ausgesprochen, ausgedrückt und vermittelt werden.
Anerkennung beruht darauf, sich auf sein Gegenüber, auf die Persönlichkeit des Ehrenamtlichen einlassen zu können, sich mit ihm zu beschäftigen, einfach sich Zeit für ihn zu nehmen. Ihm damit zu zeigen: Sie sind mir wichtig und dafür nehme ich mir Zeit. Gerade Zeit ist immer noch das kostbarste, das wir einem Menschen schenken können. Wertschätzung und Anerkennung drücken sich auch in Zugewandtheit, Interesse, Aufmerksamkeit und Freundlichkeit aus.
Bei der Anerkennungskultur geht es quasi um die „Kunst der Anerkennung“, deshalb sollte sich eine Organisation überlegen, wie sie ihre Anerkennungskultur effektiv ausgestalten kann.
Was tun Sie, um die Ehrenamtlichen an sich zu binden?
Für die Bindung von Ehrenamtlichen gibt es nicht DAS Tool. Die Bindung hängt sehr stark von der Motivation der einzelnen Engagierten ab. Bedeutsam ist es, die Ehrenamtlichen und ihre individuellen Beweggründe gut zu kennen. Entsprechend kann darauf eingegangen und reagiert werden. Um konkrete Beispiele zu nennen: Für viele Ehrenamtliche ist es wichtig, neue Menschen kennenzulernen und persönliche Beziehungen aufzubauen. Ihnen sollten z. B. Gelegenheiten zum kommunikativen Meinungsaustausch und für die Geselligkeit angeboten werden. Wird von Ehrenamtlichen dagegen mehr die persönliche Entwicklung in den Blick genommen, könnten Möglichkeiten für sie geschaffen werden, um etwas Neues zu lernen.
Im Kontext von Bindung nimmt die Anerkennung gleichfalls wieder eine wichtige Komponente ein. Sobald sich eine engagierte Person nicht anerkannt und wertgeschätzt fühlt, wird sie auf Sicht folglich ihre ehrenamtliche Tätigkeit beenden.
Ergänzend kann ich noch anfügen, für ein längerfristiges Engagement nehmen das Sehen und Spüren der eigenen Selbstwirksamkeit eine wichtige Rolle ein.
Warum ist Freiwilligenmanagement auch eine strategische Aufgabe?
Die Aufgabenbereiche des Freiwilligenmanagements erstrecken sich auf die operative und managerielle Ebene. Bei den operativen Aufgaben handelt es sich um die Erstellung von Engagementkatalogen und der Bedarfsanalyse, die Gewinnung von Ehrenamtlichen, das Führen von Erstgesprächen, die Orientierung und Einarbeitung in die Tätigkeitsbereiche, die Begleitung und Anerkennung, die Organisation und Anfertigung von Einsatzplänen, das Führen von Feedbackgesprächen, die Vermittlung im Konfliktfall sowie letztlich um die Willkommens- und Verabschiedungskultur.
Die auf der manageriellen Ebene angesiedelten Aufgaben widmen sich der Entwicklung neuer Engagementangebote, der regelmäßigen Zufriedenheits-Evaluation, dem Aufbau von Kooperationen mit externen Netzwerken und der Budgetplanung.
Der Freiwilligenkoordination wird die operative Ebene zugeschrieben, diese begleitet die Ehrenamtlichen überfachlich während ihres Engagements. Dem Freiwilligenmanagement fällt die strategische Ebene zu.
Welche Voraussetzungen braucht es zu einer nachhaltigen Engagementförderung?
Eine nachhaltige Engagementförderung setzt sich – wie erläutert – aus der praktischen Umsetzung verschiedener Elemente zusammen. Dies wird an der Entwicklung und dem breiten Spektrum von nachhaltigen Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement erkennbar. Wie bereits aufgeführt, trägt die Verfahrensweise im TECHNOSEUM, die operativen und strategischen Aufgaben des Freiwilligenmanagements in den Zuständigkeitsbereich der „Koordination Ehrenamt“ zu legen, wesentlich zu einem nachhaltigen Engagement bei. Die Erfüllung der individuellen Beweggründe und Motivationen, die sich letztlich in der Zufriedenheit der Ehrenamtlichen widerspiegeln, ist ebenfalls ausschlaggebend für ein nachhaltiges Engagement.
Von Mai bis Juli 2020 führten Sie eine Fragebogenaktion durch. Was sind die wichtigsten Ergebnisse der Evaluation zur Zufriedenheit 2020?
Bei unseren Umfrageergebnissen gab es deutliche Parallelen und Übereinstimmungen zu den Ergebnissen des Freiwilligensurveys 2014. Auch bei unseren Ehrenamtlichen spielten bezüglich der Motivation für das Engagement nicht nur einzelne Motive, sondern eine Bündelung von mehreren Aspekten eine Rolle.
Um dies zu konkretisieren: Dementsprechend können Kontakte zu andere Menschen aufgebaut, neue Erfahrungen gemacht und Wahrnehmungen von Sinnhaftigkeit erlebt werden. Die ehrenamtliche Aktivität trägt durch die Aneignung von neuem Wissen ihren Teil zum lebenslangen Lernen bei. Da unsere Ehrenamtlichen ihre beruflichen Qualifikationen, Erfahrungen, Fertigkeiten und Kompetenzen einbringen, wird die Variationsbreite des TECHNOSEUM gestärkt.
Als einer der relevanten Indikatoren für ein nachhaltiges Engagement gilt die Zufriedenheit der Engagierten. Auf den Punkt gebracht: Unsere Ehrenamtlichen sind mit ihrer Tätigkeit sehr zufrieden und würden diese auch mit einem Durchschnitt von 1,6 weiterempfehlen. Über dieses Ergebnis freue ich mich natürlich sehr, da es zeigt, dass wir uns alle auf einem gemeinsamen guten Weg befinden und ein „Engagement für die Engagierten“ sehr bedeutsam ist.
Wie läuft das Ehrenamt in Coronazeiten, und wie halten Sie Kontakt mit den Ehrenamtlichen?
Natürlich schränkt die Coronapandemie auch die ehrenamtlichen Betätigungsmöglichkeiten am TECHNOSEUM stark ein, bzw. führt dazu, dass die Engagements aktuell wieder ruhen müssen. Wie Sie an der Altersstruktur unserer Ehrenamtlichen gesehen haben, gehören diese überwiegend zur sogenannten Risikogruppe. Die Fürsorgepflicht hat hier oberste Priorität. Bereits im Frühjahr mussten die ehrenamtlichen Tätigkeiten wegen COVID-19 pausieren. Einzelne Engagementbereiche konnten nach Erstellung und unter Berücksichtigung eines speziellen „Maßnahmenkonzeptes zum Einsatz ehrenamtlicher Kräfte“ partiell ausgeübt werden. Hierzu gehörte beispielsweise von Juli bis Oktober der Feldbahnbetrieb im Museumspark. Andere Bereiche, wie die Münzprägestation, sind seit Frühjahr inaktiv, da hier leider nicht der notwendige Mindestabstand eingehalten werden kann. Auch unser jährliches Ehrenamtsprogramm musste im März 2020 abgebrochen werden.
Ich halte über verschiedene Kommunikationswege Kontakt zu unseren Ehrenamtlichen. Zunächst sind hier E-Mails zu nennen, die ich regelmäßig verschicke, darin informiere ich über Neuigkeiten aus dem TECHNOSEUM und zeige die aktuelle Situation auf. Zusätzlich mache ich auf unsere digitalen Angebote aufmerksam, die ständig erweitertet werden. Ich sende aber auch Links für digitale Angebote rund aus der Museumswelt, sei es national oder international. Darüber hinaus gebe verschiedene Hinweise auf sonstige interessante und nützliche Links, so dass jeder, der möchte, etwas Passendes für sich finden kann. Außerdem füge ich immer wieder Zeitungsartikel bei und versuche so, meine E-Mails abwechslungsreich zu gestalten. Dies gelingt mir auch, wie mir das Feedback unserer Ehrenamtlichen bestätigt. Vom 1. bis 24. Dezember versende ich jeden Tag eine E-Mail, z. B. mit einer Erläuterung zu einem Brauch – also sehr volkskundlich -, in Kombination mit einem Gedicht oder einem Rezepttipp usw. So kann jeder unserer Ehrenamtlichen jeden Morgen ein virtuelles Adventstürchen öffnen. Zu Weihnachten haben alle Ehrenamtlichen von mir bereits eine handgeschriebene Weihnachtskarte mit persönlichem Gruß erhalten.
Parallel dazu führe ich natürlich Telefonate, in denen ich mich über Alltäglichkeiten austausche und klöne. Zu Weihnachten gibt es eine Videobotschaft. Leider war die Resonanz für ein Treffen per Zoom zu gering. Das Verständnis und die Geduld unserer Ehrenamtlichen für die Einschränkungen im Museum durch die Coronapandamie sind groß. Mich persönlich freuen das enorme positive Feedback und die Dankbarkeit für die nicht abreißende Kommunikation unwahrscheinlich. Hier ist deutlich der starke Zusammenhalt zu spüren.
Zur Person:
Dr. Constanze N. Pomp studierte im Magisterstudiengang Kulturanthropologie/Volkskunde sowie Buchwissenschaft und Christliche Archäologie & Byzantinische Kunstgeschichte. 2014 wurde sie in Kulturanthropologie/Volkskunde promoviert. Sie nahm Lehraufträge am Institut für Film-, Theater- und empirische Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz wahr. Von 2017 bis 2019 absolvierte sie am TECHNOSEUM Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim ihr wissenschaftliches Volontariat. Von 2018 bis 2019 war sie im Arbeitskreis Volontariat des Deutschen Museumsbundes (DMB) aktiv. Seit März 2019 ist sie am TECHNOSEUM in der Stabsstelle Freundeskreise und Ehrenamt für die Koordinierung der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuständig. An der Akademie für Ehrenamtlichkeit Deutschland in Berlin ließ sie sich zur Freiwilligenkoordinatorin ausbilden. Sie ist zertifiziert für Inhouse-Schulungen „Engagement-Begleitung“. Vortrags- und Publikationstätigkeiten zu alltagskulturellen und sporthistorischen Themen sowie zum Freiwilligenmanagement.