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Frischluftinseln: Vom Schrebergarten zum Urban Gardening

Kleingärten mit Tradition

Von einem eigenen Fleckchen Natur mitten in der Stadt, das man selbst bewirtschaftet, haben Menschen schon vor über 200 Jahren geträumt. Damals wurde der erste Kleingartenverein in Deutschland gegründet: in Schleswig-Holstein, in Kappeln bei Flensburg. Zu dieser Zeit stand allerdings noch die reine Versorgung mit Nahrungsmitteln im Vordergrund. 1814 verpachtete Pastor Schröder hier 24 Gartenparzellen und legte erstmals Nutzungsbedingungen in den „Conditionen“ fest. Der Namenspatron der Schreberbewegung, Daniel Gottlob Moritz Schreber, hat damals noch nichts mit alledem zu tun (damals war Schreber gerade sechs Jahre alt). Heute heißt der Verein KGV Kappeln – aus der Gründerzeit ist jedoch wenig übriggeblieben.

Von hier aus nahm eine Bewegung ihren Lauf, die heute in ganz Deutschland und sogar über die Landesgrenzen hinaus vertreten ist: In deutschen Kleingartenvereinen liegen etwa eine Million Gärten (insgesamt eine Fläche von der Größe Kölns), die von rund fünf Millionen Gartenfreunden, die im Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. (BDG) organisiert sind, genutzt werden.

Die Wartelisten können sehr lang sein – manchmal warten Menschen sogar Jahrzehnte auf einen Kleingarten, der nicht frei wird, weil er in der Familie bleibt. Nachhaltigkeit wird dabei großgeschrieben: Klare Regeln sorgen dafür, dass die Gärten, die in Städten als Frischluftschneiden und zum Temperaturausgleich dienen, umweltschonend bewirtschaftet werden.

Durch Vorstöße wie die vermehrte Bienenhaltung in Kleingärten gelingt es auf ökologische Weise, die Erträge und damit auch die Freude am Gärtnern zu erhöhen. Viele Menschen halten die Kleingartenkultur, die Trennung von Wohnen und Gartenarbeit, allerdings für überholt, denn moderne grüne Stadtviertel sind heute gemischte Quartiere.

Urban Gardening: Das neue Erdgefühl in der Stadt

Urban Gardening ist die Antwort auf die Beschleunigungsneurosen der Stadtbewohner, die auf Dächern und Hochhauswänden plötzlich Gemüse und Blumen sprießen lassen. Urbane Gärten werden in der Regel ebenfalls ökologisch bewirtschaftet und erhöhen die Vielfalt der Pflanzen- und Tierarten in der Stadt. Zudem dienen sie dem Klimaschutz, filtern Luftschadstoffe und Erhöhen die Lebensqualität der Menschen. Wo nur Asphalt und Beton Straßenbilder prägen, heizen sich auch Städte im Sommer schneller auf („Inseleffekt“). Deshalb sind Pflanzen eine gute Präventionsmaßnahme, denn ihre Verdunstung kühlt die Luft. Die Blätter spenden Schatten, so dass Straßen und Häuser weniger Wärme speichern.

Bis auf Parks, Straßenbäume und Balkone gibt es in Städten oft nur wenig Grün. Doch das ließe sich durch vermehrte Begrünung von Hausfassaden ändern – zum großen Vorteil von Natur und Stadtbewohnern gleichermaßen. Denn wie eine Studie bestätigt, wirken begrünte Fassaden nicht nur wie eine natürliche Klimaanlage, sie filtern auch messbare Mengen von Schadstoffen wie Stickoxiden und Feinstaub aus der Luft.

In der Stadt heizen sich die Asphalt- und Betonflächen tagsüber stark auf und halten die Wärme bis in die Nacht hinein. Als Folge ist es deshalb meist mehrere Grad wärmer als im ländlichen Umland. Angesichts des Klimawandels und zunehmender Hitzewellen macht dies die Städte zu wahren Hitzeinseln. Gleichzeitig führen der starke Verkehr und weitere Emissionsquellen in den Ballungsräumen zu erhöhten Stickoxid- und Feinstaubbelastungen der Luft, was wiederum die Gesundheit der Stadtbewohner belasten kann.

Ein Ansatz, um diese stadtspezifischen Probleme zu lindern, ist es, möglichst viel Grün in die Städte zu integrieren. Typische Fassaden-Kletterpflanzen sind der Efeu (Hedera helix) oder der Wilde Wein (Parthenocissus). Beide sind sehr anpassungsfähig und trockenheitsverträglich und gedeihen auch an verhältnismäßig anspruchslosen Standorten. Für ihre Studie hatten Forscher um Hans Georg Edelmann von der Universität Köln Efeu-begrünte Fassaden mit klassisch verputzten Hausfassaden verglichen. Die Auswertungen bestätigten: Efeu und anderer Fassadenbewuchs wirken im Sommer nachhaltig kühlend, im Winter wärmeisolierend auf die Fassaden (Quelle: Universität zu Köln).

Wo wir es grün werden lassen, sind Raum und Zeit noch in Ordnung. Die ganze Welt sollte ein Garten werden.

Weiterführende Informationen:

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Gartenzeit: Wie wir Natur und Kultur wieder in Gleichklang bringen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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